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Totalverlust statt Megarendite: Ein millionenschwerer Anlegerskandal belastet die Maklerfirma Engel & Völkers

Unter der Marke des Top-Maklerhauses Engel & Völkers wurde jahrelang ein Immobilienprojekt in Kanada vermittelt. Nun ist der Entwickler pleite, statt Luxusresort gibt es nur ein Stück Wald.

Joseph Maier* dachte, er könne Engel & Völkers vertrauen. Jenem Maklerhaus, das wie kaum ein anderes für Renommee und Seriosität steht. Maier steckte also 2012 seine Ersparnisse in ein Investment, das unter dem Markenlogo der Hamburger Immobiliengurus beworben wurde. Heute sagte der Anleger: „Der Name Engel & Völkers verspricht doch, dass alles mit rechten Dingen zugeht.“

Es war offenbar anders. Das viele Geld, das Maier in ein angebliches Toprendite-Projekt steckte, ist weg. Schicksale wie das von Maier gibt es viele am Grauen Kapitalmarkt. Mit hohen Renditen werden Anleger in exotische Investments geködert. Am Ende bleibt oft ein herber Verlust. Doch eines ist bei Maier anders: Nie hätte er gedacht, dass ihm zwielichtige Graumarkt-Jongleure die Anlage anpriesen. Denn das Projekt haben Makler der Engel & Völkers Resorts GmbH vertrieben.

Der Name des Investments ruft Panoramen nordamerikanischer Landschaft vor Augen, Wälder, Seen und die Chance auf Reichtum: Im kanadischen Nova Scotia sollte der Forest Lake Country Club entstehen, ein Luxusresort in idyllischer Umgebung unweit der Hafenstadt Halifax. Wenn im Jahr 2018 alles fertig sei, würden hier hochpreisige Immobilien, Golfplatz, ein Fünf-Sterne-Hotel stehen, hieß es in Vermittlungsprospekten. Und – wie es sich für Kanada gehört – eine Eishockey-Akademie.

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Bis zu 15 Prozent Rendite pro Jahr versprach die Engel & Völkers Resorts GmbH Maier. Und so steckte Maier, ein Hamburger Manager, 85.000 Euro in den Forest Lake Country Club. In nur vier Jahren hätte sein Investment auf fast 140.000 Euro anwachsen sollen.

Heute ist der Bauträger Terra Firma Development Corporation (Terra) insolvent, Maiers Geld im Nirwana des Grauen Kapitalmarkts verschwunden. Wie ihm geht es wohl Tausenden Anlegern, die direkt oder über Dachfonds investiert sind.

Unter den Geschädigten sind Finanzberater, Mittelständler, gar hochrangige Vermögensverwalter. Teils sind sie mit Hunderttausenden Euro in das Grundstücksinvestment eingestiegen.

Anlegerkapital in Höhe von umgerechnet 100 Millionen Euro sind wohl verloren. Das geht aus dem Insolvenzbericht des kanadischen Insolvenzverwalters MNP hervor, der dem Handelsblatt vorliegt.

Die Engel & Völkers AG will von dem gefloppten Anlageparadies am liebsten nichts wissen. Das Maklerhaus habe die „Kapitalanlageprodukte nicht konzipiert oder vertrieben“, heißt es auf Anfrage. Die Engel & Völkers Resorts GmbH sei zwar ein ehemaliges Lizenzunternehmen, habe die Investments im deutschsprachigen Raum aber „rechtlich und wirtschaftlich selbstständig“ an Kunden wie Maier vermittelt.

Das ist Teil des Geschäftsmodells von Engel & Völkers: Der Franchisegeber verkauft Lizenzen, mit denen Unternehmen und Makler unter dem Markenlogo operieren dürfen. Ralph Viereck, ehemaliger Geschäftsführer von Engel & Völkers Resorts, äußerte sich dem Handelsblatt gegenüber nicht zu den Vorwürfen.

Für unbedarfte Anleger war freilich kaum erkennbar, dass Engel & Völkers Resorts den Namen bloß mietete. Die Makler waren unter der Mailadresse mit der Domain „@engelvoelkers.com“ erreichbar und saßen in der damaligen Firmenzentrale an der Stadthausbrücke 5 in Hamburg.

Die Führungsriege dürfte sich täglich in Treppenhaus und Fahrstuhl begegnet sein, besuchte gemeinsam Veranstaltungen zum Forest Lake Country Club. Auch Gründer Christian Völkers höchstpersönlich soll diese besucht haben, berichten Teilnehmer.

Joseph Maier stand seit 2012 in regem Kontakt mit Engel & Völkers Resorts. Er ließ sich die Anlage erklären, besuchte Infoveranstaltungen. Seine Gesprächspartner versicherten ihm ein unkompliziertes Trauminvestment. Am Ende der Laufzeit könne er Eigentümer des Grundstücks werden oder es an den kanadischen Projektenwickler Terra verzinst zurückverkaufen.

Eine schrecklich dubiose Familie

Dass der Projektverwalter ausfallen könnte und die Realisierung des Investments „im Extremfall zum Erliegen“ käme – wie im Risikohinweis aufgeführt –, war den Anlegern offenbar entgangen. Engel & Völkers Resorts habe stets betont, wie sicher das Investment und wie seriös die Geschäftspartner seien, erinnert sich Maier.

Diese Partner hießen Donald und Bradley Marr. Sie waren die Chefs des Bauträgers, der Maiers Investment zu hohen Gewinnen führen sollte. Engel & Völkers Resorts sprach mit Blick auf das Brüderpaar Marr von „gelebter Verantwortung“, „starker Reputation vor Ort“ und „25 Jahre Erfahrung“.

Heute weiß Maier es besser. Schon 2010 verhängte die US-Börsenaufsicht SEC eine Geldstrafe in sechsstelliger Höhe gegen Donald Marr und dessen zweiten Bruder, Rodney.

Die Aufsicht war überzeugt, dass die beiden zu Beginn der 2000er-Jahre unter Decknamen Finanzbetrug in großem Stil begingen. 20 Millionen Dollar sollen sie von 700 Kleinanlegern aus aller Welt gestohlen haben, heißt es in einem Schreiben der SEC. Die Marr-Brüder verkauften demnach Wertpapiere verschiedener Unternehmen, die gar nicht börsennotiert waren.

2012, als Engel & Völkers Resorts Donald Marr als rechtschaffenen Geschäftsmann darstellte, war diese Vorgeschichte schon aktenkundig. Warum legte Engel & Völkers Resorts seinen Anlegern dies nicht offen?

Das Unternehmen äußert sich dazu nicht, auch Marr reagiert auf keine Anfrage.
Als vier Jahre später ein Anleger von Engel & Völkers Resorts fragte, warum man ihn nicht gewarnt hatte, spielte das Unternehmen die dubiose Vorgeschichte der Geschäftspartner herunter.

„Donald Marr hat dabei sein erhaltenes Honorar von 106.000 Dollar zurückgezahlt, und damit war die Angelegenheit für die ermittelnden Behörden erledigt“, schrieb Finanzchef Ricki O. in einer Mail am 16. Juli 2016. Im CC der E-Mail stand: Resorts-Geschäftsführer Ralph Viereck.

Und so vertrieb seine Firma auch weiterhin Anteile am Country Club. Die Marrs blieben gern gesehene Gäste bei Engel & Völkers Resorts und traten mehrfach bei Infoveranstaltungen in der Firmenzentrale auf, berichten Anwesende.

Malle ist nur einmal im Jahr

Anleger mussten nicht nur annehmen, dass das Lizenzunternehmen von Engel & Völkers den Brüdern Marr vertraute – sondern auch der Lizenzgeber. Am 13. Juli 2013 zelebrierte der heutige Aufsichtsratschef von Engel & Völkers, Christian Völkers, sein alljährliches Polo-Turnier in seiner Privatresidenz Son Coll auf Mallorca.

In einer von Ralph Viereck, Geschäftsführer von Engel & Völkers Resorts, unterzeichneten Einladung hieß es: „Diese Veranstaltung wird geprägt sein von unserem Projekt Forest Lake Country Club.“ Er kündigte besonderen Besuch an: Donald und Bradley Marr.

Der Forest Lake Country Club, dessen Eigentümer und alleiniger Betreiber ihre Firma Terra war, trat bei Völkers’ Polo Turnier als Hauptsponsor auf. Auf Dutzenden Werbebannern, Fahnen und T-Shirts prangten Name und Logo des Country Clubs. Auf einem Foto posierten Völkers und Bradley Marr Arm in Arm, tranken zusammen, genossen den Abend.

Aus Völkers’ Umfeld heißt es heute, dass er sehr wohl von dem Projekt in Nova Scotia gewusst haben müsse. Der Immobilienmogul schweigt dazu – auch auf Anfrage des Handelsblatts.

Dabei gab es schon vor Jahren Informationsbedarf für die Anleger. Während sie von Engel & Völkers Resorts und Terra regelmäßig Newsletter mit wohlklingenden Nachrichten und bunten Bildern aus Nova Scotia erhielten, bröckelte schon im September 2016 die Fassade.

Terra schickte den Anlegern einen Nachtrag zum Kaufvertrag: Es gebe „genehmigungsrechtliche Verzögerungen“, die Grundstücksumschreibung könne noch nicht stattfinden. Die Anleger sollten einer Vertragsverlängerung um 18 auf 36 Monate zustimmen. Engel & Völkers Resorts vermittelte die Grundstücke weiter.

Alles außer Kontrolle

Im Herbst 2018 erfuhren die Anleger überraschend, dass Terra in Zahlungsschwierigkeiten steckte. Marr und seine Kollegen bettelten die Anleger an, die Rückzahlung noch weiter aufzuschieben – und stellten eine weitere Verzinsung in Aussicht. Auch sie blieb freilich aus, und im Januar 2018 ging Marrs deutscher Geschäftspartner, Engel & Völkers Resorts, in die Liquidation.

Im September 2019 geriet in Kanada schließlich alles außer Kontrolle: Der Terra-Geschäftsführer Bradley Marr beging Selbstmord. Seine Schwester sagte den Ermittlern später, dass er ein „erfolgreicher Geschäftsmann“ gewesen sei. Doch sein letztes Geschäft sei „in die Hose gegangen“, hieß es in dem Bericht der örtlichen Polizei.

Gemeint ist wohl der Forest Lake Country Club. Am 22. September 2020 reichte das Hamburger Fondshaus Steiner+Company – Emittent von Investments im Country Club – beim Supreme Court of Nova Scotia einen Insolvenzantrag für Terra ein. Letztlich informierte ein Insolvenzverwalter die Anleger am 30. Oktober 2020 über die Pleite des Bauträgers.

Zahlreiche Investoren stehen damit vor dem Totalverlust. Weder die einst Verantwortlichen bei Terra noch jene bei Engel & Völkers Resorts seien noch zu erreichen, klagen Anleger. Niemand beantworte ihre Fragen.

Die Engel & Völkers AG hat auch keine Antworten. Man habe die Zusammenarbeit mit dem Lizenznehmer Engel & Völkers Resorts beendet, heißt es aus Hamburg. Der Lizenzgeber sieht sich inzwischen „selbst [als] potenziell Geschädigten an“. Man behalte sich rechtliche Schritte gegenüber dem Ex-Lizenznehmer vor. Und weiter: „Es war den ehemaligen Lizenznehmern zu keiner Zeit gestattet, Kapitalanlageprodukte unter Nutzung der Marke Engel & Völkers zu vertreiben.“

Ein Stück Wald statt üppiger Rendite

Die Aussichten der Anleger, aus Kanada auch nur einen Cent zu sehen, stehen schlecht. Terra besitze kaum Insolvenzmasse, ein erheblicher Teil der Investitionssumme von 150 Millionen kanadischen Dollar sei ungesichert, heißt es vom Insolvenzverwalter. Laut seinen Unterlagen stand das ganze Projekt bereits 2008 unter Druck. Damals investierten die ersten amerikanischen Anleger.

Anleger wie Joseph Maier fühlen sich über den Tisch gezogen. Sie werfen beiden, der Engel & Völkers AG und dem Ex-Lizenzunternehmen vor, ein zum Scheitern verurteiltes Immobilienprojekt von dubiosen Geschäftspartnern als lukratives Topinvestment vermittelt zu haben.

Nun soll das Hamburger Landgericht helfen. Dort strengt Anlegeranwalt Helge Petersen ein Verfahren gegen Engel & Völkers Resorts und den damaligen Geschäftsführer Viereck an. Petersen berichtet von Hunderten Anfragen in der Sache. An einem Grundstück sei wohl keiner der Anleger tatsächlich interessiert gewesen. „Vielmehr dürfte es vielen Kunden von Anfang an vornehmlich darum gegangen sein, den Vertrag wieder rechtzeitig zu kündigen und die versprochene Verzinsung einzustreichen.“

Anwalt Petersen forciert nun einen Vergleich mit. Doch dessen ehemaliger Geschäftsführer Viereck hat wohl anderes im Sinn. Er ist inzwischen Chef einer anderen Firma, genannt EV Resorts. Diese strebe „trotz oder gar wegen der Insolvenz“ von Terra eine Fortführung des Projekts an, heißt es aus dem Unternehmen – mit neuen Interessen und Kanada-Anlegern wie Joseph Maier. Der winkt ab: „Ich werfe doch mein gutes Geld nicht noch dem schlechten hinterher.“

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