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Zweiter Lockdown in England: Johnson muss mit zwei Dutzend Abweichlern rechnen

Der britische Premier warnt vor einem „medizinischem Desaster“ und will das Land erneut herunterfahren. Sein Sinneswandel sorgt für Kritik in der eigenen Partei.

Mit dem vierwöchigen Lockdown in England bringt Premierminister Boris Johnson seine eigene Partei gegen sich auf. Bei der Abstimmung über die neuen Corona-Einschränkungen werden am Mittwoch im Parlament zahlreiche konservative Abweichler erwartet. Es gibt jedoch keinen Zweifel daran, dass der Lockdown beschlossen wird. Denn die Labour-Opposition hat bereits angekündigt, die Regierung zu unterstützen.

Ab Donnerstag werden in England dann Restaurants, Geschäfte und Freizeiteinrichtungen wieder schließen – vorerst bis zum 2. Dezember. Nur essenzielle Geschäfte wie Supermärkte und Apotheken bleiben geöffnet. Urlaubsreisen sind untersagt. Obendrein gilt ein Kontaktverbot zwischen unterschiedlichen Haushalten. Im Unterschied zum ersten Lockdown im März bleiben dieses Mal Kindergärten, Schulen und Hochschulen geöffnet.

Johnson hatte sich lange gegen einen erneuten Lockdown gewehrt, doch am Wochenende vollzog er eine Kehrtwende. Damit folgt der Premier dem Beispiel Deutschlands und Frankreichs, die ebenfalls ihren Kampf gegen die Pandemie verschärft haben.

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„Kopflose Hühner“

Der Sinneswandel ihres Anführers löst nun eine Rebellion bei den Tories aus. „Wenn ein totalitäres Regime versuchen würde, den Leuten vorzuschreiben, mit wem sie Sex haben dürfen, ob sie ihre Eltern besuchen oder welche Arbeitnehmer noch den Familienunterhalt verdienen dürfen, würden wir es als unerträglich böse verurteilen“, schimpfte Graham Brady, der Vorsitzende des einflussreichen 1922 Committee, in dem die konservativen Hinterbänkler zusammengeschlossen sind.

Der konservative Abgeordnete Desmond Swayne klagte, die Minister verhielten sich wie „kopflose Hühner“. Und der frühere Parteichef Iain Duncan Smith zweifelte die düsteren Prognosen der Virologen an. Er müsse sich erst sicher sein, dass die Zahlen korrekt seien, bevor er für einen Lockdown stimme, sagte er.

Beobachter erwarten bei dem Votum im Parlament zwei Dutzend Abweichler. Auch in der Wirtschaft sorgt das neuerliche Herunterfahren ganzer Sektoren für Unmut.

Es seien „unglaublich schlechte Nachrichten“, sagte die Chefin des Unternehmerverbands CBI, Carolyn Fairbairn, auf der Jahreskonferenz des Verbands. Es sei nun entscheidend, eine Exit-Strategie zu formulieren.

Den Ausschlag für den Lockdown gaben die neuesten Warnungen der Virologen. 85.000 Tote könne es diesen Winter geben, wenn die Regierung nicht handele, lautete die düstere Prognose – zusätzlich zu den knapp 47.000 Corona-Toten, die England bislang schon zu beklagen hat. Johnson warnte am Montag im Parlament vor einem „medizinischen und moralischen Desaster“.

Wenn man jetzt nicht handele, drohten im Winter doppelt so hohe Todeszahlen wie in der ersten Coronawelle. Aktuell verzeichnet England rund 20.000 Neuinfektionen pro Tag, die Todeszahl lag zwischenzeitlich schon wieder bei mehr als 300 pro Tag.

Oppositionsführer Keir Starmer erinnerte daran, dass die wissenschaftlichen Berater der Regierung schon am 21. September einen zweiwöchigen Lockdown empfohlen hatten. Johnsons Zögern habe dazu geführt, dass nun eine doppelt so lange Zwangspause nötig werde. Damit wiederholt sich die Geschichte aus dem Frühjahr.

Rückkehr zum Ampelsystem

Auch damals hatte Johnson zunächst lange gezögert, Einschränkungen zu verhängen. Die Verspätung gilt als einer der Gründe, warum England heute die höchste Opferzahl Europas zu verzeichnen hat. Dieses Mal allerdings bewegt sich Johnson im europäischen Durchschnitt.

Um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern, verspricht Finanzminister Rishi Sunak generöse Ausgleichszahlungen an Unternehmen und Arbeitnehmer. So wird die Kurzarbeit mit 80 Prozent Lohnersatz nun doch verlängert. Auch Selbstständige erhalten vier Fünftel ihrer entgangenen Einkünfte.

Man werde alles versuchen, um den Lockdown am 2. Dezember zu beenden, versicherte Johnson. Danach werde man zu dem Ampelsystem mit regionalen Einschränkungen zurückkehren. Doch erwarten Beobachter, dass die Maßnahmen verlängert werden.

Als Teil einer Exit-Strategie kündigte die Regierung am Dienstag an, die Zahl der Tests deutlich zu erhöhen. Ab dieser Woche soll erstmals eine ganze Stadt auf das Coronavirus getestet werden: Alle 500.000 Einwohner des Hochrisikogebiets Liverpool bekommen Schnelltests angeboten. Dabei helfen sollen 2000 Soldaten.

Es gibt jedoch große Zweifel, ob die Regierung imstande ist, dieses Pilotprojekt auch landesweit auszurollen. Die Bilanz des Test-and-Trace-Systems fällt bisher dürftig aus. Das liegt auch daran, dass nur ein Viertel der Briten sich in Quarantäne begeben, wenn sie von den Behörden dazu aufgefordert werden.

Mehr: Ein Sieg von Joe Biden könnte den Chaos-Brexit verhindern – ein Kommentar.