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Tom Enders: „Auch Biden wird versuchen, wieder mehr Arbeitsplätze in Amerika anzusiedeln“

Der frühere Airbus-Chef und jetzige DGAP-Präsident warnt vor allzu großen Erwartungen an eine Präsidentschaft des Demokraten – und fordert eine Emanzipation Europas.

Tom Enders kennt Handelsstreitigkeiten mit den USA aus seiner Zeit als Airbus-Chef gut. Aus seinem Wunschergebnis bei den Wahlen kommende Woche macht der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) keinen Hehl: Joe Biden als Präsident mit einer klaren parlamentarischen Mehrheit.

Das böte Europa neue Chancen, Kompromisse mit der Weltmacht zu finden, vielleicht auch, ein Investitionsabkommen abzuschließen. Doch viele der transatlantischen Konflikte, warnt Enders, würden auch unter einem Präsidenten Biden bestehen bleiben. Europa müsse daher als handlungsfähiger Spieler auftreten.

Herr Enders, ganz Europa wartet auf Joe Biden wie auf einen Erlöser. Kann der demokratische Präsidentschaftskandidat diese Erwartungen erfüllen?
Ich glaube, es wäre naiv anzunehmen, die USA würden unter Joe Biden eine um 180 Grad andere Politik machen. Auch vor Donald Trump gab es schon außen- und handelspolitische Konflikte zwischen den USA und Europa. Die wurden allerdings zivilisierter ausgetragen. Ich glaube, Joe Biden würde den Wert von Verbündeten, von Ländern, die die gleichen Werte teilen, anerkennen und auf sie zugehen. Er wird ihnen aber auf eine freundlichere Art genauso deutlich machen, wozu die USA Verbündete vor allem brauchen – nämlich zur Lastenteilung.

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Sie meinen die Verteidigungsausgaben der Nato-Verbündeten?
Ja, Trump hat das anders als andere Präsidenten und US-Verteidigungsminister vor ihm von vornherein zum Thema gemacht. Und hier können wir Europäer und Deutsche dem Kern der berechtigten Kritik nicht ausweichen. Vor allem wir Deutsche leisten bei Weitem nicht den Verteidigungsbeitrag, den wir aufgrund unserer Größe, unserer wirtschaftlichen und finanziellen Potenz leisten sollten. Daran hat sich auch in den letzten Jahren wenig geändert.

Vier Jahre US-Präsident Trump. Wie blicken Sie auf diese turbulenten Jahre zurück?
Trump hat sehr viel Schaden angerichtet. Er hat die Welthandelsorganisation WTO mutwillig geschwächt, auch die Vereinten Nationen. Er hat in der Nato gepoltert. Er sieht die Europäer offensichtlich nicht mehr als alliierte Verbündete der USA, sondern hat sie mitunter in eine Reihe gestellt mit China und anderen Gegnern. Allerdings muss man auch darauf verweisen, dass er im Nahen und Mittleren Osten rund um Israel mit einigen Initiativen Erfolge vorweisen kann. Und die wirtschaftliche Lage der USA war vor Corona gut – wenn auch aufgebaut auf noch größeren Schuldenbergen.

Die Europäer haben große Hoffnungen, dass Biden vor allen Trumps Handelskriege beendet. Ist das realistisch? Was konkret würde der Demokrat anders machen?
An den Grundkonstanten der amerikanischen Politik wird sich sicherlich nichts ändern. Auch Biden wird versuchen, mehr Arbeitsplätze in Amerika zu halten oder wieder anzusiedeln, gerade auch in der Industrie. Er wird auch versuchen, noch mehr europäische Unternehmen davon zu überzeugen, sich in den USA anzusiedeln beziehungsweise ihr Engagement auszubauen. Marktgröße ist hier ein starkes Argument. Aber ansonsten wird transatlantisch auch weiter mit harten Bandagen gekämpft werden.

Sehen Sie eine Chance für ein Industrieabkommen zwischen den USA und Europa?
Durchaus. Die Chancen, einen fairen Interessenausgleich hinzubekommen, würden sich unter einem Präsidenten Biden verbessern. Aber einfach wird das nicht. Denn Fakten wie die unausgeglichenen Handelsbilanzen der USA zu Europa und insbesondere Deutschland lassen sich nicht einfach wegdiskutieren.

Halten Sie die US-Kritik an den deutschen Handelsüberschüssen für berechtigt?
Wir Deutsche müssen zumindest die US-Perspektive verstehen, etwa die Kritik an höheren Autozöllen hier als in den USA. Es gibt Möglichkeiten, aufeinander zuzugehen. Ein weiteres Beispiel ist der Streit zwischen Boeing und Airbus, wo sich beide Seiten gegenseitig mit Milliardensanktionen bedrohen. Auch da sehe ich unter Biden gute Chancen, dass dieses leidige Thema, das bis in die erste Amtsperiode von George W. Bush zurückreicht, endlich beerdigt wird.

Sollte die EU die Sanktionen, die die WTO ihr gegen die USA genehmigt hat, jetzt nicht durchsetzen?
Es ist vernünftig, dass die EU erst einmal die US-Wahlen abwartet und dann versucht, das Thema in Verhandlungen zu lösen. Wenn Biden – wie die meisten von uns hoffen – an die Regierung kommt, dann ist das Umfeld zur Lösung dieses anderthalb Jahrzehnte währenden Konflikts günstiger als bisher.

Würde ein US-Präsident Biden sich gegenüber China anders aufstellen als Trump?
In den USA gibt es mittlerweile einen überparteilichen Konsens, dass mit China ein großer und langfristiger Systemgegner zu den USA heranwächst und dass die frühere, von vielen heute als naiv betrachtete Chinapolitik endgültig passé ist. Im Grunde begann die Umorientierung der amerikanischen Chinapolitik bereits unter Präsident Obama.

Ein größeres amerikanisch-chinesisches Handelsabkommen wurde bis nach der Wahl verschoben. Rechnen Sie unter Biden mit einem umfassenden Deal?
Der Konflikt zwischen China und den USA ist langfristiger Natur. Er wird sich nicht dadurch erledigen, dass man immer mal wieder ein Handelsabkommen schließt. Da sind allenfalls Entspannungsperioden vorstellbar. China strebt offensichtlich an, die USA als führende Weltmacht abzulösen, technologisch weitgehend unabhängig von den USA zu werden und auf Gebieten wie der Künstlichen Intelligenz die Amerikaner abzuhängen. Das wird auch Auswirkungen auf die militärischen Kräfteverhältnisse haben, was heute schon im Pazifik zu beobachten ist. Wir Europäer müssen davon ausgehen, dass wir es hier mit einem sehr langfristigen Konflikt zu tun haben, der für uns in mehrfacher Hinsicht unangenehm ist.

Wie sollte sich Europa in diesem Konflikt positionieren?
Ich glaube nicht, dass wir den Luxus haben, uns da neutral in der Mitte zu platzieren.

Das heißt, im Zweifel zu den USA halten – egal ob unter Biden oder Trump?
Es gibt natürlich viele Schattierungen dazwischen, aber eine Äquidistanz Europas zu den USA und China oder gar eine stärkere Annäherung an China halte ich für keine sinnvolle Option. Auch nicht, wenn Donald Trump wiedergewählt werden sollte. Deutschland wäre gut beraten, hier im Schulterschluss mit Frankreich zusammen die EU zu einer auch politischen Union auszubauen, um Europa außen- und sicherheitspolitisch endlich handlungsfähig zu machen. Aber auch ein dergestalt handlungsfähiges Europa teilt seine Werte und Interessen künftig in großem Maße mit Amerika, nicht mit China.

Europa muss sich mit drei Großmächten konfliktreich auseinandersetzen: USA, China und Russland. Würde die Herausforderung mit einem US-Präsidenten Biden geringer?
Europa darf nicht Spielball zwischen Großmächten sein. Aber vergessen Sie auch nicht den ganzen Ärger, den der Möchtegern-Sultan Erdogan im östlichen Mittelmeer verursacht. Auch dem hat Europa derzeit wenig entgegenzusetzen. Die Franzosen sind die Einzigen, die dort derzeit klar Flagge zeigen, Berlin hingegen hält sich höflich zurück. Europa muss eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln, die nicht nur punktuell greift, sondern längerfristiger Natur ist. Dazu muss aber das Erfordernis der Einstimmigkeit bei außenpolitischen Entscheidungen vom Tisch genommen werden.

Ich würde mir wünschen, dass die nächste Bundesregierung das zusammen mit Frankreich energischer angeht. Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Es war ein großer, ein strategischer Fehler, dass die Bundeskanzlerin den Ball, den Präsident Macron ihr 2017 zugespielt hatte, nicht angenommen hat.

Auch gegenüber Washington war Frankreich zu einem schärferen Kurs bereit, Deutschland hat gebremst. Was war die bessere Strategie?
Das hat die Bundesregierung schon ganz gut gemacht, sich nicht allzu sehr provozieren zu lassen. Aber das geht nur eine gewisse Zeit. Wenn Sie einem Aggressor – und als solchen kann man Trump in der Handelspolitik durchaus bezeichnen – nur nachgeben, wächst dessen Appetit. Ich habe hier sehr viel Sympathien für die französische Sicht der Dinge.

Wichtig ist jetzt: Selbst im Fall des für die EU günstigsten Ausgangs der US-Wahl – Biden wird klar Präsident und die Demokraten gewinnen die Mehrheit im Senat – muss Europa mit Hochdruck daran arbeiten, ein entscheidungs- und handlungsfähiger Akteur zu werden. Es wäre ein Fehler, wenn die konfliktscheuen Deutschen sich dann entspannt zurücklehnten und dächten, jetzt könnten sie das Thema Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und höhere Verteidigungsausgaben gemütlicher angehen.

Aber sind die Europäer nicht hilflos? Drohungen Trumps haben gereicht, um hiesige Unternehmen aus dem Iran zu vertreiben, die Nord-Stream-2-Pipiline lahmzulegen. Und womöglich sehen sich europäische Firmen demnächst genötigt, ihre Chinageschäfte einzustellen.
Eine Voraussetzung ist, dass Europa sich endlich seiner eigenen Stärke bewusst wird. Die geostrategische Initiative der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist ein erster Schritt. Von der Leyen und ihr Außenbeauftragter Josep Borrell haben gesagt, Europa müsse die Sprache der Macht lernen. Nur ist dem bislang wenig gefolgt. Jetzt kommt es erst mal darauf an, dass die beiden größten und mächtigsten Länder, Frankreich und Deutschland, ihre Eitelkeiten und Egoismen überwinden. Gerade jetzt, wo die Briten weg sind, kommt es auf Berlin und Paris an.

Es hat ja erste Emanzipationsversuche der Europäer gegeben, etwa die Handelsplattform Instex, um US-Sanktionen zu umgehen und das Atomabkommen mit dem Iran zu retten. Gebracht hat es am Ende nichts. Was machen die Europäer falsch?
Es liegt vor allem daran, dass die Europäer sich nicht genug zutrauen, zu verzagt sind und sich häufig im Klein-Klein verlieren. Es fehlt eine tragende Vision als Basis. Etwa die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa. Ja, warum denn nicht, bitte schön?! … Ich habe in meiner Airbus-Zeit die Erfahrung gemacht, dass Dinge entstehen, die niemand erwartet hätte, wenn man nur hartnäckig genug an gemeinsamen Projekten arbeitet.

Für wie verwundbar halten Sie die amerikanische Demokratie?
Ich habe nach wie vor großes Vertrauen in die US-Demokratie. Die USA sind schon des Öfteren von sogenannten Experten abgeschrieben worden. Denken Sie nur an die 1970er-Jahre: Niederlage im Vietnamkrieg, Aufrüstung der Sowjetunion, Carters Iran-Debakel. Und dann waren sie in den 80er-Jahren wieder obenauf. Ich bin vor allem beeindruckt von der Stärke des amerikanischen Rechtssystems. Die Judikative hat mehr Widerstand gegen den Präsidenten geleistet als irgendjemand anders.

Wie sieht es mit dem außenpolitischen Schaden aus? Wie glaubwürdig kann eine Ordnungsmacht noch sein, wenn jeder weiß, dass sie jederzeit einen Präsidenten wie Trump wählen kann, der von internationaler Ordnung nichts hält?
Da ist großer Schaden entstanden. Aber eines dürfen Sie nicht vergessen: Die Alternativen zur Ordnungsmacht USA sind nicht allzu rosig. Das erkennen jetzt zum Beispiel auch jene Länder, die sich zunächst mit Begeisterung in der Seidenstraßen-Initiative engagiert haben. Russland oder die Türkei drängen sich gewiss auch nicht als positive Alternativen zu den Amerikanern auf.

Massiv gelitten unter Trump haben multilaterale Institutionen wie die WTO. Sehen Sie Chancen, dass die aus deutscher Sicht so wichtige Welthandelsorganisation unter Biden zu alter Stärke zurückfinden wird?
Das ist schwer zu sagen. Es gab ja durchaus auch berechtigte Kritik des US-Präsidenten an multilateralen Organisationen, während wir hierzulande gerne jede Form von Multilateralismus unbesehen auf den Sockel stellen. Nur die Art und Weise, wie Trump vorgegangen ist, mit dem Holzhammer und im Alleingang, das war destruktiv.

Biden wird das mit Sicherheit anders machen. Er wird die multilateralen Organisationen reformieren und nicht zerstören wollen. Ich hoffe sehr, dass die Europäer ihn dabei dann auch unterstützen werden. Ohne amerikanische Führung und Unterstützung gibt es keinen funktionierenden Multilateralismus. Ich glaube, das haben wir in den letzten Jahren alle beobachten können.

Viele sagen, Trump sei nur ein Symptom tiefer liegender Probleme, und der Kapitalismus amerikanischer Prägung stecke in einer tiefen Legitimationskrise. Was könnte ein Präsident Biden da ausrichten?
Wir leben derzeit in einer Situation, die sich vor zehn Jahren kaum jemand hätte vorstellen können: Nicht der Kapitalismus, sondern die westliche Demokratie wird durch den raschen Aufstieg Chinas und die Effizienz seiner autoritären „Governance“ herausgefordert. Demokratien gelten nicht mehr zwingend als die ökonomisch erfolgreicheren Systeme. Mit der Finanzkrise 2008, die China wesentlich besser bewältigt hat als die westlichen Staaten, hat das begonnen.

Der große Systemkonkurrent ...
Im Grunde geht es bei der neuen Systemkonkurrenz um die Frage der Regierungskompetenz; und da hat sich der Westen insgesamt im letzten Jahrzehnt nicht mit Ruhm bekleckert. Trumps Abwahl würde daran erst mal nichts ändern. Ein Präsident Biden macht noch keinen Sommer. Und solange die tiefe Polarisierung in der amerikanischen Politik und auch die tiefen sozialen Gräben nicht überwunden werden, können immer wieder Trumps auftauchen. Aber wir sollten nicht glauben, dass uns das in Europa nicht auch blühen könnte.

Das heißt, der Trumpismus verschwindet nicht mit Trump?
Nein, er verschwindet nicht – jedenfalls nicht, solange die amerikanische Politik die seit Jahren vorherrschende vergiftete politische Kultur nicht überwindet. Amerika war einmal zu Recht stolz auf seine „Bipartisanship“, seine Fähigkeit, in wichtigen Fragen überparteiliche Einigungen zu erzielen. Davon ist kaum noch etwas übrig. Joe Biden stellt eine Chance dar, eine Wende einzuleiten. Vielleicht wird man in einigen Jahren sagen: „Dieser Trump war ein Betriebsunfall der Geschichte.“ Aber ich bleibe da skeptisch. Trump ist nicht vom Himmel gefallen. Er war und ist Symptom tiefer liegender Probleme in den USA.

Wie ist Ihre Prognose für den Wahlausgang?
Nach 2016, als alle einen klaren Sieg Hillary Clintons prognostizierten, bin ich vorsichtig geworden. Ich kann für uns alle nur hoffen, dass es einen eindeutigen Sieger Joe Biden gibt. Ein knapper Wahlausgang und mögliche monatelange Querelen wären das Letzte, was Amerikaner und auch wir Europäer in dieser geopolitisch schwierigen Lage gebrauchen können. China oder Russland könnten eine solche chaotische Lage durchaus ausnutzen. Die Lage um Taiwan zum Beispiel ist derzeit sehr angespannt.

Droht Trump am Ende wegen seines Krisenmanagements in der Corona-Pandemie zu scheitern?
Es sieht ganz so aus. Denn die ökonomische Lage der USA war vor Ausbruch der Krise gut. Der irrlichternde Kurs während der Pandemie hat sicherlich auch eine große Zahl seiner Anhänger irritiert. Das zeigen jedenfalls Umfragen recht deutlich.

Es gibt Befürchtungen, dass es zum Teil bürgerkriegsähnliche Zustände in den Tagen nach der Wahl geben könnte. Halten Sie diese für real?
Es ist nicht auszuschließen. Wir haben in den vergangenen Wochen bei lokaleren Auseinandersetzungen einiges an Konfliktpotenzial aufblitzen gesehen. Und in Amerika gibt es mehr Waffen als Menschen. Die Menschen haben zu Recht Angst vor einem knappen Wahlausgang. Trump könnte seine Anhänger in der Frage der Legitimierung der Briefwahlstimmen wie in der Vergangenheit auch eher aufwiegeln als beruhigen.

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Trump hat bereits gesagt, wenn er verliere, handele es sich um einen Betrug – auch das gab es in der US-Geschichte noch nicht.
Es ist der Kern unserer heutigen liberalen Demokratie, dass Machtübergänge friedlich stattfinden und dass es dafür klare Normen und Standards gibt. Aber dieser Präsident hält sich bekanntlich weder an Normen noch an Standards. Allerdings: Wenn er zu weit geht, dann werden ihn seine eigenen Leute zurückpfeifen. Da bin ich mir sicher. Es gibt noch ein paar Republikaner mit Rückgrat.

Trump hat die Welt vier Jahre in einen permanenten Ausnahmezustand versetzt. Biden wirkt teilweise sehr gealtert, steht für die anachronistisch anmutende Hoffnung, es gäbe ein Zurück in die Obama-Welt. Sind das nicht traurige Alternativen?
Das ist sicherlich nicht die beste Konstellation, die man sich hätte vorstellen können. Aber Joe Biden ist sicher eher in der Lage, einen Teil der wertkonservativen Trump-Wähler zurückzuholen, als andere, mehr im linken Spektrum verankerte Demokraten dies gekonnt hätten. Er hat große politische Erfahrungen in seiner langen Karriere gesammelt. Er ist kein Amateur, kein Populist, sondern jemand, der das Regierungsamt ernst nimmt und beherrscht. Ich glaube, er würde ein sehr guter Präsident sein. Und er steht ja auch nicht allein. Mit Kamala Harris hätte er eine sehr gute Vizepräsidentin.

Herr Enders, vielen Dank für das Interview.