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Toilettenpapier: Vom Panikkauf zum Ladenhüter

In den Lockdown-Monaten boomte die Nachfrage nach Toilettenpapier. Doch nun gibt es Hygienepapier im Überfluss – auch wegen billiger Importe aus dem Ausland. Deutsche Hersteller stecken in einem Dilemma.

Toilettenpapier ist kein Mangelprodukt mehr  Foto: dpa
Toilettenpapier ist kein Mangelprodukt mehr Foto: dpa

Volker Jung ist beschäftigt. Sehr beschäftigt. Einen Telefontermin hat der Chef und Besitzer des Familienunternehmens Hakle frühestens in fünf Tagen frei. Sein Unternehmen wächst – auch in Monat zwölf nach Beginn der Coronakrise. Jung stellt Klopapier her, aber nur sehr teures Markenpapier. Zu Hause setzen die Bürger offenbar auf Qualität und Wohlgefühl.

Andere Hersteller von Toilettenpapier dagegen leiden. Zahlreiche Handelsmarken bleiben derzeit wie Blei in den Regalen liegen. Corona hat den Markt für Toilettenpapier völlig umgekrempelt. Ein Jahr nach den panikartigen Toilettenpapier-Käufen vor dem ersten Lockdown ist längst kein „Business as usual“ eingekehrt. Mindestens zwei deutsche Hersteller erwägen Mitte März gar die Kurzarbeit einzuführen, meldet die „Lebensmittelzeitung“.

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Wie eine Perforationslinie teilt die Coronapandemie den Markt der Toilettenpapierhersteller inzwischen in Gewinner und Verlierer. Mehrere Unternehmen bestätigen gegenüber der WirtschaftsWoche inzwischen im Hintergrund ihre kritische Lage – nach neuerlichen Hamsterkäufen ist die Nachfrage jetzt wieder um 20 Prozent und mehr eingebrochen. Doch etwas ist anders als vor einem Jahr: Heute verstopfen immer mehr ausländische Billigmarken die hiesigen Supermarkt-Regale. Dazu werden die Hygienepapier-Hersteller von steigenden internationalen Zellstoffpreisen zusätzlich in ihrer Rentabilität getroffen.

Ausländische Marken verstopfen Regale

„Vor allem die Handelsmarken tun sich derzeit sehr schwer“, heißt es aus einem Betrieb. Denn denen machen die Reihen von ausländischen Marken wie „Soffione“ aus Russland oder „Caress“ und „Corona“ aus Italien im Einzelhandel schwer zu schaffen. Einzelhändler haben während des ersten Lockdowns vor elf Monaten die weiße Meterware kurzerhand containerweise importiert, um ihren Kunden überhaupt ein Angebot zu machen.

Der Luxus-Edeka-Markt Zurheide etwa kaufte sechs Lastwagenladungen mit insgesamt 38 Paletten in Italien ein – und verschenkte die Pakete zeitweise sogar an ihre Kunden. Aldi etwa warb noch kürzlich mit einem Rabatt auf „Soffione“-Papier. Das Angebot aus dem Ausland ist nicht der einzige Konkurrent für heimische Handelsmarken. Anbieter wie Tork und Katrin, die eigentlich ausschließlich Papier für Flughäfen und Restaurants liefern, leiteten ihre Produkte zusätzlich in den Einzelhandel um.

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Nur greifen Kunden, die sich privat ein Klopapier aussuchen, gern zu einem höherwertigen Produkt, als ihm beim Arbeitgeber oder im Restaurant zur Verfügung gestellt wird: „Für unsere Kunden steht Wohlfühlen im Vordergrund“, sagt Hakle-Chef Jung, „Was ich im Büro akzeptiere, will ich nicht zu Hause haben.“ In regulären Zeiten verbrauchen deutsche Konsumenten im Jahr 12,5 Kilo Toilettenpapier – 8,5 Kilo davon zu Hause, der Rest unterwegs. Hatte es sich im Sommer so eingependelt, dass Konsumenten eine weitere Rolle davon zu Hause benutzten, schafft der harte Lockdown seit Mitte Dezember noch mal eine deutlichere Verlagerung.

Wellenbewegung sorgt für Kummer

Die Toilettenpapierindustrie aber ist auf eine extrem stabile Nachfrage abgestimmt. Die Anlagen sind extrem teuer – sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb. Bei einem margenschwachen Produkt wie Klopapier lohnt sich das Geschäft nur, wenn alle Anlagen voll ausgelastet sind. Die Pandemie brachte dagegen eine Wellenbewegung in die Nachfrage: Nach den ersten Hamsterkäufen ging bis Anfang des Herbstes die Toilettenpapiernachfrage in den Keller. Dem zweiten Lockdown im Dezember ging eine erneute, wenn auch weniger aggressive Welle von Vorratskäufen voraus.

Der Handel vermeldete im ersten Lockdown im Februar und März Nachfrageschübe von mehr als 700 Prozent im Vergleich zu den Vorjahresmonaten. Im Sommer brach die Nachfrage dann auf 20 bis sogar 40 Prozent desselben Zeitpunkts im Vorjahr ein. Im Oktober, kurz vor dem zweiten Lockdown, kauften die Konsumenten laut Statistischem Bundesamt dann wieder 90 Prozent mehr als im Oktober 2019.

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Die Hersteller reagierten auf den ersten Ansturm mit einer Vereinfachung der Produktion und Überstunden, so dass die Anlagen an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr liefen.

Gibt es normalerweise verschiedene eingeprägte Designs wie Federn oder Wolken auf den Rollen, wurde sogar die Zeit für diese Umstellungen eingespart. Essity etwa verzichtete auch auf aufwendigere Verpackungen mit eingeschweißten Tragehenkeln, um die Produktion zu beschleunigen. Hakle stellte die Produktion von vierlagigem Papier zwischenzeitlich ein und setzte alles auf ihr dreilagiges Papier. Trotz des erhöhten Aufwands hatten die Klopapierproduzenten damals von Preisaufschlägen abgesehen, obwohl sie höhere Kosten für Logistik und Transport hatten.

Überstunden bereits abgefeiert

Heute dagegen haben die Mitarbeiter der Toilettenpapierhersteller diese Überstunden fast schon alle wieder abgefeiert. Wartungsarbeiten sind ebenfalls schon abgeschlossen, dazu etliche Urlaube bereits vorgezogen worden. Für die vielen Rollen Toilettenpapier, die derzeit nicht gekauft werden, haben die Hersteller sogar zusätzliche Lagerräume angemietet. Mitte März könnte es soweit sein, dass Kurzarbeit ernsthaft in Erwähnung gezogen wird, heißt es bei einem Betrieb. Nach dem ersten Lockdown, als die Nachfrage in die Knie ging, hatten die Anbieter des Papiers für zu Hause diesen Schritt vermeiden können. Dagegen hatte der auf Großabnehmer spezialisierte Toilettenpapierhersteller Ille schon 2020 Kurzarbeit anmelden müssen.

Insgesamt ist die Produktion von Hygienepapieren stets recht stabil. In der Regel geht die Branche pro Jahr von einem Wachstum von einem guten Prozent aus – in 2020 waren es laut Verband deutscher Papierfabriken ein Plus von zwei Prozent auf 1,5 Millionen Tonnen – die Hälfte davon ist Toilettenpapier. In den ersten fünf Monaten 2020 hatten die deutschen Hersteller die Produktion um 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigern können, entsprechend entschleunigte sich der Rest des Jahres.

Jetzt aber steigen zugleich auch die Rohstoffpreise für Papierhersteller. Bereits im Dezember zogen die Preise für Zellstoff um zehn Prozent an – auf dem Weltmarkt bieten vor allem chinesische Hersteller höhere Preise, so dass Produzenten sie auch im Rest der Welt durchsetzen können. Für die Toilettenpapierproduktion werden etwa 50 Prozent Recycling-Materialien wie Altpapier verwendet – die andere Hälfte ist in erster Linie kurzfaseriger Zellstoff aus Eukalyptusholz, der bevorzugt aus Südamerika eingekauft wird.

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