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«Pferderipper» auf den Weiden unterwegs

Ein Pferd steht auf der Weide eines Pferdehofes im Raum Heidelberg. Seit einigen Wochen beschäftigen Fälle von Tierquälerei, bei denen Pferde verletzt wurden, die Polizei im Rhein-Neckar-Kreis.
Ein Pferd steht auf der Weide eines Pferdehofes im Raum Heidelberg. Seit einigen Wochen beschäftigen Fälle von Tierquälerei, bei denen Pferde verletzt wurden, die Polizei im Rhein-Neckar-Kreis.

In der Rhein-Neckar-Region geht die Angst vor einem «Pferderipper» um - seit Wochen werden dort Stuten und Fohlen verletzt. Es sind keine Einzelfälle. Was treibt solche Täter an?

Mannheim (dpa) - Die Szenen sind auf einer Wärmebildkamera des Sicherheitsdienstes zu erkennen: Ein Mann läuft mitten in der Nacht über das Gelände eines Reiterhofs. Er hat keine Kleidung an, trägt nur Gummistiefel und führt einen längeren Gegenstand mit sich.

Dann verschwindet er. Die Polizei sucht ihn Mitte August in Heddesheim (Rhein-Neckar-Kreis) mit einem Hubschrauber - erfolglos. War es der unbekannte Täter, der in der Gegend Pferde schwer verletzt?

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Viele Pferdebesitzer in der Rhein-Neckar-Region sind verängstigt und verunsichert. Seit Juni sind sieben Tiere verletzt worden, vier Stuten und drei Fohlen. Oft wurden die Pferde mit einem scharfen Gegenstand an der Schulter, den Beinen, den Genitalien oder in der Nähe davon verletzt. Ein Tier musste eingeschläfert werden.

Die Taten ereigneten sich auf Höfen und Stallanlagen in den Stadtgebieten von Mannheim und Heidelberg und in der Nähe von Neckargemünd. Anfang August rettet ein Tierarzt das Leben einer Stute. Sie hat eine 40 Zentimeter lange Schnittwunde. Mitte des Monats werden mehrere Stuten an den Beinen verletzt.

Dominic Sohl ist Pächter eines betroffenen Hofs. Drei Tiere stehen im Stall des 48-Jährigen. Den genauen Ort möchte er nicht nenne. Zwei Stuten, die bei ihm untergebracht sind, wurden leicht verletzt. Die Ältere habe es etwas schlimmer getroffen, weil sie an Fremde gewöhnt sei. «Ein alter Gaul ist abgestumpft, da kann sich jeder nähern», sagt Sohl. Junge Pferde reagierten wachsamer auf Fremde.

Sohl hatte vorher zwar von den Taten gehört. Für ihn waren sie aber weit entfernt, bis der oder die Unbekannte auch in seinem Stall zuschlug: «Man geht nie davon aus, dass es einen selbst trifft», sagt er. Sohl vermutet einen Pferdekenner hinter den Taten - bei der Arbeit mit den Tieren könnten dessen «kranke Ideen» entstanden sein. Sexuelle Beweggründe könnte das haben und möglicherweise auch Angst vor Frauen, mutmaßt er. Sohl will die Pferde schützen und hat mittlerweile in der Nähe Überwachungskameras und spezielle Scheinwerfer installiert.

Ein Pferdebesitzer aus dem benachbarten Neckar-Odenwald-Kreis spricht von einer «absoluten Horrorvorstellung», falls etwas Ähnliches mit einem seiner Pferde passieren sollte. Es sei schwer, Weiden im Blick zu behalten. Auch er denkt über Kameras nach.

Auch die Polizei empfiehlt Kameras. Die Beamten rufen Pferdebesitzer zudem zu mehr Kontrollen auf. Zusätzlich könnten Scheinwerfer mit Bewegungsmeldern Fremde abschrecken. Die Ermittlungsgruppe «Koppel» untersucht die Fälle. Über die oder den Täter ist bislang nicht viel bekannt. Ob es sich um einen Serientäter handelt, sollen acht Beamte herausfinden. Für ein sexuelles Motiv gebe es bisher keine Anzeichen. Die Verletzungen seien zu unterschiedlich.

Neben Prävention will die Tierschutzorganisation Peta mit einer Belohnung von 2000 Euro beim Aufspüren des Täters oder der Täter aus der Rhein-Neckar-Region helfen. Zudem fordert die Organisation ein deutschlandweites Register für sogenannte «Pferderipper»-Fälle.

Einem Serientäter könnte eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren oder auch eine Geldstrafe nach dem Tierschutzgesetz bevorstehen, erklärt Tierrechts-Experte Andreas Ackenheil. «Eine Freiheitsstrafe nach dem Tierschutzgesetz halte ich für angemessen», sagt der Rechtsanwalt aus der Nähe von Mainz. Im Einzelfall könne aber auch entschieden werden, einen Täter in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen. «So eine Behandlung hat kein Tier verdient und oft werden Verfahren von Staatsanwaltschaften eingestellt», kritisiert Ackenheil. Tiere werden juristisch als Mitgeschöpfe betrachtet, die aber wie Sachen behandelt werden - Totschlag oder Körperverletzung gibt es nicht.

Das Phänomen der «Pferderipper» sei selten, sagt Borwin Bandelow. Er beschäftigt sich beruflich mit Straftätern, erstellt Gutachten in Gerichtsverfahren und arbeitet als Psychiater und Psychologe an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen. Jemand, der wehrlose Pferde quäle und verletze, möchte Macht ausüben, sagt Bandelow. «Dass diejenigen auch Menschen ermorden, will ich nicht behaupten. Man muss aber davon ausgehen, dass der Täter gestört ist.» Die Verletzungen an den Genitalien der Stuten könnten Ausdruck einer schweren Persönlichkeitsstörung und eines Hasses auf Frauen sein, spekuliert der Psychiater. Möglicherweise stünden die Pferde stellvertretend für sie.

Gingen die Verletzungen auf das Konto eines Einzeltäters, stehe für ihn viel auf dem Spiel, vermutet Bandelow. Denn mit den Taten riskiere der Unbekannte, sozial geächtet zu werden. Nach Ansicht Bandelows kann so jemand nicht einfach aufhören, weil die Taten ihn stimulieren. «Offensichtlich bereitet ihm das Vergnügen. Dass ist wie, wenn Leute nur schwer mit Alkohol und Nikotin aufhören können.»

Auf dem Hof von Reitverein-Geschäftsführerin Charlotte Rheinschmidt aus Heddesheim hatten die Sicherheitsmitarbeiter Mitte August den unbekannten Mann auf der Wärmebildkamera gesichtet. Bereits viermal, immer zwischen 0.00 und 2.30 Uhr - soll sich der Unbekannte in der Nähe des Hofes aufgehalten haben. «Die Verunsicherung ist groß», sagt Rheinschmidt. Es gehe vor allem um die Tiere, aber auch um einen finanziellen Schaden. Bei einer Anlage von 12.000 Quadratmetern sei es schwierig, vorsorglich etwas zu tun. Viele verwinkelte und dunkle Stellen machten es schwer, Kameras einzusetzen. An besonders gefährdeten Stellen soll ein hoher Zaun aufgestellt werden.

Miriam Abel vom Landes-Pferdesportverband sieht das ähnlich: Vor allem die Weidehaltung nachts berge ein erhebliches Risiko. «Eine Unterbringung der Pferde in Stallungen in dieser Zeit ist nicht bei allen Betrieben möglich», sagt Abel.

Auch in anderen Regionen kam es in der vergangenen Zeit zu ähnlichen Fällen: Im niederbayerischen Grafenau nahe der tschechischen Grenze fügte ein Unbekannter einer Stute an den Genitalen einen rund zehn Zentimeter tiefen Schnitt zu. Und auch in Frankreich gibt es laut Medienberichten eine Serie von grausam getöteten Pferden.