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THYSSENKRUPP IM FOKUS: Was kommt nach dem Verkauf der Aufzugsparte?

ESSEN (dpa-AFX) - Der kriselnde Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp <DE0007500001> hat den Verkauf seines Aufzuggeschäfts besiegelt. Mit der Erleichterung über die Milliarden, die die marode Bilanz des Konzern sanieren sollen, tritt nun aber auch die Frage nach dem Konzernbau in den Vordergrund. Wohin steuert Thyssenkrupp, wenn der einzige echte Gewinnbringer der Essener wegfällt? Die Verunsicherung von Investoren ist groß dieser Tage, teilweise setzen Spekulanten mit Wetten auf fallende Kurse den Konzern weiter unter Druck. Was bei Thyssenkrupp los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE BEI THYSSENKRUPP:

Die Erleichterung wähnte nur kurz. Nach monatelangen Verhandlungen hat Thyssenkrupp den Verkauf seines Aufzuggeschäft unter Dach und Fach gebracht. Ein Konsortium aus den Finanzinvestoren Advent und Cinven, sowie der RAG-Stiftung übernehmen die Sparte für 17,2 Milliarden Euro. Wird die Transaktion später als zum 30. Juni abgeschlossen, werde der Preis verzinst und erhöhe sich, erklärte Thyssenkrupp. Die Essener werden sich mit 1,25 Milliarden Euro an dem ertragreichen Geschäft rückbeteiligen und dabei einen "substanziellen Minderheitenanteil" übernehmen. Dieser dürfte sich in einer Größenordnung von 15 Prozent bewegen.

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz sieht nun die Chance für einen "Neuanfang". Mit den Erlösen will die Managerin die Sanierung Thyssenkrupps finanzieren. So will der Konzern seine Schulden senken. Konkret ist geplant, die massiven Pensionsverpflichtungen des Unternehmens zum Teil auszufinanzieren. Dazu soll neben Barmitteln auch die Rückbeteiligung am Aufzuggeschäft eingesetzt werden. Das bedeutet, dass die Aufzugbeteiligung künftig vom Pensionsfonds gehalten werden wird.

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Nach dem Vollzug wird die Eigenkapitalbasis deutlich gestärkt. Thyssenkrupp strebt mittelfristig eine Bonitätsbewertung im Investment-Grade-Bereich an und will wieder dividendenfähig werden. Innerhalb von zwei Jahren soll es wieder einen positiven freien Mittelzufluss vor Akquisitionen geben, aktuell verbrennt Thyssenkrupp Geld.

Der Konzern schreibt derzeit Verluste und hat im vergangenen Jahr die Dividende gestrichen. Doch wie soll Thyssenkrupp künftig aussehen? Ausgerechnet der Stahl soll wieder im Mittelpunkt stehen, ein Geschäft, von dem sich die Essener vor nicht allzu langer Zeit gerne getrennt hätten. Dort läuft es derzeit schlecht: Überkapazitäten, Preisdruck und eine schwache Konjunktur lasten auf der Branche. Thyssenkrupp muss investieren, um die Sparte zukunftsfähig zu machen und etwa die CO2-Emissionen dort in Zukunft deutlich zu senken. Ein erstes Konzept sieht derzeit neben jährlichen Investitionen von rund 570 Millionen Euro eine Summe von 800 Millionen zusätzlich über drei Jahre vor.

Auch in den anderen Feldern wird kräftig umgebaut. Und auch dort türmen sich die Probleme. Der Anlagenbau soll operativ wieder in die Spur gebracht werden. Hier hatte sich das Geschäft zuletzt mit einigen Großprojekten verhoben. Dabei prüft Thyssenkrupp die Möglichkeit, das Geschäft mit Partnern oder unter einem neuen Dach weiterzuentwickeln und sucht Interessenten. Das Komponentengeschäft will Thyssenkrupp in ein reines Autozuliefergeschäft umwandeln. Doch auch die Autoindustrie schwächelt derzeit gewaltig. Dazu fertigt das Unternehmen auch Komponenten für andere Industrien wie etwa die Windkraft. Wie es da weitergeht, ist ebenfalls offen. Über Partnerschaften oder mögliche Portfolio-Maßnahmen soll dann später diskutiert werden.

Wie Thyssenkrupp letztendlich einmal aussehen soll - darüber schweigt sich das Management weiter aus. Die Pläne sollen im Mai vorgestellt werden. Bis dahin will der Konzern auch keine Wasserstandsmeldungen abgeben. Konkrete Beträge, wie die Mittel aus dem Aufzugverkauf in den einzelnen Bereichen verwendet werden könnten, will Merz daher ebenfalls noch nicht nennen. "Wir glauben an das Potenzial unserer Geschäfte", sagte sie lediglich.

Die derzeit prekäre Lage ist auch das Ergebnis mehrerer Management- und Strategieschwenks innerhalb kurzer Zeit. Die lange vorbereitete Fusion der Stahlsparte mit dem europäischen Zweig des indischen Stahlkochers Tata war von der EU-Kommission schließlich untersagt worden. Eine Aufspaltung des Konzerns in zwei Aktiengesellschaften musste abgesagt werden. Im Oktober vergangenen Jahres wechselte die Aufsichtsratsvorsitzende Martina Merz als Interimschefin an die Spitze des Vorstands. Merz, die den Konzern eigentlich höchstens zwölf Monate führen soll, hat zwei bis drei Jahre für die Sanierung veranschlagt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Aktie profitierte nur ganz kurz von dem Verkauf der Aufzugsparte. Mit der Entscheidung über die Veräußerung wich auch eine gewisse Fantasie aus dem Kurs - nun konzentrieren sich Anleger ganz auf die Frage, was mit Thyssenkrupp in Zukunft passiert. Und da trauen die Investoren den Essenern derzeit nicht viel zu. Im Gegenteil: Der Mitte 2017 begonnene Kursverfall hat sich seitdem sogar noch beschleunigt.

Dazu haben spekulative Investoren zuletzt gegen die Aktien gewettet. Den Angaben des Bundesanzeigers zufolge hatten mehrere Investoren insgesamt netto knapp acht Prozent der Aktien am Markt leer verkauft - und somit auf einen fallenden Kurs gesetzt. Die größte sogenannte Short-Position hatte die AQR Capital Management mit 2,6 Prozent der Thyssenkrupp-Aktien. Allerdings hatte dieser Investor die Position seit Oktober 2019 kontinuierlich reduziert.

Seit Bekanntgabe des Verkaufs der Aufzugsparte hat das Papier rund ein Drittel an Wert eingebüßt. Anfang März rutschte der Kurs unter das Rekordtief von 2003 und notierte zeitweise unter 6,00 Euro, so auch am Mittwoch wieder. Damit hat Thyssenkrupp seit Jahresbeginn mehr als 50 Prozent eingebüßt.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Der Verkauf selbst kam bei Analysten gut an. Der Preis sei ordentlich und verschaffe dem Management Zeit, um den Industriekonzern neu zu formen, schrieb Analyst Christian Obst von der Baader Bank in einem Kommentar. Auf dem Weg dahin sei der Verkauf aber der leichtere Teil der Entscheidungen gewesen. Nun stünden weitere an bezüglich des Portfolios und der Restrukturierung. Analyst Lars Brorson von der britischen Investmentbank Barclays sagte, der Deal sei nun doch schneller zustande gekommen und zudem zu besseren Konditionen als von ihm erwartet.

Mit dem Verkauf nehmen die Experten aber auch die Risiken mehr in den Blick. So zweifelt etwa Alain Gabriel von Morgan Stanley an dem Ziel Thyssenkrupps, in zwei Jahren einen positiven Barmittelzufluss zu erreichen. Dirk Schlamp von der DZ Bank kommentierte, mit den neuen Mitteln könne der Industriekonzern zwar die Bilanz sanieren. Gleichzeitig verliere er aber den wichtigsten Stabilitätsanker und das aussichtsreichste Geschäftsfeld. David Varga, Analyst beim Bankhaus Metzler, sieht generell hohe Unsicherheiten über den tatsächlichen Investitionsbedarf bei Thyssenkrupp.