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THYSSENKRUPP IM FOKUS 2: Was kommt nach dem Verkauf der Aufzugsparte?

ESSEN (dpa-AFX Broker) - Der kriselnde Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp <DE0007500001> hat den Verkauf seines Aufzuggeschäfts besiegelt. Mit der Erleichterung über die Milliarden, die die marode Bilanz des Konzern sanieren sollen, tritt nun aber auch die Frage nach dem Konzernbau in den Vordergrund. Wohin steuert Thyssenkrupp, wenn der einzige echte Gewinnbringer der Essener wegfällt? Die Verunsicherung von Investoren ist groß dieser Tage, die gegenwärtige Panik an den Aktienmärkten beschleunigt den Ausverkauf der Aktie. Was bei Thyssenkrupp los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE BEI THYSSENKRUPP:

Die Erleichterung wähnte nur kurz. Nach monatelangen Verhandlungen hat Thyssenkrupp den Verkauf seines Aufzuggeschäfts unter Dach und Fach gebracht. Ein Konsortium aus den Finanzinvestoren Advent und Cinven, sowie der RAG-Stiftung übernehmen die Sparte für 17,2 Milliarden Euro. Die Essener werden sich mit 1,25 Milliarden Euro an dem ertragreichen Geschäft rückbeteiligen und dabei einen "substanziellen Minderheitenanteil" übernehmen. Dieser dürfte sich in einer Größenordnung von 15 Prozent bewegen.

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz sieht nun die Chance für einen "Neuanfang". Mit den Erlösen will sie die Sanierung finanzieren. So will der Konzern seine Schulden senken. Konkret ist geplant, die massiven Pensionsverpflichtungen des Konzerns zum Teil auszufinanzieren. Dazu soll neben Barmitteln auch die Rückbeteiligung am Aufzuggeschäft eingesetzt werden. Nach dem Vollzug wird die schwache Eigenkapitalbasis deutlich gestärkt. Innerhalb von zwei Jahren soll es wieder einen positiven freien Mittelzufluss vor Akquisitionen geben, aktuell verbrennt Thyssenkrupp Geld. Der Konzern schreibt Verluste und hat im vergangenen Jahr die Dividende gestrichen.

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Doch wie soll Thyssenkrupp künftig aussehen? Ausgerechnet der Stahl soll wieder im Mittelpunkt stehen, ein Geschäft, von dem sich die Essener vor nicht allzu langer Zeit gerne getrennt hätten. Dort läuft es derzeit schlecht: Überkapazitäten, Preisdruck und eine schwache Konjunktur belasten. Thyssenkrupp muss investieren, um die Sparte zukunftsfähig zu machen.

Auch in den anderen Feldern wird kräftig umgebaut. Und auch dort türmen sich die Probleme. Etwa im Anlagenbau, der sich zuletzt mit einigen Großprojekten verhoben hatte und nun unter mangelnder Nachfrage leidet. Dabei prüft Thyssenkrupp die Möglichkeit, das Geschäft mit Partnern oder unter einem neuen Dach weiterzuentwickeln und sucht Interessenten. Das Komponentengeschäft will Thyssenkrupp in ein reines Autozuliefergeschäft umwandeln. Doch auch die Autoindustrie schwächelt derzeit gewaltig. Dazu fertigt das Unternehmen auch Komponenten für andere Industrien wie etwa die Windkraft. Wie es da weitergeht, ist ebenfalls offen. Über Partnerschaften oder mögliche Portfolio-Maßnahmen soll später diskutiert werden.

Wie Thyssenkrupp letztendlich einmal aussehen soll - darüber schweigt sich das Management weiter aus. Die Pläne sollen erst im Mai vorgestellt werden. Bis dahin will der Konzern auch keine Wasserstandsmeldungen abgeben. Konkrete Beträge, wie die Mittel aus dem Aufzugverkauf in den einzelnen Bereichen verwendet werden könnten, will Merz daher ebenfalls noch nicht nennen.

Die derzeit prekäre Lage ist auch das Ergebnis mehrerer Management- und Strategieschwenks in kurzer Zeit. Die lange vorbereitete Fusion der Stahlsparte mit dem europäischen Zweig des indischen Stahlkochers Tata war von der EU-Kommission schließlich untersagt worden. Eine Aufspaltung des Konzerns in zwei Aktiengesellschaften musste abgesagt werden. Im Oktober 2019 wechselte die Aufsichtsratsvorsitzende Merz als Interimschefin an die Spitze des Vorstands. Merz, die den Konzern eigentlich höchstens zwölf Monate führen soll, hat zwei bis drei Jahre für die Sanierung veranschlagt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Aktie konnte nicht wirklich vom Verkauf der Aufzugsparte profitieren. Mit der Entscheidung über die Veräußerung wich auch eine gewisse Fantasie aus dem Kurs - nun konzentrieren sich Anleger ganz auf die Frage, was mit Thyssenkrupp passiert. Und da trauen die Investoren den Essenern derzeit nicht viel zu. Im Gegenteil: Der Mitte 2017 begonnene Kursverfall hat sich seitdem sogar noch massiv beschleunigt.

Dazu haben spekulative Investoren zuletzt gegen die Aktien gewettet. Den Angaben des Bundesanzeigers zufolge hatten mehrere Investoren insgesamt netto knapp acht Prozent der Aktien am Markt leer verkauft - und somit auf einen fallenden Kurs gesetzt. Die größte sogenannte Short-Position hatte die AQR Capital Management mit 2,6 Prozent der Thyssenkrupp-Aktien. Allerdings hatte dieser Investor die Position seit Oktober 2019 kontinuierlich reduziert.

Die Unklarheit über den weiteren Kurs verunsichert Investoren. Mag Konzernchefin Merz zwar mit gutem Gewissen sagen, dass der Neuanfang Zeit braucht und man mit einem neuen Konzept dann an die Öffentlichkeit treten will, wenn es ausgearbeitet ist, so trägt die Ankündigung, erst im Mai über die weiteren Schritte zu informieren, nicht zur Beruhigung bei. Im Gegenteil. Beim derzeitigen Ausverkauf an den Börsen in Zusammenhang mit der Furcht vor den Auswirkungen des neuartigen Coronavirus werfen Anleger eher unsichere Kantonisten wie Thyssenkrupp aus dem Depot.

Seit Bekanntgabe des Verkaufs der Aufzugsparte hat sich die Abwärtsspirale bei Thyssenkrupp daher massiv beschleunigt. Das Papier brach um rund 40 Prozent ein. Dabei riss Thyssenkrupp auch das Rekordtief von 2003. Aktuell notiert der Kurs gerade noch bei rund 5,30 Euro. Damit hat Thyssenkrupp seit Jahresbeginn mehr als 50 Prozent eingebüßt. Von ihrem Rekordhoch von 46,92 Euro im Winter 2007 ist die Aktie meilenweit entfernt. Sie duelliert sich mit der Commerzbank um den letzten Platz im MDax, der seit Jahresbeginn knapp ein Viertel verloren hat. Die Marktkapitalisierung rutschte auf gerade noch rund 3,3 Milliarden Euro - ein Bruchteil im Vergleich mit dem Verkaufserlös der Aufzugsparte von mehr als 17 Milliarden Euro.

Erst im vergangenen September musste das Unternehmen den Dax verlassen, Bitter, denn mit Thyssen war ein Teil des 1999 mit Krupp fusionierten Unternehmens seit dem ersten Tag des deutschen Leitindex' im Jahr 1988 dabei gewesen. Auch für die Großaktionäre, die Krupp-Stiftung sowie der Finanzinvestor Cevian ist die Entwicklung ein Desaster, schmilzt ihre Investition in Thyssenkrupp derzeit wie Schnee in der Sonne. Den Kurs des neuen Managements stützen sie jedoch.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Der Verkauf selbst kam bei Analysten gut an. Der Preis sei ordentlich und verschaffe dem Management Zeit, um den Industriekonzern neu zu formen, schrieb Analyst Christian Obst von der Baader Bank in einem Kommentar. Auf dem Weg dahin sei der Verkauf aber der leichtere Teil der Entscheidungen gewesen. Nun stünden weitere bezüglich des Portfolios und der Restrukturierung an. Analyst Lars Brorson von der britischen Investmentbank Barclays sagte, der Deal sei nun doch schneller zustande gekommen und zudem zu besseren Konditionen als von ihm erwartet.

Mit dem Verkauf nehmen die Experten aber auch die Risiken mehr in den Blick. So zweifelt etwa Alain Gabriel von Morgan Stanley an dem Ziel Thyssenkrupps, in zwei Jahren einen positiven Barmittelzufluss zu erreichen. Dirk Schlamp von der DZ Bank kommentierte, mit den neuen Mitteln könne der Industriekonzern zwar die Bilanz sanieren. Gleichzeitig verliere er aber den wichtigsten Stabilitätsanker und das aussichtsreichste Geschäftsfeld. David Varga, Analyst beim Bankhaus Metzler, sieht generell hohe Unsicherheiten über den tatsächlichen Investitionsbedarf./nas/bek/knd/fba/ag/jha/

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