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Goldener Handschlag für Kerkhoff: Chef-Rausschmiss wird für Thyssen-Krupp teuer

Guido Kerkhoff geht nach einem Zerwürfnis mit der Aufsichtsratsspitze. Seine Abfindung liegt noch über der seines Vorgängers – weil ein Manöver nach hinten losging.

Die Hauptversammlung im Februar war Kerkhoffs erste und letzte als Vorstandschef von Thyssen-Krupp. Foto: dpa
Die Hauptversammlung im Februar war Kerkhoffs erste und letzte als Vorstandschef von Thyssen-Krupp. Foto: dpa

Zum Ende des Geschäftsjahres hat der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp seinen Geheimplan „Operation Herbst“ abschließen können: Den Vertrag mit Vorstandschef Guido Kerkhoff konnte der Konzern am Montag auflösen. Zu Beginn des Geschäftsjahres 2019/2020 am 1. Oktober wird Martina Merz vorübergehend vom Aufsichtsrat in den Vorstand wechseln und Kerkhoffs Nachfolge übernehmen, wie das Unternehmen am Montag mitteilte.

Kerkhoff wäre dem Vernehmen nach gerne länger auf der Position verblieben – aber immerhin wird ihm der Abschied mit einer üppigen Abfindung versüßt. Die belaufe sich auf mehr als sechs Millionen Euro, erfuhr das Handelsblatt aus Kreisen des Aufsichtsrats.

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Der Betrag ist deutlich höher als die Abfindung, die sein Vorgänger Heinrich Hiesinger erhalten hatte. Der langjährige CEO hatte im Sommer des vergangenen Jahres den Posten niedergelegt und anschließend 4,6 Millionen Euro überwiesen bekommen.

Anders als Kerkhoff hatte Hiesinger seinen Sitz im Vorstand allerdings freiwillig geräumt. Die Kritik am Umfang der Abschlagszahlung war daher gewaltig.

Gewerkschafter und Aktionärsschützer hatten diese intern und auch öffentlich als überzogen bemängelt. Als Reaktion auf die Vorwürfe hatte der Aufsichtsrat für Kerkhoff eine andere Regelung finden wollen: eine, die eine deutlich kleinere Abschlusszahlung für den Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung vorsah.

Zumindest war das die theoretische Überlegung. Bevor Kerkhoff zum 1. Oktober 2018 den Vorstandsvorsitz dauerhaft übernahm, hatte ihm der Aufsichtsrat also einen modifizierten Vertrag vorgelegt. So war noch im Fall von Hiesinger festgelegt worden, dass die Abfindung maximal zwei Jahresgehälter betragen darf.

Bei Kerkhoff allerdings wurde eine andere Regelung vereinbart. Damit entfernte sich der Aufsichtsrat vom Corporate-Governance-Kodex, der die Grenze von zwei Jahresgehältern für eine saubere Unternehmensführung empfiehlt.

So wurde in Kerkhoffs Vertrag stattdessen festgehalten, dass über die Abfindung gesondert verhandelt werden soll, wie es in Aufsichtsratskreisen hieß. Zugleich befinde sich in dem Vertragswerk aber aber auch eine maximale Abfindungshöhe – und die liege bei über sechs Millionen Euro. Mit der Grenze wollten die Kontrolleure das Ausufern einer Abfindung verhindern.

Dieses Ansinnen erwies sich jedoch als Manöver, das letztlich Kerkhoff in die Hände spielte: Mit der Ankündigung am vergangenen Dienstag, den CEO rauszuwerfen, gab der Aufsichtsrat alle Trümpfe aus der Hand.

Denn der Ablauf und das Ende der Verhandlungen waren durch diese Ankündigung bereits im Vorhinein festgelegt. Einigen Aufsehern soll so erst in den vergangenen Tagen bewusst geworden sein, dass sie an einer Auszahlung des vertraglich fixierten Maximalbetrags kaum vorbei kommen dürften.

Aufsichtsratschefin Merz dankte Kerkhoff in einer offiziellen Mitteilung für seinen Einsatz. „Er hat im vergangenen Jahr in einer schwierigen Situation als CEO Verantwortung übernommen und sich nicht weggeduckt.“ Das verdiene großen Respekt. „Im neuen Vorstandsteam werden wir mit der erforderlichen Konsequenz die strukturellen Entscheidungen treffen, die jetzt anstehen.“

In der Mitteilung erklärte der Manager selbst: „Mein Ziel war immer, Thyssen-Krupp wieder erfolgreich zu machen.“ Das Unternehmen liege ihm nach wie vor am Herzen. „Deshalb wünsche ich Martina Merz, dem neuen Vorstand und allen Mitarbeitenden für den weiteren Weg alles Gute und dem Unternehmen eine erfolgreiche Zukunft.“

Der gebürtige Niedersachse hatte den Posten im vergangenen Jahr zunächst als Zwischenlösung übernommen, nachdem der damalige Vorstandschef Heinrich Hiesinger seinen Posten überraschend im Juli geräumt hatte. Kurze Zeit später empfahl sich Kerkhoff mit dem Plan, Thyssen-Krupp in zwei Unternehmen aufzuspalten, dauerhaft für die Stelle des CEOs. Im September schloss der Aufsichtsrat mit ihm einen Fünfjahresvertrag.

Grund dafür war auch, dass sich über Monate kein geeigneter Kandidat für die Stelle fand. Zahlreiche namhafte Manager hatten abgesagt – ein Schauspiel, das sich in den vergangenen Monaten wiederholte.

Denn schon länger galt Kerkhoff als Vorstandschef auf Abruf. Dass er nun gehen muss, obwohl kein Nachfolger bereitsteht, zeigt, wie unattraktiv der Chefposten bei Thyssen-Krupp auf die meisten Manager derzeit wirkt.

Denn wer auch immer dauerhaft auf Kerkhoff folgen wird: Ihn oder sie erwartet eine undankbare Aufgabe.

Nicht nur ist der Ruhrkonzern nach milliardenschweren Fehlinvestitionen vor vielen Jahren gnadenlos überschuldet. Auch ist derzeit unklar, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll, wenn die profitable Aufzugsparte aus dem Konzern herausgelöst wird.

Hinzu kommt der Bedeutungsverlust, den das Unternehmen in den vergangenen Wochen erlitten hat. So stieg Thyssen-Krupp vor wenigen Wochen aus der ersten Börsenliga ab und rangiert nunmehr im MDax. Damit ist auch der Posten des Vorstandschefs für viele Top-Manager aus der Industrie weniger prestigeträchtig und damit uninteressanter geworden.

Streit um Elevator

Der geplante Verkauf der Aufzugsparte war eine der letzten Weichenstellungen, die Kerkhoff als Vorstandschef vorgenommen hatte. Zahlreiche Interessenten haben sich bereits gemeldet, darunter etwa der finnische Konkurrent Kone, aber auch Finanzinvestoren wie KKR und Advent. Beobachter schätzen den Wert der Sparte auf 15 bis 20 Milliarden Euro.

Die Frage, ob die Ertragsperle ganz oder nur teilweise verkauft wird, hatte am Ende zum Bruch zwischen dem Vorstandschef und wichtigen Aktionären geführt. Vor allem der schwedische Investmentfonds Cevian, der 18 Prozent der Anteile hält, drängt auf einen Komplettverkauf und die Zahlung einer hohen Sonderdividende. Die mit 21 Prozent größte Aktionärin, die Krupp-Stiftung, hat sich bislang nicht zu ihren Vorstellungen geäußert.

Anders als die IG Metall, deren NRW-Bezirksleiter Knut Giesler am Montag im Gespräch mit Reuters forderte, die Mehrheit der Aufzugssparte im Unternehmen zu halten, um den Konzern abzusichern. „Eine Sonderdividende kommt für uns überhaupt nicht in Frage“, so Giesler.

Für die Entscheidung, Kerkhoff abzuberufen, zeigte der Gewerkschafter hingegen Verständnis: „Wenn ein Vorstandschef von den Anteilseignern keine Rückendeckung mehr hat, dann muss man reagieren. Ohne diese Rückendeckung kann man einen Konzern mit 160.000 Beschäftigten nicht führen.“

Anders als Cevian hatte Kerkhoff einen Teilverkauf mit der Option eines späteren Börsengangs favorisiert, um weiter von den Dividenden der Tochter profitieren zu können. Dabei soll der Vorstandschef erhebliche Zweifel daran geäußert haben, dass der Restkonzern nach einem Komplettverkauf noch überlebensfähig ist. Diese Befürchtung wird auch in Finanzkreisen geteilt.

Aufsichtsratschefin Martina Merz will den Konzern nun verschlanken. Grundlage dafür ist ein Konzept, das der Vorstand noch unter der Leitung von Kerkhoff ausgearbeitet hatte. Anfang Oktober will der Aufsichtsrat über die Maßnahmen entscheiden. Eine nachträgliche Anpassung in größerem Umfang ist angesichts der knappen Zeit bis dahin unwahrscheinlich.

Erste Konsequenzen aus Kerkhoffs Abgang hatten sich bereits kurzfristig in der vergangenen Woche ergeben. So hat etwa der Duisburger Stahlhändler Klöckner & Co. die Gespräche über eine Fusion mit Thyssen-Krupps Werkstoffhandelssparte inzwischen einseitig beendet. Grund dafür soll explizit Kerkhoffs Rauswurf gewesen sein, der die vertrauensvolle Atmosphäre der Gespräche belastet habe, hieß es in Kreisen des Klöckner-Aufsichtsrats.

Zudem verließ mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr in der vergangenen Woche einer der renommiertesten Kontrolleure das Aufsichtsgremium von Thyssen-Krupp. Spohr wollte damit einer sogenannten Überkreuzverflechtung zuvorkommen. Denn Merz sitzt auch im Aufsichtsrat der Lufthansa – mit ihrem Wechsel auf den Vorstandsposten bei Thyssen-Krupp hätten sich die beiden also gegenseitig kontrollieren müssen, was mit dem Aktienrecht nicht vereinbar ist.