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Thyssen-Krupp-Chefin Merz kündigt „wegweisende Entscheidungen“ an – insbesondere mit Blick auf Stahl

Ausgefallene Dividende, Sonderzahlung für den Vorstand, Verkauf der wichtigsten Sparte: Der Ruhrkonzern wirbt bei Investoren um Verständnis – und Geduld.

Zur Beantwortung der Aktionärsfragen hat sich Siegfried Russwurm reichlich Zeit genommen. Insbesondere zur strittigen Frage der Sondervergütung bezog der Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp bei der Hauptversammlung am Freitag ausführlich Stellung.

„Der Vorstand hat im abgelaufenen Geschäftsjahr seine individuellen, nichtfinanziellen Ziele zu 100 Prozent erfüllt“, erklärte Russwurm die Entscheidung, trotz tiefroter Zahlen die Leistung des Top-Managements mit einer Sonderzahlung von 500.000 Euro für Konzernchefin Martina Merz und 200.000 für die übrigen Vorstandsmitglieder zu honorieren.

Es war ein turbulentes Geschäftsjahr für den Essener Industriekonzern, in dem das Management die Restrukturierung weit vorangetrieben hat. Mit der Entscheidung, die profitable Aufzugsparte für 17,2 Milliarden Euro zu verkaufen, begann eine Zeitenwende für das Konglomerat. Vorstandschefin Martina Merz will den schwerfälligen Industriegiganten seither Stück für Stück in eine schlanke Unternehmensgruppe umbauen.

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Für ihren Plan warb Merz bei den Investoren um Geduld. „Ein solch komplexer Veränderungsprozess braucht Zeit“, so die Managerin. Dem Vorstand sei bewusst, dass der Umbau allen Beteiligten viel abverlange. Für die kommenden Monate kündigte Merz „wegweisende Entscheidungen“ an, „insbesondere mit Blick auf Stahl und unsere Multi-Tracks-Geschäfte“, so die Vorstandschefin.

Die Zeit drängt. Denn trotz der Fortschritte, die das Team um Merz in den vergangenen Monaten erreichen konnte, bleiben die kurzfristigen Aussichten schlecht. Nachdem der Ruhrkonzern das abgelaufene Jahr – ohne den Erlös aus dem Verkauf der Aufzugsparte gerechnet – mit einem historischen Milliardenverlust abschloss, fällt die Dividende für die Aktionäre aus.

Auch für das laufende Geschäftsjahr, das im September endet, rechnet Thyssen-Krupp mit erheblichen Mittelabflüssen. So dürfte allein die Restrukturierung das Ergebnis für 2020/21 nach Schätzungen von Beobachtern mit einem dreistelligen Millionenbetrag belasten.

Zahlreiche Fragen der Aktionäre drehten sich folglich um die langfristige Perspektive für das Unternehmen. „Was ist ihre Zukunftsvision für Thyssen-Krupp?“, wollte etwa Fondsmanager Henrik Pontzen, Leiter Nachhaltigkeit und ESG bei Union Investment, wissen. In eine ähnliche Richtung fragte Deka-Fondsmanager Ingo Speich den Vorstand: „Wo wollen Sie strategisch eigentlich hin?“

Uneinigkeit mit Kaufinteressent Liberty

Es sind Fragen, die der Vorstand im Moment pauschal nur schwer beantworten kann – auch weil Thyssen-Krupp noch mitten im Umbau steckt. So ist beispielsweise unklar, wie es mit der Stahlsparte weitergeht, die aktuell den größten Teil zum Konzernumsatz beisteuert.

Derzeit laufen Verkaufsgespräche mit dem britischen Konkurrenten Liberty Steel. Gleichzeitig ist aber auch denkbar, dass Thyssen-Krupp das Geschäft in Eigenregie weiterentwickelt oder in einem Spin-Off an die Börse bringt.

Auf eine Klärung dieser wichtigen Frage müssen die Investoren bis zum kommenden Monat warten. Erst im März will der Vorstand eine abschließende Entscheidung treffen. Zuletzt gab es zwischen Thyssen-Krupp und Liberty noch Uneinigkeit über den Kaufpreis: Angesichts der zu erwartenden Belastungen durch die Dekarbonisierung sowie der hohen Pensionsverpflichtungen, die auf der Stahlsparte lasten, setzt der britische Stahlproduzent offenbar eine negative Bewertung an, wie Branchenkreise berichteten.

Dabei will Thyssen-Krupp angesichts der unsicheren Corona-Lage zunächst weiter von dem ursprünglichen Vorhaben absehen, die Pensionsverpflichtungen der Stahlsparte mit den Erlösen des Elevator-Verkaufs zu finanzieren, erklärte Finanzchef Klaus Keysberg. Zwar könne sich Thyssen-Krupp einen solchen Schritt weiterhin „gut vorstellen“, so Keysberg. „Wir wollen uns bis auf Weiteres größtmögliche Flexibilität bei der Mittelverwendung bewahren.“

Klarheit konnte Merz dafür beim Anlagenbau schaffen, der zu Beginn des Konzernumbaus komplett zum Verkauf stand. Hier befinde sich Thyssen-Krupp in vielversprechenden Gesprächen mit dem dänischen Konkurrenten FLSmidth, der das Geschäft mit Bergbaumaschinen und -anlagen übernehmen will.

Der Chemie-Anlagenbau hingegen hat sich seither zum Hoffnungsträger entwickelt und soll zunächst im Konzern verbleiben. Der Grund dafür sind die Hoffnungen auf den Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft, von der Thyssen-Krupp mit seinen Elektrolyse-Anlagen profitieren kann.

Um die langfristigen Chancen beim Thema Wasserstoff auszuloten, habe der Ruhrkonzern daher eine Projektgruppe eingerichtet, die eine Strategie erarbeiten soll, berichtete Merz den Aktionären. „In diesem Projekt analysieren wir die Marktwachstumspotenziale und prüfen daraus abgeleitete Geschäftsmodelle“, so Merz.

Auf dieser Basis will der Konzern auch prüfen, inwieweit für die Weiterentwicklung externe Partner notwendig sind. „Das ist keine triviale Frage“, so Merz. „Über weitere Entscheidungen zu konkreten Investitionen werden wir unsere Aktionäre zu gegebener Zeit informieren.“

Das gilt auch für die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, die zum Jahresbeginn milder ausgefallen ist als noch im vergangenen Jahr. Am kommenden Mittwoch legt Thyssen-Krupp die Zahlen für das erste Quartal vor. Zuletzt hatte die Stahlnachfrage wieder angezogen. Experten rechnen mit einer deutlichen Erholung in der krisengeplagten Branche.