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Thyssen-Krupp baut für den Ölkonzern MOL eine Petrochemie-Anlage in Ungarn

Thyssen-Krupp baut rund 170 Kilometer von Budapest entfernt ein Werk für Vorprodukte in der Kunststoffherstellung. Auftraggeber ist Ungarns größter Konzern MOL.

Die Wohncontainer für Bauarbeiter stapeln sich am Rande der trostlosen Industrieanlage in der Nähe der Kleinstadt Tiszaújváros (Neustadt an der Theiß) im Nordosten von Ungarn. Im Hintergrund stoßen die Schlote schwarzen Rauch und Flammen aus. Um die Ecke laufen bereits die Vorarbeiten am Fundament der neuen petrochemischen Anlage, die Thyssen-Krupp für den ungarischen Öl- und Gaskonzern MOL rund 170 Kilometer von Budapest errichtet, auf Hochtouren. Der Stahl für die Armierungsarbeiten liegt zwischen Baggern und Lastwägen bereit.

Ungarns größter Konzern MOL investiert insgesamt 1,2 Milliarden Euro in die neue Anlage unweit der Grenze zur Slowakei. 131 Millionen Euro kommen davon als Subventionen vom ungarischen Staat. Das Auftragsvolumen für den Essener Konzern beträgt nach Unternehmensangaben eine Milliarde Euro.

Die Anlage zur Herstellung des Plastikvorprodukts Polyol soll jährlich 165 Millionen US-Dollar zum Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) beitragen. 2018 erzielte die MOL einen Umsatz von 19,05 Milliarden US-Dollar und ein Ebitda von 2,69 Milliarden US-Dollar.

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Polyole sollen für die MOL hochwertige petrochemische Produkte mit höheren Gewinnmargen liefern. Der börsennotierte Konzern will mit der strategischen Investition unabhängiger von der Öl- und Gasförderung werden. Der Bau mit renditestarken Spezialprodukten aus der Petrochemie und der Ausbau der knapp 2000 Tankstellen in zehn Ländern zu Service- und Einkaufszentren mit Gastronomie sollen bis 2030 abgeschlossen sein.

Für die Pläne hat MOL-Chef Hernádi die Rückendeckung der rechtspopulistischen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán. Die MOL mit 26.000 Mitarbeitern hat sich zum Ziel gesetzt, der führende Petrochemiekonzern in Osteuropa zu werden.

Das über 100 Jahre alte Unternehmen will die gesamte Wertschöpfungskette von der Rohölförderung bis zur Polyol-Produktion aufbauen. Insgesamt will die MOL bis 2030 rund 4,5 Milliarden Dollar in den Ausbau der Petrochemie und den Einstieg in das Recycling-Geschäft stecken. Die MOL ist der Marktführer in Ungarn, der Slowakei, Kroatien und Bosnien-Herzegowina.

Für Thyssen-Krupp ist das Vorhaben der teilstaatlichen MOL derzeit das größte Projekt im Chemieanlagenbau weltweit. Die Anlage wird auf einem Gelände errichtet, das so groß wie 56 Fußballfelder ist. Dort werden petrochemische Grundstoffe hergestellt, die in der Autobranche, Möbelindustrie, Haushaltsgeräten und der Verpackungsbranche vielfältig zum Einsatz kommen.

Zusammen mit dem CEO und Chairman der MOL, Zsolt Hernádi, dem ungarischen Wirtschaftsminister Mihály Varga legt Sami Pelkonen, CEO der Chemical und Process Technologies von Thyssen-Krupp, den Grundstein. Die Freude steht dem aus Essen angereisten Manager ins Gesicht geschrieben. „Es ist ein Meilenstein für Thyssen-Krupp“, sagte Pelkonen dem Handelsblatt in Tiszaujvaros. „Es ist für uns ein Leuchtturmprojekt, aber nicht nur weil es groß ist, sondern weil wir neue Technologien einsetzen.“

Ambitionierter Zeitplan

Die Umsetzung ist für Thyssen-Krupp eine gewaltige Herausforderung. Denn der Zeitplan für die bis zu 2500 Arbeiter auf der riesigen Baustelle ist ambitioniert. Bereits im Herbst 2021 soll die Anlage in Betrieb genommen werden. Der Konzern muss 500.000 Einzelteile auf dem Wasserweg in den Nordosten Ungarns bringen. Ob alles klappen wird, hängt auch vom Wasserstand der Donau und der Theiß ab. „Das ist eine logistische Herausforderung“, sagt Pelkonen.

Eigentlich wollte Guido Kerkhoff persönlich nach Ungarn reisen, um das Projekt gemeinsam mit dem MOL-CEO Zsolt Hernádi zu feiern. Doch dazu kam es nicht. Der bisherige Thyssen-Krupp-CEO verlor seinen Job. Der angeschlagene Essener Traditionskonzern wird seit wenigen Tagen von Martina Merz als neuer Vorstandschefin geführt. Ein Verkauf der profitablen Aufzugssparte ist mittlerweile vom Tisch.

Der skandinavische Großaktionär Cevian hatte ursprünglich einen Komplettverkauf und aus den Einnahmen eine Sonderdividende verlangt. Kerkhoff hatte einen Teil-Börsengang des Aufzugsgeschäfts geplant, um frisches Geld in die Kassen des Konzerns zu spülen.

Bei Projekten wie dem Bau chemischer Anlagen wie in Ungarn sind die Renditen überschaubar. „Anlagenbau ist mit den Gewinnmargen von MOL nicht zu vergleichen. Wir erwarten handelsübliche Margen“, sagt Pelkonen. Die Ungarn haben mit den Deutschen hart verhandelt, heißt es Kreisen zufolge. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Thyssen-Krupp das Projekt unbedingt wollte. „Es gibt nicht so viele petrochemische Anlagen über eine Milliarde Euro. Das ist schon eine der größten weltweit“, sagt Pelkonen. Am Ende sind aber nur 200 Fachkräfte notwendig, um die Polyol-Anlage zu betreiben.

Der Bau der Anlage soll für Thyssen-Krupp auch ein internationales Musterbeispiel werden. In der Branche wird das Milliardenprojekt mit großer Aufmerksamkeit beobachtet. „Das ist für uns ein Vorzeigeprojekt in Sachen Technologie und Größe“, sagt Thyssen-Krupp-Manager Pelkonen.

Er deutet an, dass sich die Chance auf einen vergleichbaren Auftrag ergibt. „Wir haben ein Projekt in der gleichen Kragenweite in Nordamerika in der Pipeline.“, sagte Pelkonen. Es werde erst Ende September 2020 spruchreif. Genauere Angaben wollte der Thyssen-Manager nicht machen.

Krise bei Thyssen-Krupp war Thema bei MOL

Auch in Europa stehen neue Projekte an. „Wir sind in Verhandlungen über eine Elektroanalyse-Anlage im Süden Europas. Im Moment stellt sich sogar der europäische Markt ganz gut für uns dar. Deshalb sind wir sehr optimistisch für die Zukunft“, sagt Pelkonen.

Die Krise von Thyssen-Krupp war auch beim Kunden MOL ein Thema. „Fragen zum Konzern gab es natürlich“, gesteht Pelkonen ein. „Doch MOL ist entspannt. Denn das gesamte Management von Thyssen-Krupp steht hinter dem Projekt in Ungarn.“

Mit dem MOL-Chef Zsolt Hernádi gibt es einen Entscheider, der deutsche Dienstleister beim Umbau seines Konzerns schätzt. Thyssen-Krupp ist in Ungarn bereits seit dem 19. Jahrhundert aktiv und beschäftigt heute 1500 Mitarbeiter in dem Land.

Im chemischen Industrieanlagenbau hat der Essener Traditionskonzern einige Aufträge: Neben dem Milliardenprojekt in Ungarn errichtet Thyssen-Krupp auch eine Düngemittelanlage in Brunei und Ägypten. „Die Arbeit ist die beste Versicherung gegen die Verunsicherung. Natürlich fragt sich die Belegschaft, wohin die Reise geht. Wir sind gespannt auf die Antwort“, sagte Pelkonen, Chef des Chemieanlagenbaus, der zur Thyssen-Krupp-Tochter Industrial Solutions gehört und einen Umsatz von zuletzt 5,5 Milliarden Euro verbucht.

Die Zusammenarbeit mit der ungarischen MOL soll weitergehen. „Ich bin ziemlich sicher, dass es weitere Projekte geben wird“, berichtet Pelkonen. „Vermutlich werden es erst einmal kleinere Investitionen in den existierenden Anlagen sein, beispielsweise Modernisierungen.“ Doch auch überschaubare Neuprojekte kann der angeschlagene Konzern in schwierigen Zeiten gut gebrauchen.

In Deutschland hatte die MOL zuletzt die Recyclingfirma Aurora Kunststoffe in Neuenstein bei Heilbronn übernommen. Die Firma kann den Müll durch chemische Prozesse trennen. Der Konzern hat bereits eine Pilotanlage in Merseburg in Kooperation mit dem ebenfalls zur MOL gehörenden Recyclingtechnologie-Unternehmen APK gestartet.

Die MOL sieht in der Mülltrennung in Südosteuropa, die es bislang so gut wie nicht gibt, einen großen Zukunftsmarkt. „Recycling ist nicht das profitabelste Geschäft. Doch wir glauben an die Nachhaltigkeit und den Erfolg“, sagte MOL-Downstream-Vorstand Ferenc Horvath in Budapest.