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Das teure Missverständnis der Telekom

Das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Telekom soll auch die Großkunden zurückgewinnen. Doch die Industrie will lieber eigene 5G-Netze bauen.

Telekom-Chef Tim Höttges tourt in dieser Woche mit einem vollen Terminkalender durch Berlin. Erst traf er die Spitzen von Politik und Wirtschaft beim Breitband-Gipfel des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), um die Pläne der Deutschen Telekom beim Ausbau des neuen, superschnellen 5G-Mobilfunks vorzustellen. Dann zerstreute er Sorgen der Arbeitnehmervertreter bei der konzernweiten Betriebsrätekonferenz, dass die Rekordinvestitionen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro nur durch den massiven Abbau von Arbeitsplätzen zu finanzieren seien.

Schließlich eilte der „bekennende Netzinvestor“ (Höttges) auch noch zu seiner Hausmesse, um Medien wie Kunden zu demonstrieren, wie weit die Entwicklung der ersten 5G-Verbindungen allen Unkenrufen zum Trotz schon gediehen ist. Auf der ersten Testfahrt rund um das Innovationszentrum in der Winterfeldtstraße schwankte der 5G-Tacho bereits zu diesem frühen Entwicklungsstadium um durchaus beachtliche Geschwindigkeitswerte rund um 500 Megabit pro Sekunde.

Die Auftritte in Berlin dienen vor allem einem Zweck. Der Telekom-Chef will verlorenes Vertrauen bei seinen größten Kunden - den Industrieunternehmen - zurückgewinnen. „Wir wollen den Erfolg der Industrie 4.0 für Deutschland“, verspricht Höttges und kündigt bei jedem Auftritt das teuerste Investitionsprogramm in der Geschichte der Deutschen Telekom an. Das ehrgeizige Ziel der Telekom sei, so gut wie alle Funklöcher in Gewerbegebieten und entlang von Straßen und Schienen in entlegenen Regionen zu schließen.

Bis zum Jahr 2020 sollen 99,3 Prozent der Bevölkerung über das Mobilfunknetz der Telekom eine Bandbreite von 50 Megabit pro Sekunde bekommen. Bis 2022 verdoppelt sich die Geschwindigkeit auf 100 Megabit pro Sekunde. Und bis zum Jahr 2025 - also in nur sieben Jahren - will die Telekom bestehende Mobilfunkmasten umbauen und viele neue aufstellen, damit 99 Prozent der Bevölkerung und 90 Prozent der Fläche die schnellere 5G-Technik bekommen können. Der Forderung der Bundesregierung und vieler Regierungspolitiker, möglichst schnell möglichst viele Funklöcher zu stopfen, greift Höttges damit schneller auf als viele dachten.

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Die Offensive kommt zu spät

Für viele Industrieunternehmen kommt die 5G-Offensive der Telekom allerdings zu spät. Zu tief sitzt der Frust über das lahme Internet in ländlichen Regionen. Erst vor zwei Wochen hatte der Präsident des Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI), Michael Ziesemer, in der „WirtschaftsWoche“ angekündigt, dass viele Mitgliedsunternehmen in eigene 5G-Netze auf ihrem Werksgelände investieren wollen und eigene Campus-Netze aufbauen wollen, weil sie nicht mehr an die leeren Versprechen der Telekom glauben. „Für Industrieunternehmen ist der Bau eigener 5G-Netze ein Akt der Befreiung, damit sie nicht länger von den Ausbauplänen der großen Mobilfunkbetreiber abhängig sind“, sagte Ziesemer.

Mehrere Dachverbände hatten Bundesregierung und Bundesnetzagentur davon überzeugt, dass wichtige Digitalisierungsprojekte wie die Fabrik 4.0 viel schneller vorankommen, wenn die Industrieunternehmen die Lizenz zum Bau eigener 5G-Netze bekommen.

Auf der BDI-Konferenz (Motto: „Geht nicht, gibt´s nicht.“) erklärte BASF-Manager Matthias Fankhänel den Politikern noch einmal, warum die Autonomie so wichtig ist. „Unsere Bedürfnisse sind bisher nicht von Telekom und Vodafone abgedeckt worden“, sagte der Geschäftsbereichsleiter Global Engineering & Maintenance, der ein eigenes 5G-Netz auf den Werksgelände in Ludwigshafen aufbauen will. „Deshalb müssen wir unser Schicksal selber in die Hand nehmen.“ Wenn BASF direkt mit den Lieferanten von Netztechnik spreche, bekomme der Konzern schneller vernünftige Lösungen. Viele Unternehmen denken ähnlich, auch wenn sie sich nicht auf dem BDI-Gipfel zu Wort meldeten.

Telekom verließ sich auf falsche Angaben

Für die Telekom sind solche Autonomie-Bestrebungen ein Desaster. Greifen viele Unternehmen zur 5G-Selbsthilfe, wird es schwer, die tendenziell eher optimistischen Wachstumsprognosen für 5G einzuhalten. Höttges weiß inzwischen, was schief gelaufen ist und übt Selbstkritik. „Wir haben uns mit vielen IT-Chefs unterhalten und die haben uns signalisiert: wir brauchen kein 5G-Netz.“ Das seien aber die falschen Ansprechpartner gewesen. Eine andere Gruppe hätte ganz andere Signale ausgesendet. „Wir haben nicht mit den Produktentwicklern geredet, die 5G einsetzen wollen.“

Den Fehler will die Telekom ausbügeln und lädt die nach Autonomie strebenden Industrieunternehmen noch in diesem Jahr zu einer großen 5G-Anwenderkonferenz ein. Aus erster Hand will Höttges spät, aber hoffentlich nicht zu spät erfahren, welche Qualitätsanforderungen die deutsche Industrie „konkret an unser Netz“ hat, wie es in ganzseitigen Anzeigen in allen großen Zeitungen heißt. „Projekten, die für den Standort Deutschland erfolgskritisch sind, räumen wir Vorrang ein“, verspricht die Telekom.

Einen Zug kann Höttges aber nicht mehr aufhalten. Die Bundesnetzagentur findet weiterhin großen Gefallen an der wettbewerbsfördernden Idee, 5G-Frequenzen für Campus-Netze direkt an Industrieunternehmen zu vergeben und will dieses in Europa bisher noch nicht praktizierte Experiment so schnell wie möglich starten.