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Zu teuer und politisch ungewollt – Die Biogas-Branche kämpft ums Überleben

Von der deutschen Biogas-Branche ist wenig übrig. Und das, obwohl die Technologie unerlässlich ist. Warum der einstige Hoffnungsträger der Energiewende ausstirbt.

Thomas Endres war damals einer der ersten Landwirte, der eine Biogasanlage baute. Der 58-Jährige wollte etwas zur Energiewende beitragen, seinen Betrieb umweltfreundlicher machen und natürlich auch ein bisschen Geld verdienen. Heute, siebzehn Jahre später, sitzt der Mann mit den schwarzen Locken im Wohnzimmer auf seinem Hof in der Eifel und kann nur noch müde den Kopf schütteln. „Wir wissen nicht, was kommt“, sagt Endres.

Er und seine Frau Alice leben von den Einnahmen aus der Anlage. In drei Jahren läuft die staatliche Förderung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus. Schon jetzt stehen die Endres, wie Tausende andere aber vor der Entscheidung: investieren oder aufhören?

Einst galt Biogas als Heilsbringer der grünen Wende. Energie aus Mais, Gülle, Mist und Abfällen, jederzeit abrufbar – ein Traum für Nachhaltigkeitsfans. Strom aus Biogas wurde mit bis zu 25 Cent pro Kilowattstunde (kWh) vom Staat vergütet, mittlerweile stehen über 9.000 Anlagen auf Äckern, Feldern und Wiesen quer über die Republik verteilt.

Acht Prozent des deutschen Ökostroms kommen aus Biogas und versorgen rund acht Millionen Haushalte mit Strom. Mit dem Auslaufen der Atomenergie hat sich der Anteil der Bioenergie fast verdoppelt. Deutschland ist das Biogasland Nummer eins.

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Aber seit vier Jahren kämpft die Branche ums Überleben. Anders als Windräder oder Photovoltaikanlagen brauchen Biogasanlagen nachwachsende Rohstoffe, um Energie zu produzieren – und das kostet Geld. Zu viel Geld, entschied die Bundesregierung. Bei der letzten EEG-Novelle im Jahr 2014 wurden die Förderungen für Bioenergie massiv gekappt, teils auf weniger als zwölf Cent pro Kilowattstunde.

Als dann das System für Wind-, Solar- und Bioenergie im vergangenen Jahr von festen Vergütungen auf freie Ausschreibungen umgestellt wurde, kam die Industrie fast völlig zum Erliegen. Die meisten Chancen hat nun derjenige, der am wenigsten verlangt. Der durchschnittliche Zuschlagswert lag in diesem Jahr bei 14 Cent pro kWh. Um mit der Anlage kein Minusgeschäft zu machen, ist das aber zu wenig.

Geschäft verschiebt sich nach Belgien und Frankreich

Gerade einmal 120 Anlagen wurden im vergangenen Jahr gebaut. Zu Spitzenzeiten 2011 waren es noch über 1.500. „In der Boomphase 2011 hat man etwas über die Stränge geschlagen, danach hatte man das Gefühl, dass man das kompensieren musste. Das Ergebnis jetzt: Die Biogasbranche in Deutschland ist so gut wie tot“, sagt Jörg Meyer zu Strohe, Geschäftsführer von PlanET, einem der größten und ältesten Biogasanlagenbauer hierzulande. Früher machte er mit seiner Firma 90 Prozent des Umsatzes in der Heimat, heute kommt das Geschäft fast ausschließlich aus Frankreich und Belgien. Immer mehr Anlagenbauer konzentrieren sich auf ausländische Märkte.

In den vergangenen sieben Jahren gingen fast 20.000 Arbeitsplätze verloren. Aktuell sind noch rund 44.000 Menschen in der Branche beschäftigt. Dutzende Firmen wie MT-Energie, Biogas Nord oder AC Biogas schlitterten in die Pleite.

Dabei wird Bioenergie aufgrund seiner flexiblen Einsatzmöglichkeiten eine hohe Bedeutung für die Energiewende beigemessen. Biogasanlagen können Schwankungen im Stromnetz ausgleichen und als eine Art Stromspeicher dienen. Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), nannte Bioenergie in seinem letzten Erneuerbaren-Report gar „die unterschätzte Kraft der Energiewelt“. Im Gegensatz zu Solar- oder Windkraft könne Biogas zu jeder Tages- und Jahreszeit Energie liefern, egal ob die Sonne scheint, es regnet oder stürmt. Spätestens wenn in ein paar Jahren eine Vielzahl der aktuell noch laufenden Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz geht, könnte Biogas nach Ansicht der IEA die Versorgungssicherheit erhöhen.

Aber die Bioenergie kämpft seit Jahren gegen ihr schlechtes Image. Der Anbau von Pflanzen wie Mais, die besonders viel Energie liefern, hatte überhand genommen – Monokulturen waren die Folge. Deswegen wurde der Maisanteil in Biogasanlagen durch den sogenannten Maisdeckel begrenzt, der von Jahr zu Jahr sinkt.

Weltweit wachsen auf den Äckern vor allem Futtermittel, bis zu 70 Prozent. In Deutschland sind es über 60 Prozent. Auf der restlichen Anbaufläche wachsen ungefähr zu halben Teilen Lebensmittel- und Energiepflanzen: Also etwa 20 Prozent Ackerfläche für Energiemais und Raps. Der Raps für die Beimengung als Biodiesel braucht elf Prozent der Ackerfläche. Energiemais reichen acht Prozent.

Die Biogasanlage von Thomas Endres steht nur wenige Meter hinter seinem Hof. Schwarze Decken halten das Gas in den zwei runden Gebilden. Durch eine kleine Scheibe ist zu sehen, wie eine mehrere Meter hohe, braune Masse von einem riesengroßen Paddel in Bewegung gehalten wird. Der dicke Brei wird durch Bakterien unter Ausschluss von Sauerstoff abgebaut. Dabei produzieren die Bakterien Methan, Kohlendioxid, Sauerstoff, Stickstoff und eine geringe Menge weitere Gase. Je höher der Methananteil, desto energiereicher das Biogas. Mais ist besonders energiereich.

Biogas-Anlagen sind unflexibel, ihr Umbau zu teuer

Endres lässt in seine Anlage trotzdem nicht mehr als 30 Prozent Mais. Es eignen sich auch andere sogenannte Gärprodukte: Gras, Roggen, Futterrüben, Hühnermist, Schweine- und Rindermist, ebenso Schweine- und Rindergülle und Bioabfälle.

„Alles was wir hier verwerten, stammt entweder aus Eigenanbau oder aus den umliegenden Dörfern“, erklärt der Landwirt. Der dicke Brei, der am Ende übrig bleibt, kommt als Dünger auf seine Felder. Und die Motoren, die das Paddel antreiben, erzeugen so viel Wärme, dass damit sieben Wohnhäuser, der Gasthof der Gemeinde, das Haus der freiwilligen Feuerwehr und natürlich der komplette Hof der Familie Endres beheizt werden können. Für den Landwirt ein effizienter Kreislauf. „Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass die Energiewende ohne Biogas nicht zu schaffen ist“, sagt Endres. Deswegen will er weitermachen.

Das Problem: Um an den Ausschreibungen überhaupt teilnehmen zu können, müssen bestehende Anlagen so umgebaut werden, dass sie flexibel hoch- und runtergefahren werden können. Das findet Endres auch grundsätzlich richtig, „Biogasanlagen müssen flexibel einsetzbar sein.“

Aber vielen Betreibern ist das finanzielle Risiko für den Umbau bei der geringen staatlichen Vergütung zu hoch. Der Bau von Neuanlagen sei ja ohnehin schon auf eine kleine Anzahl geschrumpft. „Wenn sich nichts ändert, werden ab 2021 50 Prozent der Anlagen nach dem Ende der Förderung nicht weiterbetrieben werden“, warnt auch Meyer zu Strohe. Alternativen wie Stromspeicher oder die Umwandlung von Strom zu Gas (Power-to-X) seien noch längst nicht wirtschaftlich.

„Natürlich ist Energie aus Biogasanlagen teurer als Wind- oder Solarstrom, aber wenn man die Energiewende wirklich schaffen will, muss man vielleicht auch für die Flexibilität etwas bezahlen“, mahnt Meyer zu Strohe.

Endres und seine Familie jedenfalls wollen das Risiko eingehen und noch einmal in ihre Anlage investieren. „Wir hoffen einfach, dass die Politik uns nicht ganz fallen lässt.“