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Tesla-Anhörung: „Ungeheurer Redebedarf“ torpediert den Zeitplan

Die Anhörung zur Tesla-Fabrik in Grünheide gestaltet sich schwierig. Umweltschützer sprechen von „ungeheurem Redebedarf“ und warnen vor einem „bösen Erwachen“ vor Gericht.

In der Fabrik sollen ab Juli 2021 500.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band rollen. Foto: dpa
In der Fabrik sollen ab Juli 2021 500.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band rollen. Foto: dpa

Die Erörterung der mehr als 400 Einwendungen gegen die geplante Gigafactory des US-Elektroautobauers Tesla bei Berlin nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch als erwartet. An diesem Donnerstag, dem siebten Tag der Anhörung, diskutierten rund 30 Kritiker in Erkner südöstlich von Berlin unter anderem über Verkehr und Artenschutz. Ursprünglich waren zwei Tage für die Anhörung veranschlagt worden.

Die Sprecherin des Umweltministeriums, Frauke Zelt, sagte, die Erörterung solle an diesem Freitag weitergehen. Ob sie zum Abschluss kommt, ist aber noch offen.

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Naturschützer und Anwohner machten ihre Befürchtungen deutlich, dass Eidechsen und Schlingnattern getötet worden seien. „Eine Kampfmittelräumung hätte nicht passieren dürfen“, sagte Manuela Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide gegen die „Gigafactory“.

Tesla in Grünheide: Fans für harte Arbeit gesucht

Der Landkreis Oder-Spree hatte einem internen Dokument zufolge am 24. Februar eine Ausnahmegenehmigung von artenschutzrechtlichen Verboten unter anderem für Zauneidechsen und Schlingnattern erteilt, um Altlasten auf dem Gelände der geplanten Fabrik beseitigen zu können. Sie war bis zum Ende der Winterruhe gültig.

Laut einer Mitteilung des Landesamts für Umwelt (LfU) vom 17. September war eigentlich vorgesehen, am ersten Tag der Anhörung die Themen Verfahrensrecht, Boden-, Gewässer- und Immissionsschutz sowie Verkehr und Infrastruktur und am zweiten Tag alle weiteren Themen zu erörtern. Dass die Anhörung nun länger dauere, sei „eher die Ausnahme“, hieß es im Brandenburger Umweltministerium. Aber es sei eben auch ein „großes Verfahren, das alle Umweltthemen berührt“.

Bürgermeister hofft, dass Ende der Woche Schluss ist

Die Anhörung gehört zum Verfahren für die umweltrechtliche Genehmigung der Tesla-Fabrik. Bisher baut der Konzern in Grünheide über vorläufige Befugnisse für einzelne Bauabschnitte. Zum Jahresende wird mit einer endgültigen Entscheidung des zuständigen Umweltamts gerechnet. Inzwischen schreitet der Fabrikbau weiter voran – die dafür notwendige Waldfläche wurde längst gerodet.

Der Fokus der Anhörung liegt nun noch auf immissionsschutzrechtlichen Themen wie Luftschadstoffen, Geruchsemissionen, Anlagensicherheit, Lärm und Abfällen. Der Themenbereich Wasser ist laut Ministerium abgeschlossen. Weiterhin offen waren noch die Themen Infrastruktur, Raumordnungsrecht, Baurecht, Arbeits- und Naturschutz.

Begonnen hatte die Anhörung am 23. September in der Stadthalle Erkner. Dort ist man über die Verzögerung wenig erfreut. „Zwei Tage waren eingeplant, und jetzt fällt seit Tagen der ganze Vereins- und Schulsport aus“, sagte eine Sprecherin der Stadt. Was nach diesem Freitag sei, wisse man nicht. „Da lassen wir uns überraschen.“ Arne Christiani, der Bürgermeister von Grünheide, in dessen Gemeinde Tesla baut, erklärte: „Ich hoffe im Sinne aller, dass Ende der Woche Schluss ist.“

Beobachter schlossen nicht aus, dass sich das Verfahren noch länger hinziehen könnte. „Wir haben es mit einem sehr anspruchsvollen und komplexen Verfahren zu tun“, sagte Friedhelm Schmitz-Jersch, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), dem Handelsblatt. Es gebe einen „ungeheuren Redebedarf“. Die Debatte, betonte er, dürfe nicht unter Zeitdruck geraten. „Darauf müssen auch die Behörden Wert legen.“ Das Vorhaben müsse rechtssicher sein: „Sonst gibt es vor Gericht ein böses Erwachen.“

FDP warnt vor „jahrelangen juristischen Schlachten“

Das sieht auch der FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Theurer so. „In diesem konkreten Fall muss jetzt unbedingt darauf geachtet werden, dass keine Formfehler gemacht werden, die zu jahrelangen juristischen Schlachten führen“, sagte der Vizechef der Liberalen im Bundestag dem Handelsblatt.

Ein anderes Problem ist das Vertrauen in die Genehmigungsbehörde, das schon schwer gelitten hat. Dem Verhandlungsleiter Ulrich Stock vom Brandenburger Landesumweltamt war Befangenheit vorgeworfen worden. „Tesla ist wie ein Meteorit auf uns niedergestürzt. Hier wird etwas von oben durchgedrückt“, sagte Thomas Löb von der Ökologisch-Demokratischen Partei am ersten Anhörungstag. Stock wies das zurück: „Eine Entscheidung ist durch den fortgeschrittenen Bau nicht präjudiziert.“

Am Montag dieser Woche verkündete Stock überraschend seinen Rückzug. Seine Entscheidung begründete er mit den kräftezehrenden Verhandlungen. Die Moderation der Anhörung übernimmt nun ein Kollege vom Landesumweltamt aus Cottbus.

Die Atmosphäre, schildern Beobachter, sei inzwischen ruhiger, sachlicher und konstruktiver geworden. „Die ersten drei Tage waren geprägt von formalen Auseinandersetzungen und Befangenheitsanträgen“, sagt Schmitz-Jersch. „Jetzt hat sich die Situation beruhigt.“

Am ersten Anhörungstag waren knapp 120 Einwender vor Ort, am Donnerstag etwa 70, Freitag und Montag 56 und am Dienstag 51. Aufgrund der Corona-bedingten Regelungen zum Gesundheitsschutz in der Stadthalle steht nur eine geringe Anzahl von Plätzen zur Verfügung, und es können ausschließlich Einwender am Erörterungstermin teilnehmen.

Tesla will weiteren Wald roden

Die Zahl der Einwendungen gegen das Tesla-Projekt erscheint nicht sonderlich hoch. Im brandenburgischen Rüdersdorf wandten sich vor einigen Jahren Bürger gegen den geplanten Ausbau einer Abfallverbrennungsanlage von Vattenfall. Am Ende hatten rund 2300 Rüdersdorfer ihre Einwendungen vorgebracht. Gegen die später abgelehnte Schweinemastanlage in Haßleben in der Uckermark wurden an insgesamt elf Tagen mehr als 1200 Einwendungen öffentlich erörtert.

Auf großen Widerstand treffen häufig öffentliche Großprojekte. Gegen den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels zwischen Deutschland und Dänemark soll es über 12.000 Einwendungen gegeben haben. Gegen den Berliner Großflughafen BER in der Planungsphase sogar über 130.000. Beides sind jedoch im Gegensatz zu Tesla öffentliche Projekte.

Noch zwölf Hektar mehr: Tesla will Standort Grünheide erweitern

Vor Beginn der Erörterung hatte Tesla zudem einen Antrag auf die Rodung von weiteren 100 Hektar Wald gestellt. Das würde den Beginn des zweiten Bauabschnitts markieren. Der Bau auf den ersten 90 Hektar in Grünheide ist weit fortgeschritten. Tesla baut dort über Einzelgenehmigungen nach Paragraf 8a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und damit auf eigenes Risiko.

Es wird erwartet, dass sich das Landesumweltamt erst nach Abschluss der Anhörung zu dem neuerlichen Antrag äußern wird. Schmitz-Jersch vom Naturschutzbund sieht das skeptisch: „Macht es Sinn, immer weiter voranzugehen, wenn das eigentliche Vorhaben noch keine endgültige Genehmigung hat?“

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