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Abgang einer Integrationsfigur

Bei Siemens waren viele Mitarbeiter geschockt, als am Morgen die Nachricht die Runde machte: Der allseits hochgeschätzte Technologievorstand Siegfried Russwurm wird seinen Vertrag, der im März ausläuft, nicht verlängern. „Viele waren sprachlos", berichtete ein Siemens-Manager.

„Die Entscheidung, seinen zum 31. März auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern, wurde absolut einvernehmlich getroffen“, erklärte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme am Freitag in einer Mitteilung. „Ich habe einen Großteil meines Berufslebens bei Siemens verbracht. Dem Unternehmen und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werde ich immer verbunden bleiben“, sagte Russwurm. „Dennoch möchte ich mich auch möglichen neuen Herausforderungen nicht verschließen.“

Der Ingenieur hatte 1992 bei der Siemens-Medizintechnik angefangen und gehört schon seit 2008 dem Konzernvorstand an. Dort ist er oberster Technikchef und zudem für die Medizintechnik, den Nahen Osten und das Russland-Geschäft zuständig.

Der Aufsichtsrat hatte auf eine Verlängerung des Vertrages gedrängt, obwohl das Verhältnis zwischen dem 53-Jährigen und Konzernchef nicht das Beste ist. Laut Unternehmenskreisen bot Kaeser daraufhin Russwurm eine Verlängerung an. Nach hätten sich die Entscheidungsprozesse beschleunigt, hieß es im Umfeld. Auch Russwurm selbst habe nicht weitermachen wollen. Offiziell ist von beiderseitigem Einvernehmen die Rede.

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Russwurm habe sich weiter Hoffnungen gemacht, eines Tages Konzernchef zu werden, wird in Industriekreisen spekuliert. Da aber Kaeser dem Aufsichtsrat signalisiert habe, dass er über 2018 weitermachen wolle, habe sich diese Perspektive zerschlagen. In noch einmal fünf Jahren habe er keine Chance mehr, Vorstandschef zu werden. Russwurm gilt unter anderem bei Linde als möglicher Kandidat, wenn im Mai Konzernchef Wolfgang Büchele geht.


Verhältnis zu Kaeser galt als heikel

Russwurm galt schon nach dem Abgang von Peter Löscher als möglicher Nachfolger. Es setzte sich aber durch. Dieser düpierte Russwurm später, indem er ihn drängte, das Industrieressort abzugeben und dafür Technologievorstand zu werden. Russwurm hatte das operative Geschäft sehr gern gemacht. Kaeser sagte, der Jobtausch Folge keiner besonderen Logik. Daher wurde er von einigen im Konzern als Degradierung Russwurms verstanden.

Seither gilt das Verhältnis der beiden als heikel. Russwurm und Kaeser haben sich nach Informationen des Handelsblatts über Kompetenzen bei den Themen Start-ups und Innovationen beharkt. Dies soll auch im Vorstand zu Diskussionen geführt haben. Schließlich wurde Russwurm kommissarischer Leiter der Startup-Einheit Next47.

Viele im Konzern bedauern Russwurms Abschied. „Er war in der Zusammenarbeit phantastisch und sehr integrativ“, sagte ein Siemens-Mitarbeiter. Kaeser müsse aufpassen, dass er nicht nur Technokraten um sich schare, die keine Konkurrenz für ihn seien.

Im Umfeld der Führung wurde betont, es sei nichts zwischen Kaeser und Russwurm vorgefallen. Es sei eine einvernehmliche Entscheidung. Kaeser hatte seit dem Sprung an die Spitze viel Macht auf sich konzentriert, was einige kritisch sehen. Allerdings zeigte sein Konzernumbau zuletzt wirtschaftliche Erfolge.

KONTEXT

Was mal alles Siemens war

Ein Konzern im steten Wandel

Was hat Siemens nicht schon alles hergestellt. Telefone, Computer, Halbleiter oder Geldautomaten. Der Konzern, 1847 als Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske in Berlin gegründet, hat sich seither gründlich und stetig gewandelt. Geschäfte kamen hinzu, andere verschwanden. Die Liste prominenter Abgänge ist lang. Eine Auswahl früherer Siemens-Geschäfte.

Halbleiter

Die heftigen Turbulenzen auf dem Markt veranlasste Siemens, das Geschäft abzuspalten - der Halbleiterhersteller Infineon wurde 1999 an die Börse geschickt.

Telekommunikation

Zwar war Siemens als Telegraphen-Hersteller gegründet worden, doch der rasche Wandel auf dem Telefonmarkt überforderte den Konzern. Lange bevor Nokia den Anschluss an Apple auf dem Handymarkt verlor, musste Siemens Mobile trotz zunächst großer Erfolge einst Nokia ziehen lassen. Das Geschäft mit Mobiltelefonen gab Siemens 2005 an den BenQ-Konzern ab. Nur wenig später musste der die Produktion einstellen. Das Geschäft mit schnurlosen Telefonen für daheim verkaufte Siemens 2008 an Arques.

Netzwerke

Auch das Ausrüstungsgeschäft für Netzwerke trennte Siemens heraus und brachte das Geschäft 2007 in eine gemeinsame Firma mit Nokia unter dem Namen NSN ein.

Computer

Unter dem Namen Siemens Nixdorf baute Siemens einst nicht nur Geldautomaten, sondern auch Computer. Diesen Teil brachte Siemens in ein Joint Venture mit dem japanischen Hersteller Fujitsu ein und zog sich 2009 daraus zurück. Die Sparte mit Kassensystemen und Geldautomaten wurde zehn Jahre zuvor an Investoren verkauft und wurde 1999 als Wincor Nixdorf weiter geführt und an die Börse gebracht.

Auto

Wechselvoll ist auch die Geschichte, die Siemens als Autozulieferer erlebt hat. So hat der Konzern 2001 den Zulieferer VDO übernommen und mit dem eigenen Autogeschäft zusammengeführt. Nach einer Ein- und wieder Ausgliederung sollte VDO eigentlich an die Börse gebracht werden, ging aber dann 2007 im Wege eines Verkaufs an den Autozulieferer Continental.

Licht

Osram ist das jüngste Beispiel für ein Modell der Trennung. Das traditionsreiche Licht-Unternehmen gehörte lange zu Siemens. Angesichts milliardenschwerer Herausforderungen, etwa für die Entwicklung neuer Produkte nach dem Aus für die Glühbirne, wollte Siemens die Tochter mit einem Börsengang in die Freiheit entlassen - und dafür Milliarden einsammeln. Das klappte nicht, stattdessen buchte Siemens seinen Aktionären Osram-Aktien ins Depot, ein Börsengang light sozusagen. Seit 2013 ist Osram selbstständig.