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Die Tech-Konzerne entdecken ihr grünes Gewissen

Stromverbrauch und CO2-Fußabdruck der Digitalbranche sind riesig: Google, Microsoft und die Streamingdienste geraten unter Druck. Davon profitiert die Erneuerbaren-Branche.

Während die Klimakonferenz in Madrid im Dezember als „Gipfel der Untätigkeit“ zu Ende ging, weiß Onlineriese Amazon genau, wie man sich als grüner Weltretter inszeniert. Auf einer Abendveranstaltung am Rande des Treffens verkündete der US-Konzern medienwirksam seinen neuesten Öko-Deal. Ein Solarpark aus Spanien und eine schwedische Windfarm sollen Amazons Rechenzentren in Europa mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgen.

Es ist eins von vielen Projekten, um die CO2-Bilanz des Tech-Unternehmens aufzupolieren. In vier Jahren will Amazon immerhin schon 80 Prozent seines Stroms aus regenerativen Quellen beziehen. 2030 soll der Internethändler dann komplett grün und zehn Jahre später auch klimaneutral werden.

Immer mehr Silicon-Valley-Giganten schließen dafür so genannte Direktstromlieferverträge ab, auch Power Purchase Agreements (PPA) genannt, also eine langfristige Abnahme des Ökostroms zu einem vereinbarten Festpreis. Für die Erneuerbaren sind PPAs der Weg in die lang ersehnte Wirtschaftlichkeit, für Konzerne wie Amazon sind sie der Weg zu einem grünen Gewissen.

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Während Grünstrom-Deals in den USA schon lange boomen, schwappt der Trend jetzt auch immer mehr nach Europa über. Erst Anfang November gab Google einen Vertrag über Windstrom für sein Rechenzentrum im finnischen Hamina bekannt. Die 62 Turbinen stammen von dem deutschen Windkonzern Siemens Gamesa.

„Gerade die großen Tech-Konzerne wie Amazon, Microsoft und Google gehen in Richtung 100 Prozent Erneuerbarer bis 2030 für ihre Datenzentren. Das ist eine gewaltige Herausforderung. Deswegen sehen wir gerade hier immer mehr PPAs“, beobachtet auch Dierk Paskert. Er ist Chef des Hamburger Unternehmens Encavis, einem der größten Projektierer Europas und Partner für Amazons Solarstrom aus Spanien. Es seien vor allem die Tech-Konzerne, die das Thema zur Zeit massiv vorantreiben.

Auch wenn der Fokus gerade eher auf Autobranche, Stahlindustrie oder Kohlebergbau liegt, sorgen Unternehmen wie Google, Apple und Facebook für einen großen Teil des CO2-Ausstoßes. Laut dem Thinktank The Shift Project ist die Digitalbranche schon heute für knapp vier Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich – der zivile Luftverkehr erzeugt weniger. Denn ohne Strom funktioniert das Internet nicht. Und die schiere Größe des Internets verdoppelt sich Schätzungen zufolge etwa alle zwei Jahre.

Streaming ist besonders stromintensiv

Die Rechenzentren, in denen immer mehr Daten auf der ganzen Welt gelagert werden, fressen immer mehr Energie. Ein Beispiel: Laut dem Harvard-Physiker Alex Wissner-Gross ist eine einzige Google-Suche für sieben Gramm CO2 verantwortlich. Google selbst gibt einen CO2-Ausstoß von 0,2 Gramm an. Wenn man bedenkt, dass Google pro Tag 3,5 Milliarden Suchanfragen verarbeitet, kommt man auf eine Menge klimaschädlicher Emissionen.

Noch schlimmer als Suchanfragen sind Streaming-Plattformen wie Netflix, Amazon Prime oder Youtube, aber auch Videokonferenzen mit Skype und anderen Diensten. Wer zehn Minuten lang über die Cloud ein Video in hoher Auflösung anschaut, verbraucht dabei so viel Strom wie ein elektrischer Backofen, der fünf Minuten mit 2000 Watt auf voller Stufe im Heizbetrieb läuft. Dazu kommt natürlich noch der Verbrauch vom Laptop, Computer oder dem Fernseher und gegebenenfalls eben vom Bildschirm. Jeder Klick verursacht CO2.

Umweltschützer gehen davon aus, dass sich der Anteil der weltweiten Rechenzentren am globalen Stromverbrauch innerhalb der nächsten zehn Jahre von vier auf acht Prozent verdoppeln wird. Das liegt auch daran, dass immer mehr Geräte mit dem Internet verbunden werden. Es gibt smarte Textilien wie Kopfkissen, Kühlschrank-Kameras oder eine vernetzte Kaffeetasse, die die Temperatur von Getränken misst. Und da ist der Traum vom autonomen Auto noch gar nicht mit eingepreist. Dafür braucht es ohnehin ein deutlich schnelleres Internet: 5G. Allein der Strombedarf durch den neuen Mobilfunkstandard soll laut dem Energieversorger Eon den Strombedarf bis 2025 um 3,8 Terawatt-Stunden (TWh) erhöhen.

Encavis-Chef Paskert ist jedoch überzeugt, dass sich der Trend hin zu grünen Energiedeals weiter verstärken wird. „Greenwashing, also Alternativprodukte wie Zertifikate oder Regenwaldaufforstung, werden von den NGOs nicht mehr akzeptiert. Der Druck auf die Unternehmen ist extrem hoch“, sagt er.

Das war in den USA besonders am Tag des globalen Klimastreiks zu erkennen. In San Francisco demonstrierten Hunderte Mitarbeiter von Google und Amazon gegen ihre Arbeitgeber und drohten mit Arbeitsverweigerung, sollten die Firmen nicht ihre Anstrengungen gegen den Klimawandel verstärken.

Die Tech-Riesen haben das Problem erkannt und kaufen schon seit Jahren immer mehr Grünstrom ein. So hat Youtube bereits vor zwei Jahren komplett auf eine nachhaltige Energieversorgung umgestellt. Und auch Apple und Microsoft stocken für ein grünes Gewissen auf. Amazon, vor Jahren von Greenpeace noch wegen eines hohen Anteils von Atom- und Kohlestrom gescholten, hat inzwischen mehr als die Hälfte der Rechenzentren auf Erneuerbare Energie umgestellt.

Grüner Strom wird günstiger

Insgesamt haben sich bislang mehr als 20 Internetkonzerne den Erneuerbaren verschrieben. Zusammengeschlossen haben sie sich unter anderem in der Initiative Re100. Über 200 Konzerne stehen auf der Liste des Gemeinschaftsprojekts. Sie alle wollen 100 Prozent grün werden. Unter ihnen sind Unternehmen wie Ikea, Swiss Re oder BMW. Aber eben auch die großen Tech-Giganten. Unternehmen im gewerblichen und industriellen Sektor sind für ungefähr zwei Drittel des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. „Die Umstellung dieser Nachfrage auf erneuerbare Energien verändert den globalen Energiemarkt und beschleunigt den Übergang zu einer sauberen Wirtschaft“, heißt es auf der Website der Initiative.

Das erkennt auch Greenpeace an. Trotzdem, „Tech-Konzerne und auch andere Unternehmen müssen den Wandel hin zu regenerativen deutlich schneller vollziehen“, mahnt die US-Greenpeace-Expertin Elizabeth Jardim. Die immer günstiger werdende Ökoenergie könnte das Tempo jetzt weiter anheizen.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Wood Mackenzie ist der steigende Druck der Gesellschaft nämlich nicht der einzige Grund für das neu entdeckte Umweltbewusstsein der Tech-Konzerne. Auch der immer günstiger werdende Strom aus Wind- und Solaranlagen treibt Facebook und Co. vermehrt zu Erneuerbaren als bevorzugter Energiequelle.

Unter den zehn Unternehmen, die 2018 die meisten PPAs abgeschlossen haben, sind sieben Tech-Konzerne. Sie allein haben im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel des Gesamtmarktes an neu geschlossenen Direktstromverträgen verantwortet – weltweit. Die ersten drei Plätze belegen Facebook, Google und Amazon.

Trotz aller Fortschritte müsse man bei den großen Tech-Konzernen aber auch immer „unter die Haube gucken“, sagt Greenpeace-Aktivistin Jardim. „Nur weil ein Unternehmen viele PPAs abschließt, heißt das nicht, dass deswegen weniger fossile Energie verbraucht wird“, warnt sie.

Weil die Wind- und Solarparks oft in weiter Entfernung zu den eigentlichen Rechenzentren gebaut werden, verändere sich oft wenig an dem lokalen Strommix. Ein Windpark irgendwo auf der Welt bedeutet schließlich nicht, dass lokal nicht trotzdem Braunkohle- oder Nuklearstrom verbraucht wird.