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Taschenhersteller Ortlieb profitiert vom E-Bike-Boom

Mit der Nähmaschine seiner Mutter fing alles an. Zurück von einem völlig verregneten Englandurlaub, nähte Hartmut Ortlieb 1981 seine erste robuste Radtasche – aus einer Lkw-Plane. Das Modell des Schweizer Herstellers Bernina steht inzwischen im großen Besprechungssaal von Ortlieb im fränkischen Heilsbronn.

Die Nähmaschine ist noch gut erhalten, denn Tüftler Ortlieb brauchte sie schon bald nicht mehr. Er fand schnell heraus: Wasserdicht sind seine Radtaschen nur, wenn er sie verschweißt. Bei dieser Technik ist der 57-Jährige bis heute geblieben – und hat damit Generationen von Radenthusiasten überzeugt. Die Satteltaschen des Mittelständlers gehören zu Radreisen wie Goretex zu Wanderjacken.

Das Geschäft des Familienunternehmens ist über die Jahre stetig gewachsen. So gut wie jetzt lief es aber noch nie. „Früher hat sich Ortlieb an die wenigen Radreisenden gewandt. Durch den Boom der E-Bikes wächst die Zielgruppe gewaltig“, sagt Geschäftsführer Jürgen Siegwarth, 58.

Der Manager führt Ortlieb seit Anfang vergangenen Jahres und profitiert jetzt davon, dass immer mehr Leute das Rad entdecken. Sie steigen aufs Velo, um zur Arbeit zu kommen, nutzen es zum Einkaufen und für ausgedehnte Radtouren. Kurzum: Radfahren ist in, und die Leute geben für ihre Räder immer mehr aus.

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Die Händler in Deutschland haben vergangenes Jahr Räder für knapp 3,2 Milliarden Euro verkauft, 16 Prozent mehr als 2017. Das Geschäft mit Ersatzteilen und Zubehör mit eingerechnet, lag der Umsatz bei rund sechs Milliarden Euro, so der Zweirad-Industrie-Verband.

Der Grund für den Aufschwung: Viele Konsumenten legen sich E-Bikes zu. Fast jedes vierte verkaufte Rad war 2018 mit Motor ausgestattet. Die Elektroräder sind deutlich teurer als gewöhnliche Räder – Radtaschen für 150 Euro fallen da nicht so sehr ins Gewicht.

Gleichzeitig bieten Firmen ihren Beschäftigten häufiger Leasingräder an. Es gibt noch einen Grund, warum es bei Ortlieb eigenen Angaben zufolge jedes Jahr zweistellig aufwärtsgeht: Das Label bietet inzwischen auch wasserdichte Rucksäcke und Reisetaschen an. Somit baut es das Portfolio aus.

Die Marke braucht mehr Platz

Umsatzzahlen hält Ortlieb unter Verschluss wie die Bundesbank ihre Goldreserven. Gegenüber dem Handelsblatt bezifferte Manager Siegwarth immerhin erstmals das Produktionsvolumen: Eine Million Artikel würden pro Jahr hergestellt. Die Erlöse dürften sich damit auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag summieren.

Zudem finanziere sich Ortlieb selbst. Dass die Firma mit ihren 230 Beschäftigten brummt, lässt das geschäftige Treiben in den Fabrikhallen in Heilsbronn erkennen, wo die gesamte Palette aus 500 Varianten an Taschen entsteht. Es fehle an allen Ecken und Enden der Platz, stöhnt Manager Siegwarth. Eine dritte Schicht werde bald kommen.

Sportartikel in Deutschland zu produzieren ist schon außergewöhnlich genug. Deuter, der größte und bekannteste Rucksackhersteller hierzulande, lässt sein gesamtes Sortiment von einem Partner in Vietnam fertigen. Wettbewerber Tatonka aus der Nähe von Augsburg betreibt ein eigenes Werk in dem asiatischen Land. Noch bemerkenswerter aber ist: Ortlieb baut auch die Maschinen selbst. Nur so, glaubt das Management, könne sich der Mittelständler wirklich von der Konkurrenz abheben.

Doch das ist noch nicht alles: 70 Prozent aller Materialien stammen eigenen Angaben zufolge aus Deutschland, ein Zulieferer sitzt nur einen Steinwurf entfernt am anderen Ende der Straße. „Ortlieb ist keine Marketingfirma. Die Funktion steht bei uns über allem“, erläutert Siegwarth.

Daher hat Gründer Ortlieb auch eine eigene Produktion für wasser- und luftdichte Reißverschlüsse aufgebaut – und dafür sogar eine Firma gegründet, Titex. Sie produziert bislang direkt neben der Marke Ortlieb, wird aber demnächst umziehen. Dann lässt sich die Taschenproduktion erweitern. Unter dem Label „Tizip“ liefert Titex Reißverschlüsse für die Ortlieb-Kollektion, aber auch für Trockentauchanzüge, Regenjacken oder Rucksäcke anderer Marken.

Eigentümer Ortlieb ist eher öffentlichkeitsscheu. Die Bühne überlässt er anderen, am liebsten kümmert er sich um die Technik oder neue Materialien. Für die Kunden, also die Rad- und Sporthändler, ist Geschäftsführer Siegwarth zuständig. Er gilt als einer der bestvernetzten Manager in der Sportindustrie hierzulande. „Im Handel kennt er jeden“, sagt einer, der Siegwarth seit Jahren begleitet.

Ein unvergleichliches Netzwerk

Bevor er Anfang 2018 zu Ortlieb stieß, stand Siegwarth in Diensten des bayerischen Wanderschuhherstellers Hanwag, davor war er beim Rivalen Deuter und dem Bergstiefelspezialisten Meindl. Bei seinen Kunden genießt Ortlieb einen ausgezeichneten Ruf. „Es ist eine Ehre für uns, dass wir diese Marke im Portfolio führen dürfen“, betont Philipp Simon, Geschäftsführer von Bike Components, einem der profiliertesten Anbieter von Radzubehör und Rädern hierzulande.

Das ist nicht einfach so dahingesagt. Der Online-Store aus Aachen lag jahrelang im Clinch mit den Franken. Ortlieb zog die Fachhändler vor Ort vor und wollte mit Internetanbietern wie Bike Components nicht zu tun haben. Inzwischen aber geht es auch für Ortlieb nicht mehr ohne E-Commerce, und so arbeiten beide Seiten vertrauensvoll zusammen, meint Simon. Er schätze vor allem, dass sich die Ortlieb-Kollektionen anders als im Rest der Fahrradindustrie nicht laufend ändern würden.

Eines der größten Probleme von Ortlieb ist es, im Großraum Nürnberg Mitarbeiter zu finden. Wer einmal da ist, der bleibt zwar auch – die durchschnittliche Verweildauer betrage zehn Jahre, so Siegwarth. Von der Sportindustrie begeisterte Kandidaten haben in Mittelfranken aber eine unschlagbare Auswahl an Arbeitgebern.

Zwei der weltweit begehrtesten Turnschuhmarken, Adidas und Puma, sitzen gleich um die Ecke in Herzogenaurach; zudem gibt es in Fürth mit dem Mittelständler Uvex einen bekannten Spezialisten für Radhelme, Skihelme und Skibrillen.

Ortlieb braucht aber neue Leute, denn es dürfte weiter aufwärtsgehen. So wie in diesen Tagen Sport-Schuster in München, einer der renommiertesten Sportläden Deutschlands, nehmen immer mehr Sporthändler E-Bikes in ihr Angebot auf – und damit auch Accessoires. Für Ortlieb eine gewaltige Chance, mehr Kunden zu erreichen. „Wir bieten dem Sporthandel die Möglichkeit, zusätzlichen Umsatz zu erzielen“, glaubt Vertriebschef Siegwarth.

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