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Tajani gewinnt

Die Hoffnung stirbt zuletzt - auch bei der Wahl eines Präsidenten für das Europaparlament. "Ich rufe Sie auf, Ihre Verantwortung wahrzunehmen und meine Kandidatur im letzten Wahlgang zu unterstützen", appellierte Gianni Pittella, Vorsitzender der sozialistischen Fraktion an seine Kollegen in der EU-Volksvertretung. Es half nichts. Pittella unterlag.

Künftig wird kein Sozialdemokrat das Europaparlament führen, sondern ein Konservativer: Antonio Tajani, ein Gefolgsmann des umstrittenen ehemaligen Premiers Silvio Berlusconi, wird Nachfolger von Martin Schulz.

Ironie der Geschichte: Es war Berlusconi, der Schulz im Jahr 2003 als KZ-Lagerchef beschimpfte und damit tumultartige Szenen im Europaparlament auslöste. Die Beleidigung machte den deutschen Sozialdemokraten bekannt und öffnete so die politische Tür für seinen Aufstieg zum Parlamentspräsidenten. Zwei Amtszeiten und fünf Jahre lang führte Schulz die EU-Volksvertretung. Jetzt wechselt er für die SPD nach Berlin in die Bundespolitik.

Dass ausgerechnet ein Verbündeter Berlusconis Schulz' Nachfolger wird, gefällt längst nicht allen Abgeordneten. Die christdemokratische EVP-Fraktion stand zwar fest zu ihrem Kandidaten - und auch bei der anderen konservativen Fraktion EKR fand er Befürworter. Doch die linke Seite des Plenarsaals verweigerte ihm geschlossen die Unterstützung.

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Deshalb bekam Tajani auch im vierten und letzten Wahlgang nur auf 351 Stimmen. Schulz war einst von 405 Abgeordneten gewählt worden. Tajani hat vergleichsweise wenig Rückhalt im Hohen Haus der EU. Für die Beförderung zum Parlamentspräsidenten reicht es trotzdem.

Das Amt will der 63-jährige Jurist aus Rom ganz anders interpretieren als Schulz. Der Sozialdemokrat mischte sich permanent und energisch in alle möglichen politischen Diskussionen ein – egal ob es um die Flüchtlingskrise, die Probleme Ungarns und Polen mit dem Rechtsstaat, um die Euro-Schuldenkrise oder um das Handelsabkommen TTIP ging. Tajani will die Tagespolitik hingegen den Parteien in der EU-Volksvertretung überlassen und selbst als neutraler Sachwalter des Parlaments auftreten.

“Ein Präsident des Europaparlaments kann kein politisches Programm haben. Er unterstützt alle EU-Abgeordneten”, sagte Tajani am Dienstagmorgen in seiner Vorstellungsrede.


Proeuropäische Parteien im Europaparlament atmen auf

Der Wahlsieg Tajanis dürfte vor allem einen erleichtern: EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Der CSU-Politiker hat anstrengende Wochen hinter sich. Schließlich musste er lernen, dass das Amt des Parlamentspräsidenten seiner Fraktion - anders als ursprünglich angenommen - nicht automatisch zufällt. EVP und Sozialisten hatten 2014 zwar schriftlich vereinbart, dass ein Christdemokrat Schulz 2017 beerben soll. Doch Pittella ließ den Deal platzen und ging selbst ins Rennen.

Die bis dahin reibungslos kooperierende informelle große Koalition im Europaparlament kam dadurch schwer ins Trudeln. Weber und Pittella machten sich gegenseitig Vorwürfe, und in der EU-Kommission kursierten Ängste, die EU-Volksvertretung könne in Streit und Chaos versinken. Das wiederum hätte die erklärtermaßen EU-feindlichen Kräfte im Parlament, etwa die französische Front National, gestärkt.

Gerissen ist der Gesprächsfaden zwischen den Chefs der proeuropäischen Parteien trotz der Streitigkeiten nicht. Weber und der liberale Guy Verhofstadt rauften sich bereits am Dienstagmorgen zusammen. , unterstützte den EVP-Kandidaten Tajani und holte dafür einige politische Gegenleistungen heraus: Unter anderem sagte Weber zu, sich für die Beförderung einer liberalen EU-Kommissarin einzusetzen.

Entweder Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager oder Handelskommissarin Malmström sollen Vizepräsidentin der EU-Kommission werden. In die Röhre schauen könnte der deutsche Kommissar Günther Oettinger.

Weber und Verhofstadt vereinbarten außerdem, die bisher übliche Zusammenarbeit der EU-freundlich gesinnten Fraktionen im Europaparlament fortzusetzen -und andere zum Mitmachen einzuladen. Der Sozialist Pittella hat bisher nicht eingeschlagen. Noch nicht.

KONTEXT

Wichtige Wahlen in Europa 2017

Niederlande

Die Niederländer wählen am 15. März ein neues Parlament. Die regierende große Koalition aus Rechtsliberalen und Sozialdemokraten wird nach allen Prognosen keine Mehrheit mehr bekommen. Der Partei für die Freiheit des Rechtspopulisten Geert Wilders werden dagegen große Gewinne vorhergesagt.

Frankreich I

Die Franzosen wählen einen neuen Präsidenten. Die erste Runde ist am 23. April. Erreicht dabei kein Kandidat die absolute Stimmenmehrheit, findet am 7. Mai eine Stichwahl statt. Der konservative Bewerber Francois Fillon und die Rechtspopulistin und Europagegnerin Marine Le Pen von der Front National könnten sich nach Umfragen in der entscheidenden Endrunde gegenüberstehen.

Frankreich II

In Frankreich wird zudem die Nationalversammlung gewählt. Die erste Runde ist am 11. Juni, ein gegebenenfalls notwendiger zweiter Wahlgang am 18. Juni. Wenn das Lager des neugewählten Staatschefs nicht die Mehrheit holt, werden die innenpolitischen Befugnisse des Präsidenten deutlich abgeschwächt. Eine derartige "Cohabitation" gab es zuletzt von 1997 bis 2002 mit dem Konservativen Jacques Chirac als Präsidenten und dem Sozialisten Lionel Jospin als Premierminister.

Deutschland

Im September ist Bundestagswahl. CDU-Chefin Angela Merkel will zum vierten Mal Kanzlerin werden. Dass die rechtspopulistische AfD den Sprung in den Bundestag schafft, gilt als ausgemacht. Insgesamt könnten sieben Parteien im Parlament vertreten sein (CDU, CSU, SPD, Linke, Grünen, AfD und FDP), was eine Regierungsbildung kompliziert machen dürfte.

Norwegen

Dort wird am 11. September ein neues Parlament gewählt. Die Regierung aus Konservativen und einwanderungskritischer Fortschrittspartei kämpft um die Wiederwahl.