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„Jeden Tag versucht jemand, unsere Idee zu klauen“

Wuchs als Sohn zweier DDR-Wissenschaftler zeitweise in Äthiopien auf: KI-Vordenker und zweifach-Gründer Richard Socher. - Copyright: picture alliance / | Sebastian Gabriel/Picture Alliance for DLD/Hubert Burda Media
Wuchs als Sohn zweier DDR-Wissenschaftler zeitweise in Äthiopien auf: KI-Vordenker und zweifach-Gründer Richard Socher. - Copyright: picture alliance / | Sebastian Gabriel/Picture Alliance for DLD/Hubert Burda Media

Rote Wuschel-Haare, Dreitagebart, Brille mit runden Gläsern im schmalen, runden Horngestell. Und immer lächelnd. Die Nerd-Version von Ed Sheeran hat jemand Richard Socher einmal genannt, und man kann erkennen, woher der Gedanke kam. Ein Star ist der gebürtige Dresdner allemal: Socher gehört zu den international bedeutendsten Fachleuten für Künstliche Intelligenz. Genauer: für Large Language Models – also KI, die auf riesigen Sprach-Datensätzen basiert. Wer jetzt an das Hype-Thema ChatGPT denkt, liegt genau richtig.

Socher hat Informatik in Leipzig und Saarbrücken studiert, an der Princeton-Universität geforscht, dann in Stanford promoviert. Im Jahr 2014 gründete er das KI-Startup Metamind, nur zwei Jahre später verkaufte er es für 33 Millionen US-Dollar an den US-Tech-Konzern Salesforce. Dort arbeitete Socher bis 2020 als Chefwissenschaftler. Mit seinem jüngsten Projekt You.com hat Socher Großes vor: Die Suchmaschine soll neue Maßstäbe setzen, Google übertrumpfen und die Basis für viele neue Angebote sein. Alles auf Basis von Künstlicher Intelligenz, natürlich.

Die soll es den Nutzerinnen und Nutzern vor allem ermöglichen, auch komplexere Fragen zu stellen und ausführlichere Antworten zu erhalten. Dabei soll You.com ein Anti-Google sein: So lässt sich etwa auswählen, aus welchen Quellen die Suchergebnisse kommen sollen. Und vor allem: wie viel ihrer Privatsphäre die Nutzer preisgeben wollen. Socher spricht gerne über die Möglichkeiten von KI und über die Bedeutung der Privatsphäre. Wenn es um das eigene Unternehmen geht, hält er sich aber bedeckt. Etwa, was dessen Größe angeht, wie viele Mitarbeiter You.com hat, will er nicht verraten. Nur so viel: Das Startup sei „noch relativ klein“. Immerhin so viel ist bekannt: 45 Millionen Dollar sind in You.com geflossen, die Summe bestätigt Socher auch gegenüber Gründerszene.

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Auf der Tech-Konferenz DLD in München haben wir Richard Socher getroffen und mit ihm über seine neueste Gründung You.com gesprochen, über den Hype um ChatGPT und darüber, ob er schon den nächsten Exit vor Augen hat.

Richard, vor zweieinhalb Jahren hast du You.com gegründet – wie wirkt sich der derzeitige Chat-Hype auf das Unternehmen aus?

Bereits in den vergangenen sechs Monaten hatten wir ein gutes Wachstum bei der Suchmaschine gesehen. Aber vor allem die Nutzung unseres Chat-Angebots YouChat ist mit dem GPT-Hype noch einmal regelrecht explodiert.

Was sind deine Pläne mit You.com? Dein erstes Unternehmen hast du nach nur zwei Jahren an Salesforce verkauft – wird die Technologie von You.com auch bald Teil eines Softwarekonzerns sein?

Ich will die Firma nicht verkaufen. Mein Ziel ist es wirklich, eine große, definierende Internetfirma unserer Generation aufzubauen. Ich hatte auch nie vor, die erste Firma zu verkaufen. Aber manchmal muss man pragmatisch sein.

Wieso gerade eine Suchmaschine?

In den vergangenen 20 Jahren hat sich viel verändert im Internet. Deswegen muss sich auch die Suche anpassen. In den vergangenen Wochen haben wir gesehen, dass man mit KI, Chat und Large Language Models eine ganz neue Art von Suche entwickeln kann.

Aber allein dabei soll es nicht bleiben, oder? Da gibt es bestimmt einfachere Möglichkeiten, Geld zu verdienen.

You.com soll eine Plattform werden, auf der wiederum selbst eine Milliardenfirma wie TikTok basieren kann. Wir hoffen, mit der Plattform uns und anderen neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Wenn das nicht klappt, müssen wir Werbung schalten, wie es zum Beispiel DuckDuckGo auch macht. In die Privatsphäre werden wir dabei aber nicht eingreifen. Man bekommt etwa 80 Prozent der Informationen für eine personalisierte Werbung allein durch die Suchanfragen, die Verletzung der Privatsphäre für die restlichen 20 Prozent werden nur dafür benutzt, noch mehr Geld rauszuquetschen.

Welche Apps sollen auf You.com bald entstehen?

Da sind eigentlich wenige Grenzen gesetzt. Momentan sind die interessantesten Anwendungen in der KI, auch weil es bereits eingebaute Anwendungen gibt, die Bilder generieren, Texte schreiben oder programmieren können.

Was sind die nächsten Schritte?

Der nächste Meilenstein wird in einigen Wochen kommen, in denen wir die Chat-Funktion noch einmal deutlich verbessern und sie integrieren in unsere Apps. Was danach kommt, kann ich noch nicht sagen. In drei bis sechs Monaten werden andere die Funktionen, die wir derzeit anbieten, ebenfalls haben. In der Suchmaschinen-Industrie ist gerade ein so starker Wettbewerb, dass man seine Ideen besser für sich behält.

Kann man sich das nicht mit Patenten schützen?

Ja, und das werden wir auch tun. Offen gesagt finde ich das aber ziemlich nervig. Ohne geht es nicht, damit man seine Erfindung verteidigen kann. Aber es hält uns bei der Entwicklung auf, es kostet Geld und Zeit.

Verdient You.com bereits Geld?

Wir machen bereits etwas Umsatz mit YouWrite, das ist die erste App auf unserer Plattform, für die man nach der kostenlosen Phase Geld bezahlen muss. Damit lassen sich Texte zu unterschiedlichen Themen generieren. Da sehen wir gutes Wachstum. Bei der Suchmaschine haben wir uns erst einmal gegen Werbung entschieden, weil das Kapazitäten binden und uns von der Entwicklung abhalten würde.

Also ist der Umsatz noch überschaubar.

Wie auch die meisten anderen Consumer-Internet-Anbieter wie Facebook, Google, Youtube oder Instagram wollen wir uns erst einmal auf das Wachstum konzentrieren. Wenn man erst einmal genug Nutzer hat, findet man schon einen Weg, Geld zu verdienen. Wenn man so wächst wie wir gerade, verändert sich ein Businessplan ohnehin komplett.

You.com hatte starkes Wachstum – aber der direkte Widersacher ist ungleich größer. Wie konkurriert man mit Google?

Das ist sehr schwer, deshalb haben viele Investoren, mit denen wir gesprochen haben, auch erst einmal abgesagt. Das klappt nur über Partnerschaften, bei der Browser-Alternative Vivaldi zum Beispiel lässt sich You.com bereits als Suchmaschine auswählen. Aber die meisten Menschen ändern die Grundkonfiguration ihres Handy oder Laptop nie. Deswegen zahlt Google jedes Jahr auch zweistellige Milliardensummen, um die Standardsuchmaschine zu sein. Das können wir uns natürlich nicht leisten.

Wie willst du es dann schaffen?

Im Bereich Chat sieht es zum Glück ganz anders aus. Hier passiert gerade sehr viel, neue Angebote kommen auf den Markt, Platzhirschen gibt es nicht. Gleichzeitig hat ChatGPT für viel Hype gesorgt, auch You.com konnte deswegen viele neue Nutzer gewinnen. Als Gründer im Consumer-Bereich hoffst du natürlich immer, solch ein virales Wachstum hinzubekommen. Jetzt surfen wir die Welle und schauen, wie lange es anhält.

Du sprichst von You.com gerne als Konsumenten-Firma. Ließe sich mit Firmenkunden nicht einfacher Geld verdienen?

Sag niemals nie. (lacht) Aber unser Fokus ist es derzeit nicht. Letztlich ist es eine offene Plattform. Und wenn jemand eine Integration etwa zu Notion oder Slack entwickelt, lässt sich das in Unternehmen natürlich genauso nutzen.

Sprachbasierte KI erlebt gerade einen echten Hype. Gibt es daher auch viel Konkurrenz im Markt?

Ja, der Wettbewerb ist unglaublich. Es gibt sehr, sehr viele kleine Suchmaschinenangebote, die gerade entwickelt werden. Mit den neuen Möglichkeiten von KI und Sprachmodellen lassen sich ganz neue Angebote entwickeln. Und der Kampf ist hart. Jeden Tag versucht jemand, in unsere Systeme einzudringen und unsere Ideen zu klauen. Deswegen verrate ich auch nicht gerne, was wir konkret als nächste Schritte planen.

Du sprichst von vielen kleinen Angeboten. Spielen die Großen – Google oder Microsoft – denn keine Rolle mehr?

In drei bis sechs Monaten werden die sicherlich auch mit eigenen KI-basierten Angeboten nachziehen. Aber derzeit kommt die Innovation eher aus kleinen Teams. Der große Vorteil, auch von You.com, ist, dass wir alle bei null anfangen. Das eröffnet die Möglichkeit, grundlegend Neues zu entwickeln.