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Türkische Ökonomen erwarten „starkes Signal“ der Zentralbank

Die türkische Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt: Die Zentralbank muss entscheiden, mit welcher Geldpolitik sie eingreifen will.

Die türkische Zentralbank muss an diesem Mittwoch erneut zwischen Pest und Cholera entscheiden: Sollen die türkischen Währungshüter die Leitzinsen erhöhen, um die grassierende Inflation einzudämmen? Oder sollen sie die Zinsen senken, um die strauchelnde Wirtschaft anzukurbeln?

Internationale Beobachter bestehen beharrlich darauf, dass die seit September auf 24 Prozent angehobenen Leitzinsen abermals angehoben werden sollten. Türkische Experten glauben allerdings, dass die Zentralbank in diesem Monat die Füße still hält. Im Juli sollen die Leitzinsen dann deutlich sinken – um bis zu fünf Prozentpunkte.

Maßgeblich dafür sind türkischen Ökonomen zufolge Vorgaben aus den USA. Die US-Notenbank Fed könnte in den kommenden Monaten die Leitzinsen senken, um einer globalen wirtschaftlichen Abkühlung entgegenzutreten. Eine Zinssenkung in den USA könnte die Konjunktur in der Türkei stärken, was wiederum die Währung stabilisieren und die Inflation senken würde.

Der Realzins in der Türkei, also die Differenz zwischen Leitzins und der Inflation, würde damit steigen, meint Banu Kivci Tokali, Chefanalystin von Halk Invest, der Investmentsparte der staatlichen Halkbank. „Davon würden vor allem Schwellenländer wie die Türkei profitieren.“ Das bedeutet Tokali zufolge: Es entsteht Raum für eine Zinssenkung.

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Weil in der Metropole Istanbul am 23. Juni eine Kommunalwahl wiederholt wird, geht Tokali davon aus, dass beim Notenbank-Meeting an diesem Mittwoch keine Entscheidung gefällt wird. Stattdessen hofft sie auf ein rhetorisches „starkes Signal“ für das nächste geplante Treffen der Geldwächter im kommenden Monat.

Dieses Signal könnte wie folgt aussehen: Die Notenbank hält die Füße still und lässt den Leitzins erst einmal bei 24 Prozent. In der Begründung könnte sie allerdings klarstellen, dass sie Raum für eine Zinssenkung sieht. Oder, wie bei Zentralbanken üblich, etwas verklausulierter: Dass die Zentralbank weniger Druck bei der Inflation sieht und sich Optionen offenhalte, die wirtschaftliche Entwicklung weiter anzukurbeln.

Die Türkei und ihre Wirtschaft befinden sich derzeit in einem Strudel schlechter Vorzeichen. Die Weltwirtschaft trübt sich ein, auch in Deutschland gehen die Erwartungen an das BIP-Wachstum zurück. Die Preissteigerungen liegen in der Türkei derzeit bei rund 20 Prozent, für Lebensmittel und einige Industrieprodukte sind sie höher. Wer ein Auto mit einem Kredit abbezahlen will, zahlt im Schnitt 33 Prozent Zinsen. Die Nachfrage nach Neufahrzeugen ist zwischen Januar und Mai verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um die Hälfte geschrumpft.

Zentralbank bekämpft Inflation mit umstrittenen Maßnahmen

Dagegen befindet sich die türkische Wirtschaft seit Oktober 2018 in einer technischen Rezession. Im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreszeiträumen schrumpft das Bruttoinlandsprodukt des Landes. Wichtige Indikatoren wie die Industrieproduktion sehen allerdings nicht schlecht aus, auf Monatssicht war das BIP zuletzt kurzzeitig auch wieder angestiegen,

Im Mai sackte zum wiederholten Mal der Wechselkurs der türkischen Lira ab. Die Währung des Landes hat binnen zwei Jahren zum US-Dollar zwei Drittel an Wert verloren. Dadurch verteuern sich Einfuhren, die wiederum die Inflation erhöhen.

Die Zentralbank steuerte mit mehreren Maßnahmen dagegen, manche davon umstritten: So setzte sie zeitweise den Handel mit Fremdwährungen aus und besteuerte ihn anschließend unter gewissen Bedingungen. Bei einem zweiten Währungsschock setzte die Bank kurzerhand den Leitzins aus und verwies Banken auf ein anderes Zinsvehikel, das rund zwei Prozentpunkte teurer war – eine temporäre Zinserhöhung durch die Hintertür.

Der Wirtschaft hat es offenbar geholfen. „Die Maßnahmen haben der Wirtschaft und den Banken Luft verschafft“, ist der Ökonom Haluk Bürümcekci überzeugt. Er geht davon aus, dass die Notenbank zum Ende des Jahres den Leitzins um 4,5 bis 5 Prozentpunkte absenken wird, runter auf bis zu 19 Prozent.

Die Notenbank sieht die Talsohle offenbar bereits erreicht. Schon bei der jüngsten Leitzinsentscheidung Ende April erklärten die Geldwächter, sie sähen eine „Ausbalancierung“ und einen Trend zur Erholung der Wirtschaft. Dazu zählt auch die schwache inländische Nachfrage, die die Inflation im Land eindämme. Schon damals rechneten einzelne Ökonomen und Analysten damit, dass die Zentralbank die Zinsen schon bald senken könnte.

Auch Nilüfer Sezgin, Chefökonomin bei der Is-Bank, glaubt jetzt an die Strategie, nach den Kommunalwahlen die Zinsen zu senken. Sie hätte normalerweise schon früher damit gerechnet, dass die Zentralbank die Zinsen senkt, um die Wirtschaft des Landes anzukurbeln. „Doch die Zentralbank musste um Glaubwürdigkeit werben, dass sie bei Bedarf eine straffe Geldpolitik von der Regierung einfordern kann.“ Dies sei ihrer Meinung nach geschehen. Für das Ende des Jahres rechnet sie mit einem Leitzins in Höhe von 20 Prozent – vier Prozentpunkte unter dem jetzigen Wert.

Mehr: Investoren spekulieren auf eine rasche Zinssenkung in den USA. Lesen Sie hier, warum Anleger zu viel Vertrauen in die Fed haben könnten.