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Superheldin im Wartestand – wie die Jobbörse für Mütter wieder durchstarten will

Bis Mitte März boomte die Jobplattform „Superheldin“ für Mütter. Mit Corona brach das Geschäft ein. Nun hofft die Gründerin auf einen Neustart.

Es war der Nachmittag des 13. März 2020, als die Welt von Sandra Westermann aufhörte, sich zu drehen. Erst rief der Kindergarten bei der 39-Jährigen an. Sie möge ihre Tochter bitte umgehend abholen, die Einrichtung werde wegen des Coronavirus sofort geschlossen.

Als die Unternehmerin wieder zu Hause war, hatten auch ihre Kunden die Rollläden heruntergelassen. Viele Firmen hätten „schlagartig auf ‚Pause‘ gedrückt“, erinnert sich die Gründerin von Superheldin, eines Online-Jobportals speziell für Mütter.

Die Pandemie hat die Unternehmerin ins Mark getroffen. Denn wer braucht schon neue Mitarbeiterinnen, wenn der Betrieb stillsteht? Superheldin war bis zu diesem für ganz Deutschland schicksalhaften Freitag Mitte März ein aufstrebendes Start-up. „Wir hatten einen unfassbar guten Start ins Jahr“, sagt Westermann. Unter bis zu 100 Stellen hätten Mütter bis dahin jeden Tag auf ihrer Internetseite wählen können. Inzwischen sind es nur noch halb so viele.

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Vor gut einem Jahr ist Superheldin ans Netz gegangen. Eine Jobbörse, auf der Firmen Stellen anbieten, die besonders gut für Mütter geeignet sind. Das heißt: Die Frauen können den Arbeitsort flexibel bestimmen und auch die Arbeitszeiten. Die Idee sei ihr gekommen, als sie selbst auf Jobsuche gewesen sei, sagt Westermann. Es habe sich als äußerst schwierig erwiesen, einen Arbeitsplatz zu finden, der ihren Bedürfnissen als Mutter entsprochen habe.

Mit Coca-Cola, Vattenfall und Deloitte seien schnell große Konzerne mit dabei gewesen, erzählt sie. Ihr Geschäftsmodell: Die Kunden schalten digitale Anzeigen und sorgen so für Umsatz der kleinen Firma mit ihren vier Mitarbeiterinnen. Zudem verdient Westermann Geld mit Unternehmensporträts auf ihrer Seite. Rund 1000 Stellen hätten Unternehmen seit dem Start auf ihrer Onlineseite ausgeschrieben.

Ihre Kunden schätzen das Angebot, gezielt junge Frauen anzusprechen. „Wir wollen Müttern eine Chance geben, nach der Geburt der Kinder langsam wieder ins Berufsleben einzusteigen“, sagt Ceyda Avunduk, Gründerin von Littlehipstar, einem Onlineshop für Baby- und Kindersachen. Sie seien leidenschaftlich und motiviert bei der Sache und würden richtig „brennen für die Marke“. Eine Ausschreibung über Superheldin habe zu 40 Bewerbungen und vier Einstellungen geführt.

Eltern gelten als effizient

Gute Erfahrungen hat auch Harald Beuß gemacht, geschäftsführender Gesellschafter der Vermögensverwaltung Heysenberg. „Wir haben fünf Monate versucht, eine vakante Stelle über diverse Jobportale zu besetzen. Bei Superheldin sind wir schließlich erfolgreich fündig geworden und glücklich mit unserer Entscheidung.“

Er sieht Eltern grundsätzlich als gut geeignet für Stellen in seinem Haus an: „Sie kennen ihre Prioritäten und sind sehr effizient. Zusätzlich sind sie meist gut ausgebildet und lebenserfahren. Gerade in unserer Branche, in der man viel mit vermögender Klientel zu tun hat, sind diese Eigenschaften wichtig.“

Unternehmerin Westermann glaubt, dass es für Firmen große Vorteile hat, auf die Anforderungen von Müttern einzugehen. Das sorge sowohl für eine positive Außenwahrnehmung als auch dafür, die Mitarbeiterinnen an sich zu binden. Außerdem würde es nichts kosten, familienfreundlich zu sein.

Ähnlich sieht das Chris Rittmann, Personalchef des Berliner Fernwärmegeschäfts von Vattenfall. Die Sparte beschäftigt rund 1700 Mitarbeiter. „Wenn Vorgesetzte, die beispielsweise einen oder mehrere feste ‚Kindertage‘ haben, an denen sie schon am frühen Nachmittag gehen, ihre Kinder abholen und etwas mit ihnen unternehmen, hat das eine positive Wirkung auf die Mitarbeiter im Umfeld, es ihnen gleichzutun.“

Es ist nicht das erste Start-up, das Westermann gegründet hat. Vor zehn Jahren gründete sie, quasi nebenher, ein Label für Laptop-Taschen aus Harris-Tweed. Damals war sie noch in der Fernsehbranche als Produktionsleiterin tätig und dort für die Budgets und alle organisatorischen Aufgaben von der Teamsuche bis zur Umsetzung der Dreharbeiten verantwortlich. 15 Jahre verbrachte sie in der Medienindustrie.

Heute sucht sie mitunter Leute für ihre frühere Branche. Einer der Inserenten auf Superheldin ist Jobst Benthues, der Geschäftsführer von Redseven Entertainment, einem Tochterunternehmen von Pro Sieben Sat 1.

Der Medienmanager findet Mütter gut: „Wir schätzen an Müttern bei uns im Unternehmen, dass sie hinter Dingen einen Punkt machen können, weil ihr Arbeitstag begrenzt ist. Deshalb bemühen wir uns sehr um familienfreundliche Individuallösungen, und bieten Gleitzeitmodelle und die Bezuschussung von Kindergartenplätzen an.“

Westermann rechnet fest damit, dass die Firmen in nächster Zeit wieder mehr Stellenanzeigen schalten; nun, da die deutsche Wirtschaft wieder aus dem Koma erwacht. „Ich hoffe, dass wir im Spätsommer da anknüpfen können, wo wir im Februar waren“, sagt Westermann. Ursprünglich wollte sie gegen Ende des Sommers in die schwarzen Zahlen kommen, wegen Corona werde es nun wohl Dezember werden, fürchtet sie.

Wenn ihre Pläne aufgehen, werden die Mütter dann jederzeit unter 1000 verschiedenen Jobs auf Superheldin auswählen können. Das ist zwar nur ein Bruchteil des Angebots auf großen Portalen wie Stepstone, Meinestadt.de, oder Monster. Dafür sind alle Offerten für Mütter geeignet.

Virtuelle Kinderbetreuung

Die Signale der Wirtschaft sind ermutigend, und offenbar wollen viele Firmen an ihrem familienfreundlichen Kurs trotz Krise festhalten. „Wir leben Diversität und schreiben deshalb unter anderem alle unsere Ausbildungsplätze und dualen Studiengänge seit einiger Zeit auch in Teilzeit aus“, sagt Jens Bielmann, verantwortlich für Employer Branding und Talent Management bei Coca-Cola European Partners Deutschland. „Mit dem Jobportal Superheldin haben wir eine Plattform gefunden, zu der unsere familienfreundlichen Teilzeitstellen sehr gut passen.“

Als Gründerin kann sich Westermann die Arbeitszeiten selbst einteilen. Das war in den vergangenen Wochen auch nötig. Denn der Kindergarten ihrer vierjährigen Tochter war geschlossen, und so musste sie als Selbstständige genau dieselbe Flexibilität beweisen, die sie von den Arbeitgebern einfordert, die bei ihr inserieren.

Auf ihrer Webseite organisierte sie unterdessen über den Videodienst Zoom eine virtuelle Kinderbetreuung. Montags, mittwochs und freitags konnte sie – und viele ihrer Kundinnen – ihre Tochter einmal ohne schlechtes Gewissen vor den Bildschirm setzen und nebenher ruhig arbeiten. Die Kleinen wurden von einer Erzieherin aus der Ferne unterhalten.

Der März mit dem Ausbruch der Coronakrise wird Westermann aber nicht nur in schlechter Erinnerung bleiben. Denn es war auch der Monat, in dem sie ihre erste Investorin an Bord geholt hat. Zuvor waren es Freunde und Familie gewesen, die ihr einen sechsstelligen Betrag zur Verfügung gestellt hatten. Nun beteiligte sich Silke Christmann, selbst Mutter von zwei Töchtern und Medientrainerin von Managern, Profisportlern und Schauspielern.

„Ihr junges Unternehmen steht am Anfang einer großartigen Entwicklung. Ich bin zutiefst von Superheldin überzeugt“, sagt Christmann. Es sei kein Zufall, dass sie Geld in die junge Firma stecke. Denn es gehe ihr auch darum, etwas in der Wirtschaft zu bewegen: „Ich investiere in Superheldin, weil Empörung eben nicht reicht. Weil Töchter auch Mütter sein werden, und weil sich noch viel ändern muss.“