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Suizid eines abgeschobenen Afghanen überschattet Seehofers EU-Diplomatie

Die Rückkehr in die Bundespolitik sollte Seehofers politische Laufbahn vollenden. Stattdessen droht er die Anerkennung zu verspielen, die er in fast 40 Jahren als Berufspolitiker erworben hatte.

Nicht alle Fakten sind bekannt, aber was bekannt ist, reicht, um den Bundesinnenminister in Erklärungsnot zu bringen. Am 4. Juli sind zwei Dinge geschehen. Deutschland hat 69 Afghanen abgeschoben, und Horst Seehofer hat seinen 69. Geburtstag gefeiert.

Von diesem Zufall weiß man, weil Horst Seehofer ihn selbst hervorgehoben hat – mit einem Grinsen. „Das war von mir nicht so bestellt“, witzelte er, als er sich am Dienstag der Hauptstadtpresse stellte. Der Scherz misslang, niemand lachte, aber die Botschaft, die er transportieren sollte, war natürlich klar: Deutschland macht ernst, die Asylwende hat begonnen. Seehofer wirkt.

Nun hat sich einer der abgeschobenen Afghanen kurz nach seiner Ankunft in Kabul erhängt. Offenbar war er 23 Jahre alt und hatte acht Jahre in Deutschland gelebt. Seehofer hat die nächste Kontroverse entfacht. Rücktrittsforderungen prasseln auf den Innenminister ein.

Ja, Seehofer wirkt. Und zwar zynisch, herzlos, seines Amts unwürdig – das jedenfalls sagen seine Kritiker. Es werden täglich mehr. Nicht nur die Opposition, auch die SPD, der Koalitionspartner der Union, hat die Geduld mit Seehofer verloren.

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Dabei sollte es eigentlich mal nicht um ihn gehen, sondern um die Sache. Die ist ja komplex genug. Bei ihrem Treffen im kitschig-schönen Innsbruck wollen die europäischen Innenminister über die Asylpolitik beraten. Seehofer ist erstmals dabei, beim letzten EU-Treffen ließ er sich von seinem Staatssekretär Stephan Mayer vertreten.

Dieses Mal ist Europa Chefsache. Der Berliner Koalitionskompromiss, den Seehofer – je nach Lesart – der Kanzlerin abringen konnte oder schlucken musste, sieht vor, dass Deutschland eine „Koalition der Willigen im Kampf“ gegen die „Sekundärmigration“ schmiedet.

Gemeint ist ein Bündnis von europäischen Staaten, die die Binnenwanderung von Flüchtlingen in Richtung der Bundesrepublik einschränken wollen. Dafür muss Seehofer Vereinbarungen mit Deutschlands Nachbarländern, vor allem aber mit Italien und Griechenland treffen, die nach den europäischen Asylregeln, dem Dublin-System, als Ankunftsländer für die meisten Flüchtlinge zuständig sind.

Leicht wird das nicht. Vor allem Italien hat kein Interesse daran, Deutschland Flüchtlinge abzunehmen. Dublin hin oder her. Dort zieht Matteo Salvini, der Chef der fremdenfeindlichen Lega Partei, als Innenminister und Vizepremier die Fäden. Ihn trifft Seehofer schon am Vorabend des Gipfels. Im Innenhof eines Luxushotels treten sie nachher vor die Kameras. „Positiv“, so bewertet Salvini das Kennenlernen. Seehofer fügt an, dass der „Geist des heutigen Gesprächs“ auf eine Lösung hoffen ließe.

Doch das Interesse der Journalisten gilt dem Abschiebespruch. Ob er ihn inzwischen bereue, wird Seehofer gefragt. Der Minister will sich erklären, den Tod des Afghanen bezeichnet er als „zutiefst bedauerlich“. Doch dann nähert sich ein Hubschrauber mit lärmenden Rotoren, und von Seehofers Sätzen bleiben nur noch Wortfetzen übrig.

Es ist eine besondere Tragik, die Seehofer seit Wochen umgibt. Als Innenminister wollte sich der CSU-Chef ein Denkmal setzen, die Rückkehr in die Bundespolitik sollte seine politische Laufbahn vollenden. Stattdessen droht Seehofer die Anerkennung zu verspielen, die er sich in fast 40 Jahren als Berufspolitiker erworben hatte. Er produziert täglich Schlagzeilen, ständig neue Kontroversen, aber wenig Ergebnisse – das ist die Bilanz nach inzwischen mehr als 100 Tagen.