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Der Streit um Huawei wird zur Vertrauensfrage zwischen Deutschland und den USA

Richard Grenell ist zwar US-Botschafter in Berlin, aber kein Diplomat, das hat er mehrfach bewiesen. Deutschen Unternehmen, die im Iran Geschäfte machen, drohte er „ernsthafte Konsequenzen“ an, sollten sie sich der Sanktionspolitik der USA widersetzen. Firmen, die sich am Pipeline-Projekt Nord Stream 2 beteiligen, warnte er in einem Brief.

Nun ist es ein Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der in Berlin Irritationen und Empörung auslöst: „Lieber Minister Altmaier“, so steht es in dem Schreiben, „ich würde Sie gern auf meine Bedenken aufmerksam machen, was den Ausbau des 5G-Netzwerks angeht.“ Sollte Deutschland den chinesischen Konzern Huawei beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes beteiligen, könne der Austausch von Geheimdienstinformationen und anderer Daten nicht mehr im bisherigen Umfang erfolgen.

Auch das ist eine offene Drohung. Dieses Mal trifft sie Deutschland in einem Bereich, der besonders sensibel ist: der inneren und äußeren Sicherheit. Die USA stellen die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten offen infrage, so muss die Bundesregierung die Ausführungen Grenells verstehen – und fast jeder Experte weiß, dass Deutschland auf die US-Geheimdienste angewiesen ist, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten.

Geht es doch um frühzeitige Hinweise auf mögliche Terrorattacken wie den im vergangenen Jahr vereitelten Bombenanschlag in Köln. Erst im Februar hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung des neuen BND-Hauptquartiers in Berlin daran erinnert, wie wichtig der transatlantische Draht in Sicherheitsfragen ist.

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Kampf um die geopolitische Dominanz

Wieder zeigt sich: Huawei steht im Zentrum eines Kampfs um die geopolitische Dominanz zwischen den USA und China. Die Amerikaner fordern Gefolgschaft, die Volksrepublik droht mit Gegenschlägen. Und Europa steht zwischen den Fronten Entsprechend verärgert reagierten Koalitionspolitiker auf Grenells Drohbrief. „Es ist nicht das erste Mal, dass sich der amerikanische Botschafter auf direkte Weise in die deutsche Politik einmischt“, sagte SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dem Handelsblatt.

„Wir benötigen jedoch keine Belehrungen; und Drohungen sind in der Politik generell nicht hilfreich.“ Regierung und Parlament seien sich der Sicherheitsproblematik bei der 5G-Lizenzvergabe bewusst. Ähnliche Stimmen kommen aus der CDU. Die Bundesregierung sei absolut in der Lage, die „sicherheitspolitischen Fragestellungen souverän zu bewerten“, betonte Tankred Schipanski, digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „Schriftliche Ratschläge eines Botschafters an unseren Wirtschaftsminister sind dabei entbehrlich und auch kein guter Stil.“

Bei aller Aufregung ist äußerst unwahrscheinlich, dass es in der Geheimdienstkooperation mit den Amerikanern zum Bruch kommt. Erstens zählt diese zu den wenigen Feldern der transatlantischen Partnerschaft, die die Trump-Präsidentschaft bisher unbeschadet überstanden haben. Und zweitens ignoriert Grenell, dass sich die deutsche Debatte langsam, aber stetig auf einen Ausschluss von Huawei hinentwickelt.

Seit Monaten wird in der Bundesregierung über den richtigen Umgang mit dem chinesischen Netzwerkausrüster diskutiert. In der vergangenen Woche veröffentlichte die dem Bundeswirtschaftsministerium nachgeordnete Bundesnetzagentur Eckpunkte für die neuen Sicherheitsanforderungen für den 5G-Aufbau. Sie sehen unter anderem vor, dass Netzbetreiber den Verkehr in ihren Netzen ständig auf Auffälligkeiten überprüfen müssen.

Kritische Kernkomponenten dürfen zudem nur von „vertrauenswürdigen“ Herstellern bezogen werden. Nach den neuen Regeln wird zwar kein Anbieter ausgeschlossen. Huawei darf sich weiter um Aufträge bei den Netzbetreibern bewerben. Spielraum könnte allerdings der Zusatz „vertrauenswürdig“ bieten, der bislang noch nicht näher definiert ist. Vor allem das Auswärtige Amt dringt darauf, Huawei und andere chinesische Lieferanten als nicht vertrauenswürdig einzustufen.

Frankreich hat sich noch nicht klar positioniert

Kanzlerin Merkel betonte am Dienstag, dass „die Sicherheit beim 5G-Ausbau zentral“ sei. Sie werde Standards definieren und dann mit den Partnern darüber reden: „Das ist selbstverständlich.“ Doch so selbstverständlich ist das nicht. Denn bislang reagieren die europäischen Partner auf die Spionagevorwürfe sehr unterschiedlich.

In Großbritannien wird Huawei von einer Behörde kontrolliert, die auf der Insel „The Cell“ genannt wird: das 2010 gegründete „Huawei Cyber Security Evaluation Centre“ (HCSEC). Dessen Mitarbeiter sollen Huawei-Hardware und -Software auf Risiken überprüfen.

Das klappt aber nicht reibungslos: Im Jahresbericht, der vergangenen Sommer veröffentlicht wurde, hatte das HCSEC-Aufsichtsgremium harsche Kritik an der Zusammenarbeit mit dem chinesischen Unternehmen geübt. Gleichwohl hatte dessen Vorsitzender Ciaran Martin, gleichzeitig Chef der britischen Geheimdienstabteilung für Cybersecurity NCSEC, zuletzt betont, dass die Sicherheitskontrollen Großbritanniens „wohl zu den härtesten und striktesten Vorgaben weltweit“ gehören. Damit deutete er an, dass das Restrisiko begrenzbar ist.

Am Ende ist die Zulassung auch in Großbritannien jedoch keine technische, sondern eine politische Entscheidung. Durch den Druck der USA gerät die britische Regierung immer stärker unter Zugzwang. Für die konservative Regierung in London ist das Thema heikel – aus diplomatischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen.

So sind Produkte des chinesischen Telekomausrüsters schon in den Netzen der Provider BT und Vodafone verbaut. Ende Februar hatte Vodafone-Chef Nick Read auf der Mobilfunkmesse in Barcelona gewarnt: Würden Huawei-Produkte in Großbritannien verboten, hätte das Kosten in dreistelliger Millionenhöhe zur Folge.

Aber es sind nicht nur wirtschaftliche Faktoren, welche die britische Regierung abwägen muss: Schließlich versucht sie, in Vorbereitung auf die Zeit nach dem Brexit außerhalb der EU neue Partner zu gewinnen. Ein Bann von Huawei könnte den wichtigen Handelspartner China vergraulen. Aber auch mit den nicht minder wichtigen USA kann London keinen Streit gebrauchen. Insbesondere, weil britische und amerikanische Geheimdienste durch das „Five Eyes“-Abkommen eng verbunden sind.

Auch Frankreich hat sich noch nicht klar positioniert. Zwar hat die französische Regierung die Überwachung von ausländischen Investitionen in strategisch wichtigen Unternehmen verschärft. Doch in der Realität ist Huawei davon bislang nicht betroffen. Die großen Telekommunikationsunternehmen Bouygues und SFR verhandeln mit Huawei über die Infrastruktur für das 5G-Netz.

Und der Autohersteller Peugeot-Citroën, an dem sogar der Staat beteiligt ist, hat schon 2017 einen Rahmenvertrag mit Huawei abgeschlossen, der von den französischen Medien als „Durchbruch für Huawei in der Autoindustrie“ bezeichnet wurde. Die Daten von PSA-Autos werden auf Huawei-Servern gespeichert. Im April 2018 stellten die beiden Firmen ihr erstes gemeinsames „Connected Car“ vor.

Huawei wehrt sich

Die US-Regierung dagegen will Huaweis Expansion zurückdrängen. Im Herbst zeichnete Trump eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze ab. Seitdem ist es US-Regierungsbehörden verboten, Technik von Huawei und des kleineren chinesischen Rivalen ZTE einzusetzen. Anbieter wie Verizon und AT & T boykottieren Huawei schon.

Ein Bericht des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus ist zu dem Schluss gekommen, Huawei stelle „ein erhebliches Risiko” dar, und empfahl eine Blockade der Produktpalette. Im vergangenen Jahr eskalierte der Konflikt, als Washington Huaweis Finanzchefin Meng Wanzhou beim Umsteigen am Flughafen von Vancouver festnehmen ließ.

Parallel haben US-Staatsanwälte in Seattle und New York Strafanzeigen gegen Huawei eingereicht. Die Vorwürfe: Der Konzern soll Geschäftsgeheimnisse im Zusammenhang mit einer Kooperation mit T-Mobile ausspioniert sowie US-Sanktionen umgangen haben. Beides weist Huawei zurück.

Das Unternehmen wehrt sich: Vor ein paar Tagen hat es die US-Regierung verklagt, um gegen das Beschaffungsverbot für Behörden vorzugehen. Zudem startet es eine PR-Offensive. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Westeuropa-Chef Vincent Pang. Nach eigenen Angaben hat er sich zuletzt mit mehr als 200 Politikern getroffen. Hauptsächlich sei er damit beschäftigt, ihnen zu erklären, wer Huawei ist und was es tut.

Man versuche, transparenter zu werden und den Ängsten rund um Cybersicherheit zu begegnen, sagte er dem Handelsblatt in der Huawei-Zentrale in Shenzhen. Über den Brief des US-Botschafters schüttelt er nur den Kopf: „Meiner Meinung nach sollte ein Land nicht seine politische Macht einsetzen, um einem kommerziellen Unternehmen zu schaden. Damit gehen die USA zu weit.“