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Von einer stolzen Airline zum Pleiteflieger

Der Verkauf von Niki muss wegen eines Gerichtsentscheids neu aufgerollt werden. IAG könnte als Käufer abspringen. Die verkorkste Verwertung der Air-Berlin-Tochter kennt nur Verlierer. Eine Analyse.

Es ist der GAU für Insolvenzverwalter Lucas Flöther und den deutschen Gläubigerausschuss der Air Berlin-Tochter Niki: Das österreichische Landesgericht Korneuburg nimmt für sich in Anspruch, dem deutschen Insolvenzverwalter die Verantwortung für die Abwicklung und Verwertung der insolventen Airline vollständig entziehen zu können. Das geht aus der schriftlichen Begründung des Gerichts hervor. Darin formulieren die Richter mit klaren Worten, dass „allein Rechtsanwältin Dr. Ulla Reisch zur Vertretung der Masse legitimiert“ ist. Reisch ist die vom Landgericht in Korneuburg am Freitag vergangener Woche neu berufene Verwalterin für Niki, die ein neues Haupt-Insolvenzverfahren für die Airline organisieren soll.

Doch auch wenn das aus Sicht von Flöther rechtlich gar nicht möglich ist: Der Gerichtsentscheid hat zur Folge, dass die britisch-spanische Airline-Holding IAG nun alles mit der österreichischen Insolvenzverwalterin Reisch neu verhandeln, wenn sie wie geplant wesentliche Vermögenswerte von Niki erwerben will. Denn nach dem Beschluss der Richter in Korneuburg steht fest: Der mit dem deutschen Verwalter Flöther vereinbarte und vom deutschen Gläubigerausschuss abgesegnete Kaufvertrag zählt nicht mehr – zumindest nicht in den Augen der Richter in Österreich.

Der große Verlierer des schwer nachvollziehbaren Kompetenzstreits könnten die rund 1000 Mitarbeiter von Niki sein. In der Luftfahrtbranche wird nicht mehr ausgeschlossen, dass die zur IAG gehörende Billigairline Vueling – sie will die Niki-Teile übernehmen – bald die Reißleine zieht und vom Kaufvertrag zurücktreten wird. Auch Flöther sieht diese Gefahr: „IAG und Vueling zeigen zwar erhebliche Geduld und guten Willen, doch muss jeder verstehen, wenn dieser Investor irgendwann von seinem vertraglichen Recht Gebrauch macht, vom Kaufvertrag zurückzutreten“, warnt er eindringlich. Möglich ist dass, denn der Vertrag enthält eine Klausel, die das erlaubt, sobald ein anderer Verwalter berufen wird.

Tatsächlich wurden der IAG durch den Beschluss der österreichischen Richter gleich mehrere zusätzliche Hürden in den Weg gestellt. Erstens wird der Bieterprozess neue aufgerollt, sprich IAG hat die Exklusivität über die Verhandlungen verloren. Niki-Gründer Niki Lauda hat gegenüber dem Handelsblatt bereits eine neue Offerte angekündigt. Zweitens muss die IAG nun nicht nur neu mit einer weiteren Verwalterin verhandeln. Deren Entscheidung muss dann auch noch von einem neuen Gläubigerausschuss in Österreich abgesegnet werden.

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Der ist anders zusammengesetzt als der bisherige Ausschuss in Deutschland. So haben etwa österreichische Kreditschutzverbände, Arbeitnehmervertretungen und auch ein Ableger des Fluggastrechte-Portals Fairplane dort Sitze. Das Portal hatte mit seiner Klage den Kompetenzstreit um die Niki-Insolvenz ausgelöst.

Das kostet wertvolle Zeit und vor allem Geld. Um den Flugbetrieb möglichst schnell wieder aufnehmen zu können, ist ein Minimalbetrieb von Niki notwendig. Den finanziert zurzeit vorübergehend die IAG mit 16,5 Millionen Euro – allerdings verbunden mit der Aussicht, die begehrten Vermögenswerte der Airline am Ende auch zu bekommen. Diese Chance ist aber in den zurückliegenden Tagen deutlich gesunken. In der Branche würde es deshalb keinen überraschen, sollte die IAG in den nächsten Tagen jegliche Zahlungen an Niki einstellen. Dann müsste der Betrieb eingestellt werden.

„Insbesondere der nach Anordnung des Landesgerichts Korneuburg durchzuführende Investorenprozess birgt das ernste Risiko, dass alle Beteiligten am Ende mit leeren Händen dastehen, weil einfach die Zeit und das Geld fehlen, um einen neuen Erwerber zu finden“, warnt Flöther. Um das zu vermeiden, schlägt er einen Kompromiss vor. Sollte die österreichische Verwalterin dem Kaufvertrag mit der IAG rasch zustimmen, stünde er „im Rahmen einer vernünftigen Lösung der Eröffnung eines deutschen Sekundärinsolvenzverfahrens nicht im Wege.“ Sprich: Das Hauptverfahren soll dann einzig und alleine in Österreich stattfinden, Flöther würde nur die deutschen Teile der Insolvenz managen.

Ob ein solcher Kompromiss möglich ist, ist allerdings fraglich. Denn im Fall Niki prallen die Rechtssysteme zweier Nationen aufeinander. Die Richter in Österreich haben in ihrer Begründung unmissverständlich deutlich gemacht, dass Flöther das Verfahren entzogen wurde. Er darf nicht mehr im Namen der Gläubiger bei Niki Entscheidungen treffen – er kann sich nicht mal juristisch gegen die Entscheidung der Österreicher Richter wehren.

Flöther verweist allerdings darauf, dass er gesetzlich verpflichtet sei, „seinen Aufgaben als vorläufiger Insolvenzverwalter unverändert nachzukommen, sonst würde er sich haftbar und gegebenenfalls auch strafbar machen.“ Zudem befänden sich 80 Prozent der Vermögenswerte in Deutschland. „Diese stehen also überhaupt nicht in der Verfügung der österreichischen Masseverwalterin Dr. Ulla Reisch, so dass diese ihrem gerichtlichen Auftrag, kurzfristig einen neuen Investorenprozess aufzusetzen, allenfalls eingeschränkt nachkommen kann.“

Die völlig verkorkste Verwertung der Air Berlin-Tochter kennt schon jetzt nur Verlierer. Der erste Bieter, die Lufthansa, versenkte für die Aufrechterhaltung des damals noch nicht insolventen Flugbetriebs von Niki 70 Millionen Euro, musste aber wegen kartellrechtlicher Bedenken der EU einen Rückzieher machen. Die IAG hat 16,5 Millionen Euro in die Betriebssicherung gesteckt, die bei einem Scheitern des Verkaufs wohl auch weg wären. Und die Bundesregierung beziehungsweise der deutsche Steuerzahler muss 75 Millionen Euro abschreiben, weil die Besicherung des Staatskredits für Air Berlin mit der Niki-Pleite wertlos geworden ist.

Zudem wurde aus einer wertvollen und flugfähigen Airline – Lufthansa hatte diese immerhin mit 190 Millionen Euro bewertet – eine Pleitefirma, für die es wohl nur noch 20 Millionen Euro geben wird – sofern der IAG-Deal doch noch klappen sollte. In der Luftfahrtbranche wird deshalb erwartet, dass der Insolvenzfall Niki noch juristisch aufgearbeitet werden wird. Für die Protagonisten des Kompetenzgerangels könnte das noch unangenehm werden.