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„Die Stiftung bietet doppelten Schutz“

Wer Heinz Junkers Büro im obersten Stock der Stuttgarter Mahle-Zentrale betritt, dem fällt sofort das etwa zwei Meter große Modell eines Formel-1-Rennwagens von Ferrari ins Auge. Es ist das Weltmeisterauto 2003 von Michael Schumacher. Mit großen Augen berichtet der Mahle-Aufsichtsratsvorsitzende vom Innenleben des Rennwagens: „Der Kolben stammt natürlich von uns“, sagt Junker, „und noch ein paar schöne Dinge mehr.“ Mahle gehört mit der Herstellung von Kolben und Kühlsystemen zu den Großen der Branche: 80.000 Mitarbeiter und 13 Milliarden Euro Umsatz künden davon. Die Firma ist, gemessen an den Erlösen, damit deutlich größer als die Dax-Konzerne Infineon und Beiersdorf.

Herr Junker, die Autoindustrie erlebt gerade den wohl größten Umbruch in ihrer Geschichte. Ist eine Stiftungskonstruktion wie bei Mahle diesem Veränderungsdruck gewachsen?
Absolut, ich habe die Stiftung nie als hinderlich empfunden. Ganz im Gegenteil.

Warum?
Die Stiftung hat als Eigentümerin Anspruch auf eine relativ stabile, aber auch relativ überschaubare Dividendenausschüttung. Der Großteil des Gewinns bleibt gemäß den Gesellschafter-Statuten im Unternehmen. 2017 hat die Mahle Gruppe einen Gewinn nach Steuern von 102 Millionen Euro erwirtschaftet, wovon sechs Millionen Euro an die Stiftung ausgeschüttet worden sind. Es ist zudem nie eine große Stiftungsorganisation aufgebaut worden, die große Summen verschlingt. Denn die Gebrüder Mahle, die das Unternehmen schon 1964 in die Stiftung überführten, wollten explizit, dass sich die Firma weiterentwickeln kann.

Was ist das Spezielle an Mahle?
Dass die Stiftung als Hauptgesellschafter trotz 99,9 Prozent der Anteile nicht die Eigentümerfunktion ausübt. Die Mabeg, also der Verein zur Förderung und Beratung der Mahle-Gruppe, besitzt zwar treuhänderisch nur 0,1 Prozent der Anteile, aber die Gründer haben verfügt, dass die Stiftung der Mabeg sämtliche Stimmrechte überträgt. Diese Trennung von gemeinnütziger Stiftung und industrieller Führung – wie es sie in ähnlicher Form meines Wissens nach nur bei einem anderen deutschen Großunternehmen (Bosch; d. Red.) gibt – halte ich für äußerst sinnvoll. In vielen Stiftungsunternehmen hat die Stiftung das Sagen auch im Unternehmen. Das halte ich für bedenklich, weil bei solchen Konstruktionen die Versuchung groß ist, das Wohl der Stiftung über das des Unternehmens zu stellen.

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Dafür haben bei Ihnen aber einige wenige Mitglieder der Mabeg extrem viel Macht.
Ich würde das nicht als Macht, sondern als Verantwortung bezeichnen. Die Mabeg hat sieben Mitglieder mit hervorragender industrieller und wissenschaftlicher Expertise über alle Fachfunktionen hinweg, die ein Industrieunternehmen benötigt.

Wie sieht die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Mabeg aus?
Die Geschäftsführung ist für die operative Unternehmensführung verantwortlich. Da sollten sich weder Aufsichtsrat noch Mabeg einmischen.

Und die Strategie?
Da gibt es einen intensiven Austausch mit der Mabeg und in der Folge oder zeitgleich mit dem Aufsichtsrat, der bei uns mit 20 Personen paritätisch besetzt ist. Da wird manchmal sehr heftig diskutiert. Deshalb gibt es regelmäßige Strategiesitzungen. Und es gibt auch spezielle Arbeitskreise, die sich mit strategischen Themen beschäftigen.

Was wird da konkret besprochen?
Es geht um Themen wie Produkttechnologien, also: Wo geht die Reise technisch hin. Ähnliches gilt für den Bereich Produktion, wo Themen wie Digitalisierung und Industrie 4.0 diskutiert werden.

Das klingt schon sehr operativ.
Ist es aber nicht. Nochmals: Die operative Verantwortung liegt bei der Geschäftsführung. Aber warum sollte sich die Geschäftsführung bei strategischen Themen nicht des Sachverstands der Mabeg bedienen.

Gibt es bis heute eine Art Erinnerungskultur an die beiden Brüder Mahle, die im Unternehmen gelebt wird, die Vorbild ist?
Das ist eine gute Frage. Ich könnte es mir einfach machen und ja sagen. Es gibt natürlich Gedankengut aus den 50er- und 60er-Jahren, das heute aber anders interpretiert werden muss.

Ernst Mahle hat zum 50. Jubiläum des Unternehmens gesagt, „es kommt darauf an Brüderlichkeit zu verwirklichen, und zwar aus freien Stücken, den Egoismus des Einzelnen sowie den der Organisationen zu überwinden“. Große Worte, wie passt das heute zu Mahle?
Es ist noch immer eine zentrale Aussage. Sie gehört sicher zur DNA des Unternehmens und seiner Führung. Mahle ist bis heute von einer gewissen Bescheidenheit geprägt. Das Unternehmen zeichnet sich darüber hinaus vor allem durch seine Kontinuität und Langfristigkeit aus. Und selbst wenn es wie zu Jahresbeginn einen Wechsel in der Geschäftsführung gibt, dann ändert sich nicht die Strategie und es wird auch nicht gleich alles schwarz, was früher weiß war. Es ist zudem die erklärte Politik, dass die Gewinne weitgehend im Unternehmen bleiben.

Sie haben die Bescheidenheit des Unternehmens betont. Das kann auch zur Zier werden, wenn eine Branche derart im Umbruch ist und es auf Tempo und Risikobereitschaft ankommt, sei es bei der Internationalisierung oder beim Trend zur Elektrifizierung und dem autonomen Fahren?
Sicher, Mahle war lange Zeit, bis in die 80er- und 90er-Jahre, auf die heimische Autoindustrie beschränkt. Wir waren nicht die Ersten in den USA und auch in Japan und China waren wir erst spät. Das haben wir aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten grundlegend geändert und viele überholt. Wir sind heute global sicher mit an der Spitze.

Passt der Begriff des Verantwortungseigentums zu Mahle. Die Firma kann ja nicht ohne Weiteres wie etwa Kuka an Investoren verkauft werden?
Sicher passt das. Die Firma ist praktisch nicht zu verkaufen. Die Stiftung mit ihrer Konstruktion bietet als Ankeraktionär doppelten Schutz. Wer legt schon viele Milliarden Euro auf den Tisch für eine Firma, bei der er nichts zu sagen hat?

Gibt es auch Nachteile der vorhandenen Stiftungskonstruktion, etwa wenn in der teuren Transformation der Branche frisches Kapital benötigt würde. Ein Börsengang ist ja nicht möglich?
Die Nachteile sehe ich nicht. Auch ein Börsengang ist möglich. Es gibt ja auch in der Stiftungskonstruktion die Möglichkeit, einen Geschäftsbereich auszugliedern und an die Börse zu bringen. Aber dazu gibt es keine konkreten Überlegungen.

Wenn Sie jetzt doch ein großes Übernahmeziel hätten. Wie würde das finanziert?
Eine Frage an unseren CFO. Ich würde es konservativ machen: mit Eigenmitteln und Bankkrediten.

Welche Finanzkraft hätten Sie für Zukäufe?
Sicher könnten wir mehrere Hundert Millionen Euro aus eigener Kraft stemmen. Aber man muss überlegen, ob man nicht besser ins eigene Geschäft investiert. Alles ist auch eine Frage der Risikobereitschaft. Mahle hat als Ziel, immer eine Eigenkapitalquote von 40 Prozent zu haben, um Durststrecken überstehen zu können. Auf ein Risiko von 20 Prozent oder weniger kann Mahle verzichten.

Dann bremst die Vorsicht doch?
Nein, bei der Übernahme von Behr hatten wir schon die Freiheit, ein paar Jahre die Eigenkapitalquote abzusenken. Aber wir waren auch in jener Zeit stets bei über 30 Prozent.

Wie sehen Sie den Zustand der deutschen Autoindustrie. Wird sie in zehn Jahren noch die heutige Position haben?
Es gibt da sicher einen Hype, wenn ich an die Aktivitäten der großen Internetkonzerne denke. Denen geht es aber in erster Linie darum: Was macht der Mensch, während er im Auto sitzt? Welche Daten erzeugt er und wem gehören sie? Aber diese Unternehmen wollen keine Autos bauen.

Mit den Daten kann am Ende mehr Geld verdient werden als mit den Autos …
Wir als Mahle mit unseren Ressourcen sind gut beraten, uns auf den Antriebsstrang und das Thermomanagement zu konzentrieren. Die Umstellung auf die Elektromobilität ist anspruchsvoll genug. Inzwischen sind wir in der Lage, alle wesentlichen Komponenten des elektrischen Antriebs abzubilden. Dabei könnten wir unseren Umsatz pro Fahrzeug noch deutlich steigern, wenn es sich um Brennstoffzellen-Antriebe handeln würde. Den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur als Treiber für Brennstoffzellen-Fahrzeuge halte ich für weniger komplex als für batterieelektrische Fahrzeuge.

Sie investieren aber nicht in Batterien.
Wenn andere europäische Hersteller sich nicht an die Herstellung von Batteriezellen wagen, sollten wir auch lieber die Finger davonlassen.

Ist das nicht für die Industrie ein Risiko, die Zelltechnologie, also einen derart wesentlichen Teil der Wertschöpfung den Asiaten zu überlassen?
Ja, klar, aber es ist so. Das finanzielle Risiko, in einen besetzten Markt zu investieren, ist zu hoch, wenn man keinen technischen Wettbewerbsvorteil hat oder dessen Erreichung sehr unsicher ist. Außerdem stellt sich die Frage, ob sich nicht die Zelltechnologie von heute gewaltig von der unterscheidet, die in 10 oder 20 Jahren zur Verfügung steht.

Sie waren früher sehr kritisch gegenüber der Elektromobilität eingestellt. Haben Sie Ihren Frieden mit den Elektroautos geschlossen?
Wer sagt das? Es war nicht so, dass der Elektromotor mein Feind war. Ich habe immer nur gesagt, der Verbrennungsmotor wird nicht binnen weniger Jahre verschwinden. In 20, 30 Jahren wird noch eine große Zahl einen Verbrennungsmotor haben.

Was halten Sie von den Plug-in-Hybrid-Mischantrieben generell?
Da muss man sehr vorsichtig sein. Die angegebenen drei bis vier Liter für einen Geländewagen mit Plug-in-Hybrid-Antrieb haben mit der Realität nichts zu tun. Die wenigsten Nutzer laden alle 30 Kilometer die Batterie auf. Da komme ich statt auf 12 Liter vielleicht auf 10 Liter bei einem SUV. Aber eine Verbrauchsreduzierung auf 3 Liter ist realitätsfern, da der normierte Verbrauchszyklus mit einem normalen Fahrprofil nicht übereinstimmt.

Sie sind seit vier Jahren Chefaufseher. Wie lange werden Sie die Geschicke des Konzerns lenken?
Die Gesellschafter haben mich vor Kurzem für weitere fünf Jahre zum Aufsichtsratsvorsitzenden und zum Vorsitzenden der Mabeg gewählt.

Herr Junker, vielen Dank für das Gespräch.