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Stift, Zettel und Fax: Deutschlands Kampf gegen Corona ist weitgehend analog

Die Coronakrise wirkt als Beschleuniger der Digitalisierung in Ämtern und Behörden, zeigt aber auch schonungslos die Schwächen auf. Gerade bei den Gesundheitsämtern liegt noch viel im Argen.

Bei der Digitalisierung hängt die deutsche Verwaltung hinterher. Foto: dpa
Bei der Digitalisierung hängt die deutsche Verwaltung hinterher. Foto: dpa

Gesundheitsminister Jens Spahn hatte sich einen lockeren Spruch zurechtgelegt, um die über Jahre verschleppte Digitalisierung im Gesundheitswesen zu beschreiben. In keinem anderen Bereich werde noch so viel gefaxt, spottete der CDU-Politiker regelmäßig. In der Pandemie wurde aus Spott bitterer Ernst: Der Kampf gegen das Coronavirus in den Gesundheitsämtern läuft weitgehend analog ab.

Stift, Zettel und Fax sind in vielen Kommunen noch unerlässlich bei der Nachverfolgung von Kontakten und der Meldung von Fallzahlen. Viel Zeit und Arbeitskraft gehen dabei verloren, Daten zum Infektionsgeschehen händisch weiterzuleiten und in Excel-Tabellen einzutragen.

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Eigentlich sollten bis Jahresende 90 Prozent der Gesundheitsämter an „Sormas“ angebunden sein, ein digitales System, das ein weitgehend automatisiertes Management der Kontaktpersonen von Infizierten erlaubt. Aktuell nutzen aber nur 95 der fast 400 Behörden das System. Auch der bereits vor vier Jahren gestartete Aufbau des Melde- und Informationssystems Demis ist im Verzug.

Es soll den Datenaustausch zwischen kommunalen Ämtern, Landesbehörden und dem Robert Koch-Institut (RKI) auf Bundesebene erleichtern. Seit Mitte Juni haben Testlabore immerhin die Möglichkeit, Erregernachweise von Sars-CoV-2 elektronisch an die Gesundheitsämter zu melden, von denen fast alle an diese Light-Version von Demis angeschlossen sind.

Für die Meldekette der Infektionszahlen hoch bis zum RKI fehlt der einheitliche digitale Kanal aber noch. Die Coronakrise zeigt, wie stark die öffentliche Verwaltung bei der Digitalisierung in einigen Bereichen noch hinterherhinkt.

Zweifel an ambitionierten Zielen

Dabei hat sich die Bundesregierung mit dem im August 2017 in Kraft getretenen Onlinezugangsgesetz (OZG) hohe Ziele gesteckt: Knapp 600 Verwaltungsverfahren, in denen fast 6000 Leistungen gebündelt sind, müssen bis Ende 2022 digital angeboten werden. Das federführende Bundesinnenministerium teilt auf Anfrage mit, dass sich 105 OZG-Leistungen in der Umsetzung befinden, 155 weitere seien in Planung.

„Derzeit sind 315 OZG-Leistungen in Deutschland in mindestens einer Kommune digital beantragbar.“ Eine wenig schmeichelhafte Bilanz. Gleichzeitig könnte die Pandemie aber auch als Katalysator und Treiber wirken, um das digitale Zeitalter endlich auch in den Amtsstuben einzuläuten. So hat etwa die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihre IT in Rekordzeit an die Welle der Kurzarbeitsanträge angepasst und in drei bis vier Wochen neue E-Services, Apps oder Bots bereitgestellt, für die sie normalerweise drei oder vier Monate gebraucht hätte.

Bund und Länder haben Online-Antragsverfahren für die Corona-Hilfen aufgebaut, Kommunen zusätzliche Dienstleistungen im Netz verfügbar gemacht. Die Verwaltung blieb auch deshalb einsatzfähig, weil sie erstmals in größerem Stil Homeoffice ermöglichte. Rund 67 Prozent der Beschäftigten auf Bundesebene, 55 Prozent bei den Ländern und 37 Prozent in den Kommunen arbeiteten zeitweise von zu Hause aus, zeigt eine Studie der Beratungsagentur Next Public für den Beamtenbund.

Der öffentliche Sektor habe bewiesen, dass er auch Krisen meistern könne, wird Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach darin zitiert. Die Krise habe aber auch schonungslos verdeutlicht, „dass die öffentliche Infrastruktur nur unzureichend krisenfest aufgestellt ist“. So hatte etwa nur etwas mehr als die Hälfte der Mitarbeiter einen Dienst-Laptop zur Verfügung.

Von den im Rahmen der Studie befragten Bürgern gab rund ein Fünftel an, während der ersten Phase der Pandemie stärker von Onlinediensten der Verwaltung Gebrauch gemacht zu haben. Von ihnen war aber knapp die Hälfte unzufrieden mit dem Angebot, nur ein Fünftel zufrieden.

„Die Coronakrise hat sicher die Digitalisierung beschleunigt“, sagt Gerhard Hammerschmid von der Hertie School of Governance, der an der Studie beteiligt war. „Aber digital ist das neue ,normal‘ – so weit sind wir noch lange nicht.“ Wichtig sei, die durch Corona ausgelöste Dynamik jetzt zu nutzen und endlich zu Fortschritten zu kommen.

Höhere Digitalbudgets geplant

Wie es um die Digitalisierung im kommunalen Bereich bestellt ist, zeigt auch eine Umfrage unter Bürgermeistern und IT-Verantwortlichen von gut 600 Kommunen, die der Digitalverband Bitkom und der Deutsche Städte- und Gemeindebund in Auftrag gegeben haben. Demnach erwarten neun von zehn Befragten, dass die Coronakrise die Digitalisierung vorantreiben wird. Gut jede zweite Kommune plant, das Digitalbudget für das kommende Jahr zu erhöhen.

Allerdings zeigt die Umfrage auch, wo es noch hakt. So haben nur acht Prozent der Kommunen eine zentrale Digitalstrategie, 13 Prozent zumindest in einzelnen Sektoren. Für jede fünfte Kommune ist eine Digitalstrategie derzeit kein Thema. Die E-Akte hat bisher nur in 16 Prozent der Kommunen Einzug gehalten. „Deutschland muss bei der Digitalisierung der Verwaltung mehr Geschwindigkeit aufnehmen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg. „Hier kann die Corona-Pandemie einen positiven Effekt haben.“

Verwaltungsexperte Hammerschmid wirft der Regierung vor, viel Zeit mit der Definition der zu digitalisierenden Dienstleistungen und interner Organisation vertrödelt zu haben. „Der Bürger spürt im Jahr drei nach Inkrafttreten des Gesetzes nur wenig Fortschritte.“

Man sollte jetzt Prioritäten setzen und vorrangig jene Dienstleistungen digitalisieren, die den Bürgern wichtig seien und die in der Pandemie besonders nachgefragt würden, rät Hammerschmid. „Der Antrag für den Fischereischein oder eine Baumfällgenehmigung gehören da eher nicht dazu.“

Das Bundesinnenministerium entgegnet, dass man in der Pandemie durchaus Prioritäten gesetzt habe. So seien etwa innerhalb von nur 36 Tagen digitale Antragsverfahren entwickelt worden, mit denen Eltern Entschädigung für Verdienstausfall wegen geschlossener Kitas oder Schulen beantragen können. Auch sei die Digitalisierung des Antrags auf Grundsicherung für 104 kommunale Jobcenter im Eilverfahren abgeschlossen worden. Erfolge, die man sich früher gewünscht hätte.

Zusätzlichen Schub erhofft sich die Bundesregierung von den 3,5 Milliarden Euro, die die Große Koalition im Juni mit dem Konjunkturpaket für die Umsetzung des OZG zur Verfügung gestellt hat. Der Städte- und Gemeindebund fordert aber, dass das Geld nicht nur für die Verbesserung des Online-Angebots genutzt wird.

Auch die „Digitalisierung des Back-Office“, der eigentlichen Verwaltung, müsse unterstützt werden, sagt Landsberg. Soll heißen: Es nützt wenig, wenn die Bürger zwar eine Leistung online beantragen können, die Mitarbeiter aber weiter Papierakten mit Rollwagen durch die Gegend schieben.

Gerade kleine Kommunen können nur davon träumen, was in großen Behörden möglich ist. „Die Coronakrise ist sicher ein Treiber der Digitalisierung“, sagt der Chief Information Officer (CIO) der BA, Markus Schmitz. „Das funktioniert aber nur, wenn die Grundlagen schon vorher gelegt waren.“

Die größte Bundesbehörde hat schon vor der Pandemie in Plattformen investiert und IT-Verfahren so konfiguriert, dass sie in kurzer Zeit an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden können.

Die BA hat aber auch ein eigenes IT-Systemhaus mit 1600 Beschäftigten. Greifen in normalen Zeiten 600 Mitarbeiter auf das System für das Kurzarbeitergeld zu, waren es in der Hochphase der Pandemie 13.000. Auch können aktuell mehr als 36.000 BA-Mitarbeiter parallel aus dem Homeoffice arbeiten, ohne dass die IT in die Knie geht.