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Der Stein der Weisen war nur Katzengold: Das Allianz-Desaster

(Bloomberg) -- Sie wurden angepriesen wie der Stein der Weisen: die “Structured Alpha” genannten Hedgefonds der Allianz SE sollten Gewinne abwerfen, wenn die Märkte hochgehen, wenn sie fallen, und auch wenn sie nur so dahinplätschern.

Kaum jemand im Management des deutschen Versicherungsriesen scheint die Behauptungen einer kleinen Gruppe von Finanzgurus hinterfragt zu haben, die diese Fonds im sonnigen Florida verwalteten.

Zwei Jahre nach dem spektakulären Kollaps der Fonds mit einem Schaden, den manche auf 6 Milliarden Dollar (5,5 Milliarden Euro) schätzen, erschüttern die Schockwellen aus Florida immer noch die 8.000 Kilometer entfernte Münchener Konzernzentrale.

Karrieren wurden ruiniert. Klagen und Vergleiche häufen sich. Das US-Justizministerium und die US-Börsenaufsicht ermitteln. Die Allianz hat im Februar 3,7 Milliarden Euro für das Desaster zurückgestellt, aber die endgültige Abrechnung steht noch aus - und könnte noch um Milliarden höher ausfallen.

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Auch nach all diesen Monaten steht die große Frage weiter im Raum: Wie konnten ein paar obskure Geldmanager - Namen, die auf keiner Liste von Hedgefonds-Koryphäen zu finden waren - ein dermaßen großes Loch in die Bilanz der Allianz reißen? Eines Weltkonzerns, dessen Geschichte in die Ära von Otto von Bismarck zurückreicht?

Gerichtsakten, Marketingunterlagen der Allianz und Personen, die die Strategie von Structured Alpha aus erster Hand kennen, erzählen eine klassische Wall-Street-Geschichte von Verkaufsgeschick und Gier. Es ist ein Lehrstück unserer unbeständigen Zeiten.

Kein Fehlverhalten

Die Allianz, die jegliches Fehlverhalten bestreitet, erklärte Anfang des Monats, dass unabhängige Berater, die sie mit der Untersuchung der Vorgänge beauftragt hat, bisher keine “Pflichtverletzungen” des Vorstands festgestellt haben. Ein Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.

Im Mittelpunkt des Debakels steht Greg Tournant, 55, ein Experte für Aktienoptionen und ehemaliger Unternehmensberater von McKinsey & Co. Der Franko-Amerikaner kam in den frühen 2000er Jahren über Oppenheimer Capital zu Allianz Global Investors.

Bei Nachforschungen stellt sich heraus, dass Tournant und andere Fondsmanager von Structured Alpha - darunter Trevor Taylor, ein langjähriger Kollege - schon zuvor mit ähnlichen Strategien in Schwierigkeiten geraten waren. Lange vor der Pandemie brach ihnen eine kleine Investmentfirma zusammen - ein Vorgeschmack auf die späteren Kalamitäten. Das berichten zwei ehemalige Manager der Firma. Tournant und Taylor wollten sich nicht äußern.

Tournant und sein Structured-Alpha-Team sollten für AllianzGI überdurchschnittliche Renditen erzielen. Statt die Standardformel für Hedgefonds-Gebühren anzuwenden - den “2 und 20”-Mix aus Verwaltungsgebühren und einem Anteil am Gewinn - wurden sie nur für eins bezahlt: Performance. Je größer die Gewinne, desto größer der Zahltag. Während die Allianz aus dieser Vereinbarung keinen Hehl machte, behaupteten verärgerte Kunden später, sie sei der Hauptgrund für die Risiken gewesen.

Tournant war laut einer mit der Angelegenheit vertrauten Person auch persönlich stark in die von ihm verwalteten Fonds investiert. Anfang März 2020, als er die Auswirkungen der Pandemie auf seine Fonds erkannte, ließ sich Tournant aus ungeklärten Gründen krankschreiben, sagte die Person. Die Probleme von Structured Alpha beendete das nicht.

Paniktage

Das Werk brach schließlich in den frühen Paniktagen von Covid-19 in sich zusammen, als wilde Marktschwankungen die Optionsstrategie auf den Kopf stellten, die - gemäß dem Marketingsprech der Fondsmanager - “unabhängig von Marktwellen Alpha generieren” sollte. Im ersten Quartal 2020 verloren fünf Structured-Alpha-Fonds zwischen 49% und 97% ihres Wertes.

In den anschließenden Schuldzuweisungen bezichtigten einige Großanleger die Berater, die sie mit der Prüfung von Structured Alpha beauftragt hatten, Warnzeichen missachtet und nicht begriffen zu haben, was die Fonds eigentlich taten.

Inzwischen hat die Allianz einige ihrer rechtlichen Schwierigkeiten beigelegt, unter anderem durch einen im Februar geschlossenen Vergleich mit einem Großteil der Anleger zu nicht näher genannten Bedingungen. Generell argumentiert die Firma allerdings, dass die Kunden erfahrene Anleger waren, die wussten, worauf sie sich einließen.

Der Versicherer ist weiterhin dabei, die Scherben aufzukehren. Er entließ Tournant und einen weiteren Fondsmanager, Stephen Bond-Nelson, und beschuldigte sie, gegen Compliance-Regeln verstoßen zu haben, wie aus öffentlichen Unterlagen hervorgeht, die bei der Financial Industry Regulatory Authority eingereicht wurden. Tournant und Bond-Nelson lehnten eine Stellungnahme ab.

Mehr zum Thema: Allianz entlässt Fondsmanager nach Milliardenklagen um Fonds

Roman Frenkel war aus erster Hand Zeuge eines früheren Scheiterns, als er bei Innovative Options Management arbeitete, einer kleinen Firma in Miami, die Tournant kurzzeitig mitbetreute, während er gleichzeitig für die Allianz tätig war. Deren Pleite ereignete sich 2008, als der Zusammenbruch von Lehman Brothers die globale Finanzwelt erschütterte und die Märkte zum Erliegen brachte - und mit ihnen die Geschäfte von Innovative Options.

“Die Spreads waren so groß, dass sie ihre Positionen nicht mehr schließen konnten”, berichtet Frenkel, der bei Innovative Options als Chief Compliance Officer tätig war. Anstatt mit der Firma zu expandieren, half Frenkel bei ihrer Liquidation.

Erfolge

Tournant kehrte zur Allianz zurück und feierte Erfolge in der langen Hausse, die auf die Finanzkrise folgte. Zahlungskräftige Investoren stiegen ein, darunter Dutzende von Pensionsfonds privater und öffentlicher Institutionen wie etwa Blue Cross & Blue Shield und die New Yorker Metropolitan Transportation Authority.

Die Performance von Structured Alpha war solide. Einer ihrer US-Aktienfonds erzielte zwischen Anfang 2005 und Juni 2018 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 10,9%, verglichen mit 8,7% für den S&P 500 im selben Zeitraum. Das geht aus einem Marketingdokument von 2018 hervor. Die Allianz war von Tournants Team so überzeugt, dass sie eine Performancegebühr in Höhe von 25% bis 30% des Nettokapitalzuwachses verglichen mit einer Benchmark gestattete.

Mehr noch - je volatiler die Märkte würden, desto profitabler würden die Fonds, versicherte die Allianz den Anlegern. Die Risikomanagementprozesse von Structured Alpha seien abgesichert. Im Dezember 2019 war Structured Alpha laut einer mit der Angelegenheit vertrauten Person auf mehr als 10 Milliarden Dollar verwaltetes Vermögen angewachsen.

Doch als die Pandemie ausbrach, ging alles drunter und drüber. Investoren sagen, Allianz und Structured Alpha hätten die Risikokontrolle aufgegeben und eine Katastrophe heraufbeschworen, indem sie auf eine schlechte Strategie noch einen draufgesetzt hätten. Das behauptet jedenfalls das Arkansas Teacher Retirement System, das wegen seiner Structured-Alpha-Verluste in Höhe von 624 Millionen Dollar geklagt und sich inzwischen verglichen hat.

Ein von der US-Gewerkschaft International Brotherhood of Electrical Workers geführter Pensionsfonds reichte schon 2020 eine Klage ein, die beschreibt, was seiner Meinung nach schief gelaufen ist. Der Fonds behauptet, dass Structured Alpha eine verhängnisvolle Wette gegen weitere Marktrückgänge einging, als die Pandemie im Februar begann, die Volatilität in die Höhe zu treiben. Dazu verkaufte der Fonds anderen Anlegern Optionen, die im Falle eines Rückgangs des S&P 500 ausbezahlt würden.

Die Wette erwies sich als Debakel, als der Index im März um 13% fiel, dem schlimmsten Monat seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008. Noch vor Ende des Monats gab die Allianz bekannt, dass sie zwei Structured-Alpha-Fonds auflöst.

Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Die Allianz warnte im Februar, dass sie den endgültigen Kostenpunkt der Affäre noch nicht vorhersagen könne.

Analysten von Bloomberg Intelligence schätzen, dass die derzeitige Rückstellung des Versicherers in Höhe von 3,7 Milliarden Euro wohl nicht ausreichen wird und dass sich die Rechtskosten auf 6 Milliarden Dollar belaufen könnten.

Der Vorstandsvorsitzende der Allianz, Oliver Bäte, drückte im Februar sein Bedauern über die Verluste von Structured Alpha aus und sagte, dass diese einen “erheblichen Einfluss” auf die Boni der Vorstandsmitglieder haben werden.

Was die Allianz einst als “‘dritten Weg’ zur Erzielung von nachhaltigem Alpha” angepriesen hatte, wird den Versicherer unterm Strich teuer zu stehen kommen.

Überschrift des Artikels im Original:

Behind Allianz’s $4 Billion Fund Blowup, Red Flags and Fat Fees

(Wiederholung von Freitag)

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