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Steigende Schulden bringen Vorstand der Deutschen Bahn in Bedrängnis

Die Verschuldung der Bahn steigt immer weiter, wie ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs zeigt. Koalitionspolitiker sind verärgert.

Der Vertrag von Bahn-Chef Richard Lutz läuft 2022 aus. Foto: dpa
Der Vertrag von Bahn-Chef Richard Lutz läuft 2022 aus. Foto: dpa

Schlechte Nachrichten zur Deutschen Bahn überraschen erfahrene Haushaltspolitiker nicht mehr. Aber als vergangenen Freitag die Mitglieder des geheim tagenden Bundesfinanzierungsgremiums durch einen vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofs blätterten, schüttelten sie doch ihre Köpfe: Darin wurden Compliance-Probleme, Milliardenverluste bei der Auslandstochter Arriva und Corona-Schäden von bislang fast zehn Milliarden Euro aufgelistet.

Besonders verärgert waren die Haushälter über die roten Balken in dem Bericht, die die Verschuldung des Staatsunternehmens anzeigen. Die Nettoschulden, die Verbindlichkeiten inklusive der Belastungen wie Pensionsverpflichtungen, werden demnach von 32 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 36 Milliarden 2021 und bis auf 38 Milliarden Euro 2022 steigen.

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Das als „Verschlusssache“ eingestufte Gutachten, das dem Handelsblatt in Teilen vorliegt, kommt für die Bahn und ihre Führungskräfte zu einem heiklen Zeitpunkt. Bereits zuvor waren Koalitionspolitiker über den Vorstand verärgert.

Inzwischen stößt die steigende Verschuldung beim Bund so sehr auf, dass sie als Gelegenheit gilt, sich von Vorstandschef Richard Lutz und Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla zu trennen. „Es gibt die Überlegung, jetzt einen Bahn-Vorstand zu bestellen, der in die Zukunft hineinwirkt“, heißt es in Koalitionskreisen.

Die Coronakrise setzt der Bahn nach eigenen Angaben stark zu. Statt mit 8,2 Milliarden Euro rechnet der Konzern inzwischen mit Corona-Schäden von 9,7 Milliarden Euro, wie aus dem Rechnungshof-Bericht hervorgeht. Die Rechnungsprüfer selbst resümierten allerdings vor einigen Monaten in einem anderen Gutachten, dass die Bahn gar nicht so hohe Verluste einfährt, wie zunächst befürchtet wurde.

Trotz aller Unklarheit über die tatsächlichen Schäden machten die Haushaltspolitiker der Bahn Vorgaben: Das Unternehmen darf zwar mehr als die bislang als Höchstgrenze festgesetzten 25 Milliarden Euro Schulden machen, nämlich im schlimmsten Fall 35 Milliarden.

Die Haushälter verlangten auch, die Schulden in dem Maße wieder zurückzufahren, wie frisches Eigenkapital vom Bund fließt: Allein wegen der Coronakrise sollen es zunächst fünf Milliarden Euro sein. Seit Monaten aber gibt es kein grünes Licht aus Brüssel, nicht einmal ein rotes oder gelbes. Der Bund fordert von der Bahn, sich endlich kompromissbereiter gegenüber den Brüsseler Beamten zu zeigen.

In der Großen Koalition wird mit Argwohn registriert, dass die Bahn weiter Schulden aufnimmt und gleichzeitig mit den Brüsseler Beamten seit Monaten über die Frage streitet, ob die Beihilfen aufgrund der Corona-Pandemie oder allgemein gewährt werden. Denn davon hängt für die Bahn einiges ab.

Geld gegen Wettbewerb

Die Brüsseler Beamten achten penibel darauf, dass bei Staatshilfen der Wettbewerb nicht Schaden nimmt. Im Gegenzug für die Finanzspritzen fordern sie von der Bahn etwa, dass Konkurrenten das Buchungssystem der Bahn nutzen können, sowohl im Personen- wie im Güterverkehr. Auch soll die Bahn ausgemusterte Züge abgeben.

Bislang aber lehnte der Bahn-Vorstand die Forderungen ab und verfolgte laut den Haushältern die Devise: Wenn es kein Eigenkapital gibt, werden neue Schulden gemacht. Erst seit Kurzem sei der Vorstand zu Verhandlungen in Brüssel bereit gewesen, wie es beim Alleineigentümer Bund hieß.

Damit rücken die amtierenden Vorstände Lutz und Pofalla in den Fokus. Ihre Verträge laufen zwar erst 2022 aus. Der Aufsichtsrat soll aber wie üblich bei der Bahn bereits ein Jahr vorher entscheiden, ob sie verlängert werden.

Derzeit kursieren in Regierungskreisen drei Optionen: Die Verträge könnten regulär verlängert werden; sie werden angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl nur um ein Jahr verlängert; sie werden nicht verlängert, und stattdessen gibt es eine neue Führungsspitze, mit der sowohl Union und SPD als auch die Grünen leben können. Denn sollten die Grünen im Falle eines Regierungswechsels das Bundesverkehrsministerium übernehmen – wovon viele Koalitionäre ausgehen –, würden sie die Vorstände sicher ersetzen wollen.

Parteiübergreifend gilt nach den Privatisierungsjahrzehnten der Wunsch: Die Bahn, deren Schulden ähnlich stark steigen wie die Zahl der Tochterunternehmen im In- und Ausland, soll sich wieder auf ihr Kerngeschäft beschränken und Menschen wie Güter durch die Heimat transportieren – und das möglichst umweltfreundlich und digital.

„Bisher will sich der Vorstand nur bemühen“, heißt es in Koalitionskreisen. Beim Glasfaserausbau gebe es sogar wieder Bestrebungen, statt mit privaten Unternehmen den Ausbau entlang des Schienennetzes mit einer eigenen Tochtergesellschaft anzugehen – wenn der Bund drei bis fünf Milliarden Euro dazugibt.

Eine Chefin für die Bahn

„Die letzten Jahre bei der Bahn waren nicht von höchster Dynamik geprägt“, heißt es in der Koalition. Daher wachse der Wunsch, den Vorstand möglichst im März schon zu verändern. Ein parteiübergreifend getragener Bahn-Chef könne sofort einen neuen Kurs einschlagen.

Kriterien für einen potenziellen Nachfolger gibt es auch schon: Angesichts des Handlungsdrucks soll unbedingt ein Bahnkenner in den Vorstand aufsteigen. Obendrein sei es „gesellschaftspolitisch angezeigt“, eine Frau zu finden. Wie vor einigen Jahren bereits fällt auch dieses Mal der Name der ehemaligen Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe und neuen DB-Cargo-Chefin: Sigrid Nikutta.

Ob es so weit kommt, muss der Aufsichtsrat entscheiden. Bisher, so hieß es, sei keine Entscheidung gefallen – auch nicht im Kanzleramt. Ohnehin steht noch die Frage im Raum, in welcher Organisation die Bahn künftig firmiert.

Die Form der Aktiengesellschaft wird inzwischen kritisch gesehen, da niemand mehr von einem Börsengang spricht. Die Grünen würden das Unternehmen gern in eine GmbH umwandeln – „für eine bessere Kontrolle“, wie die Fraktion erst kürzlich in einem Strategiepapier vorgeschlagen hat.

Sympathie dafür gibt es auch inzwischen bei CDU und CSU. „Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist seinen Aktionären verpflichtet“, heißt es in der Fraktion. Allerdings gebe es nicht etwa Tausende Aktien im Streubesitz, sondern genau eine. Und die gehöre dem Bund. Entsprechend müsse das Unternehmen auch in Zukunft so geführt werden. „Es ist Zeit für eine neue Bahnreform“, erklärte Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) bereits vor einem Jahr.

Die Krise setzt auch dem Staatskonzern zu. Foto: dpa
Die Krise setzt auch dem Staatskonzern zu. Foto: dpa