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„Treffen Sie niemanden“: Österreich macht dicht

Der bisherige sanfte Lockdown hat nicht die erhoffte Wirkung entfaltet, die Infektionszahlen steigen weiter. Nun greift Kanzler Sebastian Kurz zu einschneidenden Maßnahmen.

Die schlimmsten Befürchtungen der Wirtschaft und wohl der meisten Eltern schulpflichtiger Kinder haben sich in Österreich bewahrheitet: Ab dem kommenden Dienstag gilt im Land ein „harter“ Lockdown. Fast alle Läden müssen schließen, und die Pflichtschulen werden auf Fernunterricht umstellen. Geöffnet bleiben nur noch Geschäfte, die Dienste des täglichen Bedarfs erbringen, so der Einzelhandel, Banken oder Apotheken. Diese Maßnahmen gelten bis zum 6. Dezember.

Österreich befand sich bereits seit dem 3. November in einem teilweisen Lockdown. Läden durften ihren Geschäften zwar noch nachgehen, geschlossen waren jedoch Museen, Theater, Kinos und Restaurants. Da die Regierung diesen Unternehmen gleichsam die Geschäftsausübung verbot, kam sie ihnen finanziell verhältnismäßig großzügig entgegen.

Sie will ihnen bis zu 80 Prozent des entgangenen Umsatzes ersetzen. Vergleichsbasis dafür sind die Verkäufe von November 2019. Im gleichen Mass werden nun auch „körpernahe Dienstleister“ wie Frisöre oder Kosmetikerinnen entschädigt.

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Eine differenzierte Lösung ist laut Finanzminister Gernot Blümel für den Einzelhandel vorgesehen. Je nach Sparte bekommen die Geschäfte eine Umsatzentschädigung von 20, 40 oder 60 Prozent. Auf einen Ersatz von 60 Prozent haben die Anbieter verderblicher Ware Anspruch. Dazu zählt zum Beispiel der Blumenhandel.

Noch unklar ist es, wie es mit dem von Blümel ausgearbeiteten Fixkostenzuschuss II weiter gehen wird. Unternehmen können ihn beantragen, um die Rechnungen für Gas, Miete und Strom zu begleichen.

Allerdings hat die EU-Kommission diese Hilfsmaßnahme noch nicht bewilligt. Sie sieht darin eine Beihilfe. Die Firmen können daher ab dem 23. November Zuschüsse von maximal 800.000 Euro beantragen.

Durchschnittlich 7000 Neuinfektionen pro Tag

Österreichs Regierung hat zusätzliche drastische Maßnahmen ergriffen, weil der „sanfte“ Lockdown bisher nicht die erhoffte Wirkung entfaltete. Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen ist seit dem 23. Oktober stark gestiegen.

Im Durchschnitt der vergangenen sieben Tagen hat es in Österreich 7000 gemeldete Neuinfektionen gegeben. Derzeit gilt Österreich als eines der am härtesten von der Pandemie getroffenen Länder Europas. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist es deshalb höchste Zeit zu handeln, um einen Kollaps des Gesundheitswesens zu verhindern.

Den starken Anstieg der Fallzahlen führt er auf den Umstand zurück, dass die Österreicher trotz teilweisem Lockdown noch zu oft unterwegs waren, beispielsweise um Freunde zu treffen. Die Gasthäuser waren zwar geschlossen, die Menschen besuchten aber beispielsweise Take-Aways in den Einkaufszentren.

„Treffen Sie niemanden“

Noch am Samstag drängten sich die Menschen in der Mariahilfer Straße, der zentral gelegenen Einkaufsstraße der Hauptstadt. Teilweise versuchten die Läden mit Rabatten, Käufer anzulocken. Das führte an gewissen Orten zu Warteschlangen.

„Treffen Sie niemanden“, appellierte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstag an seine Landsleute. In den nächsten drei Wochen sollen sich die Einwohner Österreichs nur noch in Ausnahmefällen draußen aufhalten, etwa um Sport zu treiben, Einkäufe zu erledigen oder einen Arzt zu besuchen.

„Ich weiß, dass diese Maßnahmen extrem einschneidend sind“, sagte Kurz. Aber sie seien nötig, um die Infektionszahlen drastisch zu senken. Der Zielwert bei den Neuansteckungen binnen sieben Tagen liege bei weniger als einem Zehntel des aktuellen Werts, betonte Kurz. Behörden könnten mittlerweile 77 Prozent der Neuansteckungen nicht zurückverfolgen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte, aktuell stecke jeder Corona-Infizierte statistisch gesehen 1,2 andere Menschen an. Diese sogenannte Reproduktionszahl müsse auf 0,9 gesenkt werden - dann würden 10 Erkrankte rechnerisch 9 Menschen anstecken.

Anschober warnte, dass das Gesundheitssystem in vielen Bereichen an seine Grenzen komme. „Wir brauchen deshalb eine Notbremsung und das wirklich sofort“, sagte er. Der Bremsweg - die Zeit bis zu einer nachhaltigen Senkung der Zahlen - betrage zwei Wochen.

Die Krankenhäuser sehen bereits dem Limit entgegen, wie am Samstag unter anderem der oberste Intensivmediziner des Landes erneut warnte. „Wenn das Ganze in den nächsten Tagen in dieser Geschwindigkeit zunehmen sollte, kommen wir in die Situation einer Triage“, sagte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin, Klaus Markstaller. Ärzte müssten dann auswählen, welche Patienten intensivmedizinisch behandelt werden können.

Opposition wirft Regierung „Kontrollverlust“ vor

Doch wie konnte sich die Lage überhaupt wieder derart negativ entwickeln? Gab es Versäumnisse? Darüber wurde am Samstag teils heftig gestritten. Die Regierung hatte immer wieder betont, mit allen Mitteln einen Lockdown verhindern zu wollen. Gesundheitsminister Anschober hatte noch vor fast genau einem Monat solche strikten Maßnahmen praktisch ausgeschlossen. „Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen“, sagte er am 11. Oktober dem Sender ORF. Das sei nur vor einem flächendeckenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems möglich. „Davon sind wir Gott sei Dank meilenweit entfernt“, sagte er damals.

Die Oppositionsparteien warfen der Regierung nun Kontrollverlust vor. „Jetzt bekommen alle Österreicher die Rechnung für das Managementversagen der Bundesregierung präsentiert“, sagte etwa die Chefin der Sozialdemokraten, Pamela Rendi-Wagner. Die Regierung habe die Kontaktnachverfolgung vernachlässigt und die Länder und Krankenhäuser bei der Vorbereitung der Intensivstationen alleingelassen.

Ein großer Streitpunkt blieb das Schließen der Schulen. Die Corona-Expertenkommission hatte sich Medien zufolge am Donnerstag dagegen ausgesprochen. Das Bundeskanzleramt war ein Befürworter der Maßnahmen. Die Schulen müssten geöffnet bleiben, betonte dagegen Rendi-Wagner. Die Vorsitzende der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger, kündigte an, wegen der Schulschließungen rechtliche Schritte zu prüfen.

„Offene Schulen waren unser Ziel, weil wir vom Wert der Bildung und der sozialen Funktion der Schulen überzeugt sind“, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Samstag. Die Lage sei aber prekär und die Gesundheit habe Priorität. „Die Schulen sind keine Treiber der Infektionen, aber sie sind auch nicht frei von Infektionen.“ Schulen und Lehrer seien besser auf die Schließungen vorbereitet als im Frühjahr.