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„Wir stehen vor einem Horrorszenario“ – Hotelbranche ist nach den Corona-Beschlüssen unter Schock

Dem geschwächten Hotel- und Gastronomiegewerbe droht ein Umsatzausfall in Milliardenhöhe. Die Branche fordert nun schnelle Notfallhilfen – und denkt über Klagen nach.

Private Reisen bleiben in den kommenden Wochen weitgehend untersagt. Foto: dpa
Private Reisen bleiben in den kommenden Wochen weitgehend untersagt. Foto: dpa

Für Dirk Iserlohe scheint die Welt seit Mittwochabend eine andere zu sein. „Die Katastrophe ist eingetreten“, sagt der Aufsichtsratschef der Kölner Hotelkette Dorint. „Wir stehen vor einem Horrorszenario.“

Um die Zahl der zuletzt ungebremst steigenden Corona-Infektionen nach unten zu drücken, verlangt die Bundesregierung ab 2. November von der Beherbergungsbranche ein Sonderopfer. Den gesamten Monat hindurch darf sie ihre Zimmer nicht mehr an Touristen vermieten, nur noch Geschäftsreisende sind in den Häusern erlaubt – und das auch nur, wenn ihr Aufenthalt „unbedingt nötig“ ist.

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Doch ein Konzept, wie die rund 50.000 deutschen Beherbergungsbetriebe mit dem staatlich verordneten Umsatzausfall zurechtkommen sollen, lieferte Berlin bislang nicht. Insgesamt 6,7 Milliarden Euro habe das Hotelgewerbe im November 2019 zusammen mit der Gastronomie in Deutschland umgesetzt, heißt es beim Branchenverband Dehoga. Dafür müsse es nun eine Entschädigung geben.

Doch wie diese aussehen wird, ist bislang ungewiss. „Die Regierung hat Fördermittel blumenreich angekündigt“, kritisiert Iserlohe, „ein konkreter Plan aber fehlt.“ Bei seinen Mitarbeitern habe dies „blanke Angst“ ausgelöst, berichtet der Kölner Hotelunternehmer. Fast alle müsse er nun wieder in Kurzarbeit schicken.

Dorint, mit 62 Häusern eine der größten deutschen Hotelketten in Familienhand, bleibt für die wenigen erwarteten Gäste dennoch geöffnet. Rentabel sei dies nicht, sagt Iserlohe, die fehlenden Differenzbeträge aber wolle er sich vor Gericht erstreiten. „Es geht hier um den Eingriff in die Berufsfreiheit“, begründet er den Anspruch. Bislang lehnten die Bundesländer seinen Vorstoß ab, sodass der Weg durch die Gerichtsinstanzen wohl bis mindestens 2025 dauern wird.

Ob das deutschlandweite Beherbergungsverbot für Touristen rechtlich Bestand haben wird, bleibt ohnehin abzuwarten. Schon am Mittwochabend kündigte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Klagen mehrerer Mitgliedsunternehmen gegen das Vorhaben an. Ob sie tatsächlich eingereicht werden, ist aber noch offen.

„Wir warten aktuell auf die Verordnungen der Länder und die konkreten Begründungen“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dem Handelsblatt. „Die entscheidende Frage ist, ob die Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind, kurzum: Sie müssen verhältnismäßig sein.“

Dass sie das Infektionsgeschehen wesentlich zu verringern helfen, bezweifeln in der Branche nicht wenige. Das Robert Koch-Institut habe mehrfach in seinen Lageberichten darauf hingewiesen, dass das aktuelle Infektionsgeschehen vor allem mit vermehrten Häufungen in Zusammenhang mit privaten Feiern steht, sagt Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV). „Übernachtungen oder Restaurantbesuche spielen dagegen kaum eine Rolle.“

So notierte man in den 62 Häusern der Dorint-Gruppe keine einzige Corona-Erkrankung. „Weder Gäste noch Mitarbeiter haben sich bis heute bei uns infiziert“, sagte eine Sprecherin. Bekannt wurden in Deutschland bislang nur wenige spektakuläre Fälle: Im Grand Hotel Seeschlösschen am Timmendorfer Strand infizierten sich Mitte Oktober 35 Mitarbeiter, in der Nähe von Flensburg musste das Hotel Wikingerhof schließen, weil sich 16 von 29 Angestellten mit dem Virus angesteckt hatten.

Ob es nun zu einer Klage kommen wird, hängt nach Aussage von Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Hartges auch davon ab, wie die versprochenen Entschädigungen der Bundesregierung aussehen werden. „Berlin kann nicht erst einen ‚Wumms‘ verkünden, um dann ins kleine Karo zu wechseln“, merkte Hartges dazu an. In den vergangenen Monaten seien die Überbrückungshilfen für viele Betriebe völlig unzureichend gewesen.

Tatsächlich sind von den 25 Milliarden Euro an Überbrückungshilfen, die zur Verfügung stehen, bisher kaum Gelder bei den existenzbedrohten Betrieben angekommen. Grund hierfür sind die für Hotel- und Gastronomiebetriebe ungünstigen Förderbedingungen. Denn Überbrückungshilfen gibt es nur für Betriebe, die maximal 50 Millionen Euro umsetzen, was schon kleinere familiengeführte Hotelgruppen ausschließt.

Auch sogenannte „verbundene“ Gesellschaften, darunter ausgegliederte Restaurants, Bars oder Diskotheken größerer Beherbergungsbetriebe, können von den Hilfen schon jetzt kaum überleben. Maximal 50.000 Euro pro Monat stehen ihnen seit Ausbruch der Pandemie zu – und damit 350.000 Euro für das Gesamtjahr 2020. Oft reiche das Geld nicht einmal für die Pachtzahlungen, berichten Branchenkenner.

Hinzu kommt: Unternehmen, die sich 800.000 Euro als KfW-Schnellkredit oder als KfW-Unternehmerkredit mit einer Laufzeit von mehr als sechs Jahren borgen, geraten schnell in die Gefahr, einen Subventionsbetrug zu begehen. Denn nutzen sie zusätzlich die Überbrückungshilfen komplett aus, überschreiten sie damit die von der EU gesetzten Beihilfegrenzen.

„Wenn es jetzt zu Restaurantschließungen kommt, ist das ein herber und Existenzen gefährdender Rückschlag für die Beherbergungsbetriebe“, warnt deshalb DTV-Geschäftsführer Kunz. „Unsere Branche ist von den Folgen der Corona-Pandemie weiterhin mit am härtesten und längsten getroffen.“ Für viele Unternehmen in der Branche, die schon durch den ersten Lockdown 35 Milliarden Euro Umsatz verloren, gehe es gerade um das blanke Überleben.

Und womöglich auch um große Teile der deutschen Wirtschaft. Immerhin drei Millionen Menschen, rechnet der DTV vor, seien in der deutschen Tourismuswirtschaft beschäftigt.