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Statt Standort in der Türkei: Bulgarien wirbt um neues VW-Werk

Nachdem VW seine Entscheidung über ein Werk in der Türkei vertagt hat, wittert Bulgarien seine Chance. Doch auch ein anderes EU-Land bringt sich in Stellung.

Bulgarien bessert im Wettbewerb um die neue Fabrik von Volkswagen sein bisheriges Angebot auf, um im Duell mit der Türkei doch noch den Zuschlag zu erhalten. „Wir haben ein verbessertes Angebot vorgelegt und die staatlichen Subventionen auf 260 Millionen Euro verdoppelt“, sagte Rossen Plewneliew, Bulgariens früherer Staatspräsident und Ehrenvorsitzender des Automotive Cluster Bulgaria, dem Handelsblatt.

Auslöser für das erneute heftige Werben ist die Entscheidung von Volkswagen, angesichts des militärischen Angriffs der Türkei auf Nordsyrien den Bau des neuen VW-Werks in der Nähe der westtürkischen Hafenstadt Izmir zu verschieben.

„Mit Infrastrukturmaßnahmen wie U-Bahn, neuer Autobahnanbindung und einer Schnellbahn sowie einem Logistikzentrum inklusive Schulen, Feuerwehr und dualen Ausbildungszentren betragen die Hilfen insgesamt 800 Millionen Euro.“ Die Bulgaren haben einen Brief an den Aufsichtsrat und Vorstand von VW geschickt, in dem sie nachdrücklich für den Standort in der Hauptstadt Sofia werben. „Wir stehen Tag und Nacht zur Verfügung“, sagte Plewneliew. „Für uns ist ein VW-Werk ein Traum“, ergänzte der 55-jährige Vertraute des bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow.

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In dem Brief an VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und VW-Chef Herbert Diess, der dem Handelsblatt vorliegt, verspricht Plewneliew auch im Namen des bulgarischen Ministerpräsidenten Borissow eine „Reihe von strategischen Partnerschaften und Vereinbarungen mit der bulgarischen Regierung und staatlichen Organisationen“, die „erheblich“ über dem Wert der direkten staatlichen Beihilfen liegen würden.

Das verbesserte Angebot könne auch bei einem Treffen mit dem konservativen Regierungschef und Diess besprochen werden. In Anspielung an die großzügigen türkischen Abnahmeversprechen von VW-Fahrzeugen heißt es in dem Schreiben: „Es gibt jedoch eine Reihe von Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens, in denen die bulgarische Regierung über einen soliden Ermessensspielraum verfügt.“ Das Schreiben ging in Kopie auch an die VW-Großaktionäre Hans Michel Piëch und Wolfgang Porsche. Eine Reaktion auf das Schreiben gab es nach Angaben aus Bulgarien noch nicht.

In dem neuen Werk im türkischen Manisa in der Nähe von Izmir sollten unter anderem die neuen Modelle Passat und Skoda Superb gebaut werden. VW wollte in das Werk rund eine Milliarde Euro investieren. Mit geplanten 4000 Mitarbeitern sollten ab 2022 jährlich 300.000 Autos produziert werden.

Volkswagen hatte dazu bereits eine Tochterfirma in Manisa gegründet und sie mit einem Kapital von rund 150 Millionen Euro ausgestattet. Da schien der Bieterwettbewerb mit Bulgarien bereits entschieden.

Doch die Militäraktion des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen die Kurden im Nachbarland Syrien stellt nun alles in Frage. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Volkswagen unter diesen Bedingungen in der Türkei eine Milliardeninvestition vornimmt“, sagte der VW-Aufsichtsrat und niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Der Sozialdemokrat galt genauso wie der VW-Betriebsrat eigentlich als Befürworter des türkischen Standorts. Das Land Niedersachsen hält 11,8 Prozent der Aktien an der Volkswagen AG.

Bulgarien hofft auf Unterstützung aus Brüssel

Die Bulgaren wollen nun ihre Chance nutzen, um doch noch zum Zug zu kommen. „Wenn sich Volkswagen an uns wendet, werden wir noch die eine oder andere positive Überraschung präsentieren können“, kündigt der frühere Staatspräsident Plewneliew gegenüber dem Handelsblatt an. „Wir sind auf eine Entscheidung von VW vorbereitet und hoffen auf eine Entscheidung im November.“

Mitte November tritt das Kontrollgremium von Volkswagen zusammen. In Sofia hofft man auf ein Veto des VW-Aufsichtsrats gegen den Standort Türkei. „Uns drängt sich der Eindruck auf, dass der Vorstand weiter den türkischen Standort favorisiert“, sagte Plewneliew. „Der Aufsichtsrat hat hingegen immer das Thema verschoben.“

Wenn sich Volkswagen für den Standort in der bulgarischen Hauptstadt Sofia entscheiden sollte, könnte es schnell losgehen. „Das Grundstück wurde bereits gereinigt und steht zur Bebauung bereit“, sagte Plewneliew. Bulgarien bietet VW ein großes Industrieareal außerhalb der Hauptstadt Sofia in der Nähe des Flughafens an.

Das frühere Gelände eines Stahlwerks gehört der bulgarischen First Investment Bank und der österreichischen Immobilienfirma Soravia. Die Eigentümer sind in jedem Fall gelassen, denn offenbar gibt es außer VW auch zahlreiche andere Interessenten. „Die Nachfrage nach dem Grundstück ist deshalb so hoch, weil die Arbeitskräfte in Bulgarien vorhanden sind“, sagte Hanno Soravia, Eigentümer und Chef der Firma.

Die Bulgaren setzen zudem auf politischen Rückenwind aus Brüssel. „Eine Entscheidung für die Türkei wäre in dieser Situation ein komplett falsches Signal“, warnt Plewneliew. „Erdogan bietet staatliche Hilfe an, die in der EU nie erlaubt gewesen wäre. Seine Subventionen sind in keiner Weise mit den EU-Vorgaben harmonisiert.“ Plewneliew ist der Auffassung, die Türkei respektiere die Regeln der Zollunion mit der EU nicht. Die Regierung beschädige somit den Ruf der EU-Mitgliedsländer.

Die Autoindustrie zählt in Bulgarien, dem Armenhaus der EU, zu einem der wenigen boomenden Sektoren. Nach Angaben des Automobilverbandes erwirtschaften 65.000 Beschäftigte in 220 Produktionsstätten einen Umsatz von fünf Milliarden Euro. Zu den bekanntesten Investoren zählen Automobilzulieferer wie Magna, Grammer, Festo oder Kostal. Im Land werden beispielsweise Software für Mercedes-Benz oder Bremsen für Porsche produziert.

Derzeit erwirtschaftet Bulgarien nach Branchenangaben rund zehn Prozent seines Bruttoinlandsprodukts mit der Autoindustrie. Ein VW-Werk wäre daher hochwillkommen. Zuletzt hatten die Vertreter mit VW-Chef Diess auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt Anfang September persönlich gesprochen.

Zur Überraschung Bulgariens bringt sich nun auch Rumänien als Standort für ein VW-Werk ins Spiel. „Wir haben neue Gespräche mit dem Volkswagen-Konzern angestoßen“, sagte der rumänischen Handelsminister Stefan Radu der rumänischen Tageszeitung „Ziarul Financiar“. Rumänien verfüge über „sehr gute“ technische Voraussetzungen.

In dem Karpatenland produziert bereits der französische Autokonzern Renault Fahrzeuge seiner Marke Dacia. Zuletzt machte Rumänien allerdings politische Negativschlagzeilen. Die linkspopulistische Regierung wurde Ende vergangener Woche im Parlament gestürzt. Ob und wann es zu Neuwahlen kommen wird, ist noch unklar.