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Statt Leser*in: Das Leser. Sind wir stabil genug für neutral?

Wie wollen wir in Gruppen-Mails gerecht angeschrieben werden? Wie sollen Firmen intern das Team ansprechen und nach außen die Kunden? Wird das Sternchen Standard oder lohnt es sich, ganz neu zu denken?

Der Glottisschlag. Der Glottisschlag ist eine Art Konsonant, der in dem Moment zu hören ist, wenn sich die Stimmlippen in einem schnellen Moment lautlos und plötzlich lösen. Den hören Sie, in dem Sie einmal bitte flüstern:

  • die Zuschauerinnen (also die Frauen im Publikum – ohne Glottisschlag)

  • die Zuschauer innen (und nicht die außen – mit dem Glottisschlag vor „innen“. Dieses kurze Knacken davor, das ist er: der Glottisschlag).

Genau dieser Glottisschlag soll ja nun alle Menschen mit ansprechen, die weder Frau noch Mann sind oder sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen. Außerdem soll durch diese kleine Pause die maskuline Variante einmal kurz freistehen, damit sie nicht komplett in der weiblichen auf- beziehungsweise untergeht.

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Die Sprechanweisung dafür wird vermittelt durch den Stern *. Kein Wort, keine Silbe, sondern ein Knacken soll nun also auch Menschen sämtlicher Geschlechtsidentitäten würdigen, also alle, die sich in unserer klassischen Maskulin-Feminin-Sprache einfach nicht einsortieren lassen (wollen).

Weil jeder selbstbewusste Menschenfreund ein lebendiges Interesse daran haben sollte, dass sich alle Menschen, also auch Kolleg*innen, Zuschauer*innen, Leser*innen und Kund*innen grammatikalisch und klanglich in unserer Sprache wiederfindet, ist es nur folgerichtig, modern und fair, die Sprache bewusst zu manipulieren. Weil von nix selten etwas kommt.

Und so erleben wir gerade die rumpelige Übergangsphase des gendergerechten Sprechens und Schreibens. Nach und nach lesen wir das * immer häufiger in Texten und hören es immer häufiger in Radio, Fernsehen und Podcasts.

Wie etwa Verlage und Sender damit umgehen, ist bezeichnend für das Dilemma aus gutem Willen und der Tatsache, dass ein mit Glottisschlag gesprochenes * keinem so richtig gerecht wird.

Die einen Redaktionen stellen es den Redakteurinnen und Autoren frei, wie viel *innen sie einbauen. Wie etwa der Tagesspiegel. Und erhoffen sich so eine lockere Mischung aus generischer Maskulinform, einfach mal der Femininform für alle, mal beides und eben dem *, inspiriert von unterschiedlichen Menschen.

Einige öffentlich-rechtliche Sender etwa kommunizieren intern mit ihren „Moderator*innen“, sprechen aber on air zu ihren „Zuschauerinnen und Zuschauern“, was zeigt, dass da was nicht stimmt. Denn warum sollten etwa Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen, in der Belegschaft in ihrer Identität höher geschätzt werden als die unter den Zuschauern, die das Programm schließlich bezahlen?

Als Grund wird neben der Sprechbarkeit auch die gesellschaftliche Akzeptanz angeführt. Sollten aber die sich dem Diktat der Masse beugen, die schon zur Überzeugung gelangt sind, dass es ein wichtiges Zeichen von Akzeptanz ist, so dass das * in der internen Kommunikation ihren Platz gefunden hat? Claus Kleber etwa feiert das *. Und es geht.

Aber reicht ein * aus? Ich finde nicht. Der Stern rettet die deutsche Sprache nicht über einen fundamentalen Baustein hinweg, der aus heutiger Sicht letztendlich ein Stolperstein ist. Die standardisierte Unterscheidung der Menschen ausgerechnet nach Geschlechtern.

Dass es heißt: der Hund, die Katze, das Schaf. Das ist egal. Aber dass wir uns Menschen in Geschlechter einteilen, ist gewachsen aber eigentlich doch willkürlich. Genauso könnten wir uns grammatikalisch unterscheiden nach Beruf (alle Handwerker DER, alle Akademiker DIE), nach Herkunft, Alter, Größe, Augenfarbe, sexueller Orientierung oder Hobbys. Das tun wir aber nicht und vermissen es nicht. Doch genau so unnötig ist die ständige Einteilung der Menschen nach Geschlechtern in jedem Satz. Warum der Blick in die Hose, bevor wir miteinander reden?

Und spätestens jetzt ist das auch noch lästig und rückständig, weil wir sprachlich berücksichtigen wollen: Es gibt mehr als zwei Identitäten.

Die englische Sprache macht es uns leicht. Es gibt nur einen Artikel. So heißt es eben „the customer“ und meint Kundinnen und Kunden. Und es gibt auch keine Feminin-Endung an Substantiven wie im Deutschen das -in. Aber es gibt eben doch auch die englischen Personalpronomen he und she im Singular. Was also machen die genderbewussten Englischsprachigen, wenn sie sich geschlechtsneutral ausdrücken wollen? Sie sprechen statt von he und she von they. Sie nehmen den Plural. Der ist geschlechtsneutral.


Machen wir es wie die Engländer

Und wir in Deutschland? Wir hätten da auch eine Lösung. Wir haben da nämlich etwas schon dem Namen nach Neutrales. Das Neutrum.

Wenn immer mehr Menschen einsehen, dass wir unsere Sprache aus Respekt zu allen verändern müssen, weil sie Menschen unsinnigerweise und ungenügenderweise in zwei Geschlechter einteilt, warum das Ganze dann mit Anhängseln, Glottisschlag und *?

Machen wir es wie die Engländer. Machen wir uns geschlechtsneutral, wenn es auf das Geschlecht nicht ankommt:

  • Der Arzt - wenn es uns darauf ankommt, dass der Arzt ein Mann ist.

  • Die Arzt - wenn wir hervorheben wollen, dass sie eine Frau ist.

  • Das Arzt - wenn das Geschlecht unbekannt ist oder weder männlich noch weiblich oder schlicht egal.

Lachen Sie nicht. Schütteln Sie nicht den Kopf. Es ist eine Idee. Die es uns allen fairer und einfacher machen soll. Ohne zusätzliche Satzzeichen und Pausen. Und die Idee geht weiter: Im Plural wären alle „die Ärzte“, weil es aber im Singular „die Arzt“ heißt, wären die Frauen wie alle anderen im Plural mit drin. Ganz ohne „-innen“. Was aber für alle ja hinnehmbar wäre, denn es wäre kein generisches Maskulinum mehr, sondern ein generisches Neutrum. Die Unterscheidung gelingt dann nur noch im Singular über den bestimmten oder unbestimmten Artikel. Ganz ohne zusätzliche Silben.

Menschen als neutrale Geschöpfe. Ist das entwürdigend? Nein. Ich sage nur: das Kind.

Ok, „die Verkäufer“ Singular und „die Verkäufer“ Plural wären dann identisch. Aber ob eine Frau oder alle Verkäufer gemeint sind, ergibt sich dann aus der Form des Verbes. „Die Verkäufer macht den Laden auf“.

Klingt alles ungewohnt? Ja, aber an Verkäufer*innen haben sich auch schon viele mit gutem Willen gewöhnt. Das mit dem * ist eben ein Mehr an Buchstaben, Lauten, Silben. Das neutrale Neutrum macht alles kurz und gleich.

Trotzdem müsste das -in/-innen ja nicht aussterben. Geht es nur um Frauen, dann spricht nichts dagegen, dies weiter mit der femininen Endsilbe zu zelebrieren. Den Frauen bliebe also sogar mehr. Ihr Teil vom Neutrum, die Artikel „die“ und „eine“ und ihre Endsilbe. Den Männern blieben nur ihre „der“. Sogar das „ein“ ist ja auch neutral im Gebrauch.

Und warum sollte die Veränderung der Sprache nur vom Duden, Rechtschreib-Kommissionen, Interessenverbänden oder der Politik ausgehen? Warum nicht einmal von der Wirtschaft? Schließlich sind es ganz wesentlich die Unternehmen, die mit Mitarbeitern und Kunden kommunizieren. Jeden Tag millionenfach. Neutral wäre einfach einfacher. Man müsste mal abstimmen, was dem Großteil der Leute besser über die Lippen ginge. Männer und Frauen neutral mit allen Identitäten zusammen zu nennen oder jeden und jede und * im verlängerten Konstrukt mit dem anerkennenden Nichts. Der gut gemeinten *-Pause vor dem Glottisschlag.

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