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Dieser Start-up-Gründer will indische Wirtschaftsgeschichte schreiben

Girish Mathrubootham will seine Software-Firma Freshworks an die New Yorker Börse bringen. Vor dem angepeilten IPO buhlt der Fan schneller Autos um den deutschen Mittelstand.

Girish Mathrubootham mag es gerne rasant. Eine Autobahn ohne Tempolimit stand bei einem Deutschlandbesuch des indischen Unternehmers ganz oben auf der Liste der Sehenswürdigkeiten, die er abhaken wollte. Hinterher schwärmte der 44-Jährige, der in seiner Freizeit Autos sammelt, von seiner Höchstgeschwindigkeit: 287 Kilometer pro Stunde schaffte er. Schnelligkeit ist Mathrubootham auch von seinem Unternehmensalltag gewohnt.

Mit seiner Software-Firma Freshworks drängte er auf der Liste von Indiens wertvollsten Start-ups in Windeseile nach oben: Innerhalb von nur etwas mehr als einem Jahr konnte er den Unternehmenswert zuletzt fast vervierfachen – auf 3,5 Milliarden Dollar. Das ist dem Gründer, der ursprünglich aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu stammt, aber nicht genug: Er arbeitet nun daran, Freshworks an die New Yorker Börse zu bringen und will damit indische Wirtschaftsgeschichte schreiben.

Nach IT-Dienstleistern wie Infosys wäre Freshworks das erste in Indien gestartete Unternehmen mit eigenem Softwareprodukt, das den Sprung an den US-Finanzplatz schafft: „Für Indiens Start-up-Szene wäre das ein großartiges Signal“, sagt Mathrubootham. „Es würde zeigen, dass man tolle Unternehmen überall auf der Welt aufbauen kann.“

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Auf einen genauen Zeitplan will er sich zwar noch nicht festlegen, aber als nächster großer Schritt steht der Börsengang für ihn fest: „Wir warten jetzt noch auf das richtige Timing“, sagt er im Gespräch mit dem Handelsblatt. Zur Vorbereitung plant er eine weitere kräftige Expansion – unter anderem in Deutschland.

Freshworks, das vor wenigen Wochen weitere 150 Millionen Dollar von Investoren wie Googles Private-Equity-Firma CapitalG einsammeln konnte, bietet Unternehmenssoftware für das Management von Kundenbeziehungen und steht damit in Konkurrenz zu Silicon-Valley-Firmen wie Salesforce und Zendesk. Dass er sich mit seinem vor fast einem Jahrzehnt gegründeten Start-up auf dem Markt behaupten konnte, erklärt sich Mathrubootham mit einem besonderen Fokus.

Offensive in Deutschland

Im Gegensatz zu den meisten Wettbewerbern habe er von Beginn an in erster Linie nicht Großkonzerne, sondern kleine und mittelgroße Unternehmen als potenzielle Kunden ins Visier genommen. Mit einer Vielzahl von Einzelverträgen, die vielfach nur ein paar Hundert Dollar pro Monat ausmachten, arbeitete er sich nach oben: Im Sommer vergangenen Jahres konnte Mathrubootham dann den Meilenstein von 100 Millionen Dollar Jahresumsatz vermelden.

Das Erfolgsrezept will Mathrubootham in Deutschland fortsetzen: Das Wort Mittelstand ist dem Inder ohne Übersetzung ein Begriff. „Deutschland ist mit Blick auf die große Zahl an mittelständischen und familiengeführten Unternehmen ein einzigartiger Markt“, sagt er. Um die Firmen von seinem Produkt zu überzeugen, plant Mathrubootham nun eine Offensive: In seinem Berliner Büro hat er derzeit rund 70 Angestellte.

Im kommenden Jahr will er die Zahl der Mitarbeiter mindestens verdoppeln: 70 bis 100 neue Kollegen sollen hinzukommen – vor allem für den Vertrieb und das Marketing. Der Standort Berlin bringt den Start-up-Chef ins Schwärmen: „Man kann die Begeisterung der Menschen in der Stadt richtig spüren“, findet er. „Man sieht dort ständig so viele junge Leute. Es fühlt sich ganz anders an als Frankfurt oder München.“

Mathruboothams Zuneigung zu Deutschland drückt sich auch in seiner Autosammlung aus: Rund 20 Fahrzeuge befinden sich derzeit in seinem Besitz – und die deutschen sind seine Lieblinge: Wenn er mit einem Chauffeur unterwegs ist, bevorzuge er seinen Mercedes-Maybach, sagt der Unternehmer. Wenn er selbst am Steuer sitze, dann habe er seinen Porsche Panamera Turbo am liebsten.

Er wünscht sich auch, dass seine Mitarbeiter, von denen der Großteil in Indien sitzt, teure Autos haben können: „Mein Ziel ist, dass sich alle meine Angestellten einen BMW leisten können“, verkündete er in einem indischen Zeitungsinterview. Dass er selbst die große Auswahl zwischen Luxusmarken hat, ist für Mathrubootham ein vergleichsweise neues Gefühl.

Der Unternehmer stammt aus einer Familie der indischen Mittelschicht. Sein Vater hatte in einer Bank gearbeitet, seine Kindheit verbrachte Mathrubootham beim Cricket-Spielen auf den Straßen der südindischen Stadt Tiruchirappalli. Bei seinem Elternhaus gab es Kokosnuss-, Mango- und Papayabäume. Die Papayas hätten aber nur den Affen geschmeckt, erinnert er sich.

Früher Unternehmergeist

In einem Spieleladen traf sich Mathrubootham mit seinen Freunden, um „Super Mario“ am Automaten zu zocken – das waren die ersten Kontakte mit der digitalen Welt. Obwohl die Erinnerungen idyllisch klingen, war Mathruboothams Kindheit nicht einfach: Seine Eltern ließen sich scheiden, was in Indien höchst selten vorkommt. Scheidungen gelten in dem Land immer noch als Tabu, die Scheidungsraten ist eine der niedrigsten der Welt.

Mathrubootham blieb bei seinem Vater, der eine neue Ehe einging – eine Situation, mit der sich Mathrubootham als junger Teenager eigenen Erzählungen zufolge nicht zurecht fand. In der Schule und im Studium – er studierte Ingenieurwissenschaften und machte einen MBA in Chennai – sei er nie besser als der Durchschnitt gewesen.

Unternehmergeist zeigte er hingegen schon früh: Nachdem er bei einem Job die Programmiersprache Java gelernt hatte, gründete er eine Schule, in der er seine Kenntnisse teilte. Das Unternehmen stellte er kurz nach der Jahrtausendwende aber wieder ein, nachdem Java zwischenzeitlich etwas aus der Mode gekommen war.

2010 wagte Mathrubootham den zweiten Versuch in der Selbstständigkeit. Auslöser dafür war ein Bericht über seinen heutigen Wettbewerber Zendesk, der damals seine Preise zum Teil stark erhöht hatte und den Zorn von Kunden auf sich zog. Mathrubootham sah das als beste Gelegenheit, um ein Konkurrenzprodukt zu schaffen. Er nannte es Freshdesk und bot wie sein Vorbild eine Softwarelösung, mit der Unternehmen Kundensupportanfragen bearbeiten können.

Die Arbeit an dem Unternehmen erledigte er in Chennai, den offiziellen Hauptsitz hatte er aber vom ersten Tag an in den USA, um Kreditkartenzahlungen der Kunden besser verarbeiten zu können. In der Branche fiel der Unternehmer schnell auf, wenn auch nicht immer positiv: Zendesk-Gründer Mikkel Svane nannte Freshdesk öffentlich „einen verdammten Abklatsch“.

Großes Selbstbewusstsein

Mathrubootham nutzte die Konfrontation für eine Marketingaktion: Er stellte eine Website ins Netz, die dem Streit gewidmet war, und veröffentlichte darauf das oft Mahatma Gandhi zugeschriebene Zitat: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ Mit der Konkurrenz geht der Inder seither nicht zimperlich um: Über eine Salesforce-Veranstaltung im vergangenen Jahr ließ er einen Zeppelin mit der Aufschrift „Failsforce“ fliegen.

Dem großen Selbstbewusstsein zum Trotz sehen Beobachter aber auch Schwachstellen bei Freshworks: Das Unternehmen habe sich zwar bei kleinen und mittelgroßen Firmen gut etabliert, stellte das Marktforschungsunternehmen Gartner fest. Es sei aber noch nicht gelungen, in ähnlichem Maße auch bei Konzernkunden Fuß zu fassen, die komplexere Geschäftsprozesse haben.

Mathrubootham weist die Kritik zurück: Auch große Firmen hätten inzwischen Gefallen an seinen Softwareprodukten gefunden, sagt er. Er hält es aber dennoch für notwendig, persönlich dafür zu sorgen, dass sein Unternehmen bekannter wird. Er zog deshalb in diesem Jahr von Indien nach Kalifornien um: „Es fällt mir hier leichter, Aufmerksamkeit für unser Unternehmen zu schaffen.“