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Starkstrom für die Autobahn

Das Elektroauto ist die Zukunft. Darin ist sich die Autoindustrie einig. Doch für den Massenmarkt fehlen Ladestationen, insbesondere auf der Langstrecke. Der Wettbewerb um die besten Standorte hat begonnen.

Michiel Langezaal freut sich über den neuen Mitstreiter. „Es ist gut, dass Ionity an den Start geht“, sagt der Unternehmer aus Amsterdam. „Aber die deutsche Autoindustrie kommt mit dem Projekt zu spät und es ist zu wenig“, stichelt der Co-Gründer des Startups Fastned. Denn während die deutsche Konkurrenz noch ihre Website pflege, „machen wir pro Woche eine Station auf“, sagt Langezaal im Gespräch mit dem Handelsblatt.

An Selbstbewusstsein mangelt es den Fastned-Gründern nicht. Die Niederländer sehen sich als Avantgarde in einem Markt, der jetzt ins Rollen kommt. Mehr als 60 Stationen hat das Unternehmen in den Niederlanden in Betrieb, für weitere 200 hat man Lizenzen. Die Verfügbarkeit von solcher Schnellladestationen an praktisch jeder Raststätte ist eine Voraussetzung dafür, dass unser Nachbarland bei der Verbreitung von Stromautos ein gutes Stück voraus ist. Langezaal reicht das aber nicht mehr. „Wir wollen ein großes Netzwerk in Europa aufbauen“, sagt der Niederländer. Allein für Deutschland liegen Pläne für mehrere Dutzend Stationen auf dem Tisch.

Seit Jahren wird in Deutschland über die Einführung von Stromautos diskutiert. Doch bislang hatte die deutsche Autoindustrie weder attraktive Modelle, noch fanden sich genug Investoren für die notwendige Ladeinfrastruktur. Beides ändert sich nun. Mit einer großen Modelloffensive will die deutsche Industrie den Rückstand auf den Elektropionier Tesla aufholen. Und auch das Schnellladenetz entlang der deutschen Autobahnen soll rasch Gestalt annehmen. Anfang November gründete die deutsche Autoindustrie mit „Ionity“ eine eigene Gesellschaft zum Aufbau eines Schnellladenetzes, das schon im kommenden Jahr die ersten Anschlüsse legen will, aber bislang nur einen Briefkasten hat.

Der Plan ist ambitioniert: 400 Stationen sind in Europa bis 2021 geplant, alleine 100 in Deutschland. Weitere Anbieter stehen bereit: Neben Ionity und Fastned sind auch der niederländische Betreiber Allego und Smatrics aus Wien in den Startlöchern, auch die deutschen Versorger wollen in den Markt. Das größte Netz in Europa hat aber nach wie vor Tesla: Die Amerikaner betreiben mittlerweile 300 Stationen mit fast 2000 Schnellladestationen nur für den Bedarf ihrer Kunden. 55 solcher „Supercharger“ stehen davon in Deutschland, sechs sind aktuell in Bau. Damit hat Tesa heute schon ein Netz, das die deutsche Autoindustrie erst in den kommenden drei Jahren im Hauruck-Verfahren aufbauen will.

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Ionity hat sich mit dem Rasthausbetreiber Tank & Rast verbündet, der über die meisten Flächen entlang der Autobahnen verfügt. Dort teilt man die großen Pläne eines flächendeckenden Ladenetzes, muss aber einschränken: „Teilweise verzögern bauliche und technische Voraussetzungen den Aufbau der Schnellladesäulen“ , erklärt das Unternehmen auf Anfrage. So müssen die Leitungen und Trafos entlang der Autobahnen aufgerüstet werden. Deshalb setzt der Bonner Rasthausbetreiber auf mehrere Pferde: Neben eigenen Ladesäulen arbeitet man eng mit den Stromversorgern zusammen. So hat die Essener RWE-Tochter Innogy bereits 150 Ladesäulen bei Tank & Rast installiert, auch EnBW und Eon haben Standorte bei dem Bonner Dienstleister.

Mit Ausnahme von Tesla haben sich alle europäischen Autohersteller auf den Ladestandard Combined Charging System (CCS) geeinigt, eine wichtige Voraussetzung für Investitionen. Der Ausbau soll auch mit Steuergeld finanziert werden: Alleine die Bundesregierung will bis zum Jahr 2020 Fördermittel in Höhe von 300 Millionen Euro für die Entwicklung des Ladenetzes verteilen. Von den 15.000 geplanten Ladesäulen, sollen 5000 mehr als 50 Kilowatt leisten. Dann will die deutsche Autoindustrie mit Modellen wie dem „Audi Q6-etron“, dem VW-ID und dem Mercedes EQ-C die nächste Welle ihrer Stromautos auf die Straßen schicken.


„Die Kunden werden bereit sein, höhere Preise zu zahlen“

Dafür muss jedoch nicht nur die Ladeinfrastruktur in den Städten ausgebaut werden, sondern vor allem ein dichtes Netz entlang der Autobahnen und Rasthöfe entstehen, das ein Reisen mit einem Stromer genauso bequem macht wie mit einem herkömmlichen Auto.

Der Kampf um die lukrativsten Standort ist längst eröffnet, denn der Bedarf dürfte rasch steigen. Roland Berger-Experte Wolfgang Bernhart geht davon aus, dass die Zahl der Schnellladesäulen in Deutschland auf einige Tausend steigen muss, um Wartezeiten und damit Frust bei den Kunden zu vermeiden. Das sei auch machbar, denn nach der Aufbauphase sei der Betrieb eines solchen Netzes durchaus lohnend. „Wegen der kurzen Ladezeiten und der hohen Auslastung dürften insbesondere die Schnellladestationen an den Autobahnen längerfristig ein gutes Geschäft werden“, sagt Bernhart.

Denn während in Städten langsames Laden mit relativ schwacher Leistung meist ausreicht, sollen an Autobahnen Säulen mit Leistungen von 150 Kilowatt und mehr dafür sorgen, dass eine Kaffeepause genügt, um wieder mehrere hundert Kilometer Reichweite an Bord zu nehmen. „Dafür werden die Kunden dann auch bereit sein, höhere Preise zu zahlen“, glaubt Bernhart.

Die Branche arbeitet grenzübergreifend und lässt ihre Ladestationen entlang der Hauptverkehrsachsen bauen. Als Minimum für eine gute Abdeckung gilt ein Abstand von 120 Kilometern zwischen den Stationen. Die müssen aber auch ständig aufgerüstet werden, denn mit der Leistungsfähigkeit der Batterien steigt auch der Bedarf an leistungsstarken Ladesäulen. Anfang November kündigte Eon gemeinsam mit dem dänischen Dienstleister Clever an, 180 Ladestationen in sechs europäischen Ländern errichten zu wollen und damit sieben Länder zwischen Norwegen und Italien zu verbinden. Deutschland soll als Haupttransitland in Europa die meisten Säulen erhalten.

Ähnliche Ambitionen verfolgt das Projekt „Ultra“. Die österreichische Smatrics und die niederländische Allego wollen ein Netz von Amsterdam bis Graz aufbauen und durchgehend Schnellladestationen mit bis zu 350 Kilowatt vorhalten. Auch Ionity, das Stromtankstellennetz der deutschen Autohersteller will mit 350 Kilowatt arbeiten. Maßstab ist unter anderem Porsche. Der Sportwagenbauer hat für das Jahr 2019 einen „Tesla-Killer“ angekündigt, der mit rund 440 Kilowatt auf die Straße geht, das entspricht rund 600 PS. Aber auch Fahrer von weniger leistungsfähigen Stromautos dürften ungern länger als eine Kaffeepause warten wollen, bis die Batterien wieder halbwegs voll sind.

„Die Elektroautos werden besser, die Ladestationen werden besser, beides bedingt sich“, sagt Fastned-Gründer Langezaal. Das Unternehmen schreibt weiter hohe Verluste, sammelt aber frisches Kapital, um den Ausbau seines Ladenetzes zu finanzieren. Dass Fastned durch große Konkurrenten wie Ionity aus dem Feld geschlagen wird, daran glaubt Langzaal nicht.

Dafür habe man in den vergangenen Jahren zu viel Wissen gesammelt und arbeite an Innovationen wie einem intelligenten Ladekabel, das ein Auto erkennt und das Bezahlen mit Karte oder App überflüssig macht. Alle folgenden Ladevorgänge werden dann automatisch abgerechnet. Zudem habe man in den Niederlanden jahrelang Erfahrung mit dem Betrieb gesammelt. „Unsere Stationen funktionieren zu 99,99 Prozent, das soll uns erst einmal einer nachmachen“, sagt Langzaal.