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Stahlarbeiter erklären, warum der Staat bei Thyssen-Krupp einsteigen soll – und Liberty keine Lösung ist

Der mögliche Staatseinstieg bei Thyssen-Krupp polarisiert die Gemüter. Viele Stahl-Mitarbeiter demonstrierten am Freitag für eine Beteiligung.

Die IG Metall fordert einen Einstieg des Staats bei der Stahlsparte von Thyssen-Krupp. Foto: dpa
Die IG Metall fordert einen Einstieg des Staats bei der Stahlsparte von Thyssen-Krupp. Foto: dpa

Schon vom anderen Ufer aus sind die weißen Mannschaftsbusse gut zu erkennen, mit denen am Freitag Tausende Stahlarbeiter zur Kundgebung der IG Metall auf den Düsseldorfer Rheinwiesen angereist sind. Die Gewerkschaft fordert einen Staatseinstieg bei Thyssen-Krupp, um die Not des wankenden Stahlriesen während der Coronakrise zu lindern.

Gleich zu Beginn macht Jürgen Kerner, Vize-Aufsichtsratschef bei Thyssen-Krupp und Hauptkassierer der IG Metall, klar, warum sich die Belegschaft trotz Corona und ungemütlichem Herbstwetter an diesem Ort versammelt. „Wir brauchen den Staatseinstieg bei Thyssen-Krupp Steel“, sagt der Gewerkschafter zur Begrüßung. „Und zwar jetzt!“

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Schon seit Wochen trommelt die Gewerkschaft dafür, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen oder der Bund an der Stahlsparte von Thyssen-Krupp beteiligt. Bislang allerdings zögern sowohl Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier als auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU).

Förderung für klimaneutralen Stahl

Sie verweisen auf staatliche Förderungen, mit denen die Politik die Stahlproduzenten bei der Transformation zu klimaneutralen Produktionsverfahren unterstützen will. Doch aus Sicht der Gewerkschafter ist das nicht genug – auch weil im Fall von Thyssen-Krupp zusätzlich viele Milliarden investiert werden müssen, um die bereits bestehenden Anlagen zu modernisieren.

Stahlarbeiter wie Betriebsratschef Tekin Nasikkol sind wütend, dass sich das Land angesichts der 20.000 betroffenen Jobs in der Region mit konkreten Zusagen bislang zurückhält. Dabei sieht er die Ursache in der Misere vor allem beim Mutterkonzern, der die nötigen Investitionen jahrelang verschlafen habe. Nun sei der Konzern wegen der Coronakrise dazu nicht mehr in der Lage. Der Staat muss einspringen, so seine Forderung.

Tatsächlich hat die Coronakrise ein tiefes Loch in die Bilanz des Ruhrkonzerns gerissen. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet die Konzernführung mit einem negativen Cashflow von fünf bis sechs Milliarden Euro. Finanziert wird das auch durch den Verkauf der profitablen Aufzugsparte, mit dem Thyssen-Krupp im Sommer rund 17 Milliarden Euro erlöst hatte.

Dramatischer Mittelabfluss

Zwar ist das Unternehmen mit diesem Finanzpolster bis auf Weiteres solide finanziert. Doch durch den wirtschaftlichen Einbruch infolge der Pandemie sind die Zukunftsbudgets, mit denen der Vorstand die verbleibenden Geschäfte eigentlich weiterentwickeln wollte, akut gefährdet.

Besonders stark betroffen ist davon die Stahlsparte, die den größten Teil des Geschäfts ausmacht. Allein zwischen Oktober 2019 und Juni 2020 gingen hier mehr als 840 Millionen Euro verloren, die nur zu einem kleinen Teil durch Gewinne in anderen Sparten ausgeglichen werden konnten.

Um den Mittelabfluss zu begrenzen, sucht Thyssen-Krupp-Vorstandschefin Martina Merz schon seit einigen Wochen nach einem Partner für das Stahlgeschäft. In der Belegschaft sorgt das für Unsicherheit: Groß ist die Angst, ein Konkurrent könnte nur die werthaltigen Teile übernehmen und die defizitären Werke schließen – auch weil der europäische Stahlmarkt schon lange unter Überkapazitäten leidet, die für Preisdruck bei den Herstellern sorgen.

Angst um Arbeitsplätze

Dass Thyssen-Krupp allein nicht in der Lage ist, das Geschäft zu sanieren, sehen auch die Stahlarbeiter so. „Wir sind am Ende, auch durch die Coronakrise“, sagt ein Mitarbeiter aus Bochum, der auch im Betriebsrat vertreten ist. „Wenn das so weitergeht, haben wir wirklich Angst um unsere Arbeitsplätze – und den Standort Deutschland.“

Einen Verkauf an einen ausländischen Investor wie Liberty Steel halten die Arbeitnehmer dabei mehrheitlich für eine schlechte Lösung. Während der Kundgebung hatte der britische Stahlproduzent ein nicht-bindendes Angebot für eine Komplettübernahme abgegeben und war der IG Metall damit in die Parade gefahren.

„Die Investition muss vom Staat kommen – nicht aus dem Ausland“

Dabei hat Vize-Aufsichtsratschef Jürgen Kerner Zweifel daran, dass Liberty in der Lage und auch willens ist, die nötigen Investitionen bei Thyssen-Krupp Steel zu finanzieren. Mit dem jetzigen Management hatte die Gewerkschaft bis 2030 Gesamtinvestitionen von rund sechs Milliarden Euro vereinbart. Hier müsse der Staat unterstützen, sagte Kerner.

Doch nicht bei allen Stahlarbeitern sorgt die Vorstellung eines Staatseinstiegs für Begeisterung. So hat sich abseits des offiziellen Protestgeländes auch eine kleine Gruppe formiert, die sich gegen eine Beteiligung des Landes oder des Bundes an Thyssen-Krupp Steel stellt – und damit auch gegen die Forderung der meisten ihrer Kollegen.

Gegenstimme von Linksaußen

Unter ihnen ist auch Peter Römmele, ehemaliger Betriebsrat und Politiker bei der MLPD. Er sieht den Vorstand in der Pflicht, zu erklären, wo die 17 Milliarden Euro aus dem Verkauf des Aufzugsgeschäfts abgeblieben sind – und fordert, staatliche Gelder lieber in die öffentliche Daseinsfürsorge, wie das Gesundheitssystem, zu investieren.

Trotz des beherzten Plädoyers für einen Staatseinstieg, ließ sich der Überraschungsgast des Tages, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, auf der Bühne keine feste Zusage entlocken. Allerdings sagte Laschet den Stahlarbeitern finanzielle Unterstützung beim Umstieg von Kohle auf Wasserstoff zu, der bei Thyssen-Krupp allein voraussichtlich mit zehn Milliarden Euro zu Buche schlägt.

Keine feste Zusage von Laschet

Die Branche sei „systemrelevant für Deutschland und für Nordrhein-Westfalen“, wiederholte der CDU-Politiker sein bisheriges Mantra vor den versammelten Demonstranten – und wurde immerhin dafür von den Stahlarbeitern mit Applaus bedacht.