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„Staatliche Schulplattformen können gar nicht störungsfrei funktionieren“

Fast ein Fünftel aller Schüler nutzen in der Pandemie eine Lern-Plattform von IServ. Deren Geschäftsführer erklärt, warum die staatlichen Systeme so schlecht funktionieren – und nicht billiger sind.

Fast ein Fünftel aller Schüler nutzen die Plattform von IServ. Foto: dpa
Fast ein Fünftel aller Schüler nutzen die Plattform von IServ. Foto: dpa

Mehr als zehn Millionen Schüler sind nun im Lockdown wieder auf Fernunterricht angewiesen. Doch die staatlichen Schulplattformen funktionieren in vielen Ländern nur schlecht. Kein Wunder, sagt der Chef des privaten Anbieters IServ: „Die können so, wie sie sind, also zentral organisiert, eigentlich gar nicht störungsfrei funktionieren“, erklärt er im Handelsblatt-Interview.

IServ aus Braunschweig betreut mittlerweile 4500 Schulen mit 2,3 Millionen Nutzern, was 20 Prozent aller Schüler in Deutschland entspricht. Es ist dezentral aufgebaut, daher könne das System auch „maximal an einer Schule gleichzeitig ausfallen“. Auch habe es nicht die Datenschutzprobleme ausländischer Anbieter wie Microsoft oder Zoom.

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Ein Problem sei allerdings, dass nach Schätzungen des Lehrerverbandes noch immer rund die Hälfte der Schulen kein schnelles Internet hat. Denn ohne sei zumindest Hybridunterricht – bei dem ein Teil der Schüler zu Hause und ein Teil in der Schule lernt und so die Zahl der Kontakte reduziert wird, – technisch nicht möglich.

Heindl kritisiert, dass Schulen in Ländern wie NRW oder Baden-Württemberg in der Praxis gezwungen würden, im Homeschooling dennoch mit der jeweiligen Landesplattform zu arbeiten: Denn „die Schulen erhalten dort Fördergeld aus dem Digitalpakt nur für die Landesplattform, aber nicht für Anbieter wie uns“.

Lesen Sie hier das gesamt Interview:

Herr Heindl, wie sehr haben Sie von Corona profitiert?
Im März 2020 haben wir 2100 Schulen betreut, inzwischen sind es gut 4500 mit 2,3 Millionen Nutzern. Das sind etwa 20 Prozent aller Schüler in Deutschland, die mittlerweile mit unserer Plattform arbeiten. Insgesamt sind wir jetzt schon größer als etwa die bayrische Plattform Mebis.

IServ ist ähnlich aufgebaut wie Microsoft Teams?
Ja, nur dass wir spezialisiert sind auf Schulen.

Und das läuft störungsfrei?
Ja (lacht). Das Geheimnis ist, dass unsere Plattform – anders als die der Länder – seit 20 Jahren dezentral in den Schulen läuft. Das heißt: IServ läuft auf Servern in der Schule. Wenn also mal etwas schiefgeht, ist immer maximal nur eine Schule betroffen und nicht alle im Bundesland. Und: Wir liefern bei Bedarf den kompletten technischen Support dazu, ein Rundum-sorglos-Paket inklusive Hotline.

Wir steuern auch die Laptops, versorgen sie mit Software. Damit verschwindet auch ganz schnell die in den Schulen noch sehr verbreitete Angst vor der Digitalisierung. All das gibt es bei den Lösungen der Länder in der Praxis nicht. Da können Lehrer niemanden anrufen, wenn es hakt. In Berlin zum Beispiel sind das nur fünf Leute, vier davon reine Entwickler, ein umfangreicher Support ist dann natürlich schwierig.

Warum machen das die Plattformen der Länder nicht auch so?
Die haben eine komplett andere, zentralisierte Struktur. Die kann so, wie sie ist, eigentlich gar nicht störungsfrei funktionieren. Aber der Umbau auf eine dezentrale Struktur ist technisch quasi unmöglich.

Microsoft Teams funktioniert doch auch zentral …
Ja, aber das ist einer der weltweit größten Cloud-Anbieter, da können ganze Rechenzentren ausfallen, ohne dass Nutzer das spüren. Das kann eine Landesplattform wie die bayrische Mebis natürlich nicht leisten.

Aber die Schulen müssen auch für IServ zumindest leistungsfähige Server haben?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir installieren das System auf der Hardware der Schule, das bietet auch mehr Möglichkeiten. Manchmal scheitert das aber an der alten Hardware der Schulen, die es einfach nicht schafft, wenn da 1500 Schüler gleichzeitig ihre Hausaufgaben machen. Die zweite Möglichkeit ist eine komplette Cloud-Version, dann läuft IServ in einem unserer Rechenzentren in Deutschland.

Ohne schnellen Internetzugang – den bisher nur jede zweite Schule hat – geht aber gar nichts …
Richtig. Wenn alle Schüler zu Hause sind, ist alles kein Problem. Aber vor allem beim Hybridunterricht, den jetzt in der Pandemie viele Schulen praktizieren müssen, wenn also vielleicht 400 Schüler zu Hause mit 500 in der Schule zusammengeschaltet werden müssen, geht das nur mit schnellem Internetzugang in den Schulen.

Der Rat an die Minister wäre also: Wenn, dann bitte alle zu Hause?
Technisch ist das die einfachste Lösung, die auch mit schwachem Internetzugang funktioniert. Pädagogisch vielleicht nicht.

Datenschützer wollen Microsoft Teams und Zoom nicht in der Schule, weil die Daten nicht sicher seien. Wie lösen Sie das Problem?
Bei beiden landen Daten der Nutzer im Zweifelsfall auf einem Server in den USA. Das entspricht nicht der deutschen Datenschutz-Grundverordnung. So trat beispielsweise kürzlich eine Berliner Schule, die Teams genutzt hat, in einen „Digitalstreik“, weil sie nicht sicher war, was mit den sensiblen Daten der Schülerinnen und Schüler passierte. Für IServ stellt sich das Problem nicht. Denn alle Daten der Schulen liegen auf Servern in Deutschland oder direkt in den Schulen.

Sie werben „Wir digitalisieren deine Schule in 45 Minuten“. Was heißt das?
Wir wollen damit ein wenig provozieren, weil gerade in den Schulen alle denken, Digitalisierung ist unheimlich kompliziert und dauert ewig. Wer sich bei uns anmeldet, kann innerhalb einer Schulstunde mit dem Unterricht loslegen.

Können Schulen frei zwischen einer Landesplattform und Ihnen oder anderen Privaten wählen?
In vielen Ländern ja, manchmal auch der Schulträger, also die Kommune. Manche Länder, wie etwa Baden-Württemberg oder NRW, machen ihnen das aber sehr schwer, weil die Schulen das Fördergeld aus dem Digitalpakt nur für die Landesplattform bekommen, aber nicht für Anbieter wie uns. Die Landeslösung ist dann auch fast umsonst für die Schulen, wir sprechen hier von Summen von 200 Euro pro Jahr.

Was kostet IServ?
Fünf Euro pro Jahr und Schüler. Grundschulen vier Euro, Berufsschulen sechs. Also für ein Gymnasium mit 2000 Schülern 10.000 Euro pro Jahr.

Ist doch klar, dass die Schulen dann lieber die billige Landesplattform nehmen.
Ja, aber irgendwer zahlt ja doch. Die HPI-Plattform zum Beispiel wurde vom Bund mit 22 Millionen Euro gefördert, in die baden-württembergische Plattform Ella sind schon zehn Millionen geflossen.

Der Lehrerverband fordert eine bundesweite Plattform für alle Schulen – dann wäre Ihr Geschäft am Ende?
Vermutlich. Aber es wäre technisch nicht möglich. Denn die Schulen sind nicht alle gleich und haben unterschiedliche Anforderungen. Deshalb nutzen manche Schulen drei verschiedene Lösungen. Es kann nicht die eine Lösung für die Grundschule in Schleswig-Holstein, die Berufsschule in Stuttgart und das Gymnasium in München geben.

Selbst unser System ist maximal für 90 Prozent aller Schulen praktikabel. Außerdem haben sich die Landesplattformen ja bisher nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Denen jetzt eine bundesweite Lösung zuzutrauen – schwierig.

Mehr: In Deutschland funktioniert keine Lernplattform problemlos.

Der IServ-Geschäftsführer kritisiert den zentralen Aufbau staatlicher Lernplattformen. Foto: dpa
Der IServ-Geschäftsführer kritisiert den zentralen Aufbau staatlicher Lernplattformen. Foto: dpa