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Sputnik V: Können die Russen Europas Impfkampagne retten?

Russland will Europa seinen Impfstoff Sputnik V zur Verfügung stellen. In der EU zeigt man sich offen. Doch die russische Offerte wird auch mit Skepsis gesehen.

Die EU-Kommission sieht die gemeinsame europäische Impfstoffbeschaffung trotz heftiger Kritik weiter als Erfolg. Brüssel verweist darauf, dass mehr als zwei Milliarden Dosen von sechs verschiedenen Herstellern bestellt worden seien. Der Großteil dieser Dosen existiert derzeit allerdings nur auf dem Papier. Nur drei der sechs Vakzine, auf die Europa gesetzt hat, sind bislang zugelassen.

Dazu kommen die Verzögerungen im Lieferzeitplan des Pharmakonzerns Astra-Zeneca, auch die Produktion beim Impfstoff von Biontech und Pfizer stockte. Bislang wurden in der Europäischen Union deutlich weniger Menschen immunisiert als etwa in Israel oder Großbritannien.

Inmitten des Impfchaos erreichte Europa ein Angebot aus Russland, das der EU mit seinem Vakzin Sputnik V aushelfen will. Noch vor wenigen Monaten waren die Zweifel an der Wirksamkeit von Sputnik V groß, jüngste Daten gelten aber als durchaus vielversprechend. Die EU-Kommission und Deutschland zeigen sich nun offen für den möglichen Einsatz des russischen Vakzins, doch es bleiben einige Fragen.

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Was hat Russland der EU angeboten?

Ein Sprecher des russischen Staatsfonds RDIF, der die Entwicklung und Produktion von Sputnik finanziert, stellte der EU für das zweite Quartal 100 Millionen Impfdosen in Aussicht – wenn die EU-Arzneimittelbehörde Ema das Vakzin zulasse. Das Thema kam auf höchster politischer Ebene zur Sprache, bei Telefonaten von Staatschef Wladimir Putin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Die europäisch-russischen Beziehungen sind seit Jahren belastet, die Verurteilung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hat die Spannungen aktuell noch verschärft. Moskau dürfte ein Interesse haben, sich mit einer Kooperation beim Impfstoff als Partner der EU darstellen zu können.

Liefern will der RDIF an die EU „nach Abschluss des Hauptteils der Massenimpfung in Russland“. Das aber kann dauern: Bisher sind zwei Millionen Russen laut russischem Gesundheitsministerium gegen Covid-19 geimpft worden. Bis Juni sollen es 70 Millionen Russen sein, versprach Putin. Das aber wäre nicht einmal die Hälfte der Einwohner.

Auch die Produktionszahlen kommen nur langsam in Fahrt: Zwar produziere die Industrie bereits „deutlich mehr Dosen als geplant“, sagte Putin. Der Plan sieht bisher die Herstellung von elf Millionen Dosen im Februar und eine Steigerung im März auf 15 Millionen Dosen vor. Notfalls könnte die Produktion sogar noch erhöht werden, unterstrich Industrieminister Denis Manturow.

Wie das geschehen soll, ist unklar. Auch Putin hatte eingeräumt, dass es bisher zu geringe Produktionskapazitäten gebe. Bei den Telefonaten des russischen Präsidenten mit Merkel und Macron ging es auch darum, dass europäische Länder in die Sputnik-Produktion einsteigen. Die Engpässe bei der Herstellung im eigenen Land könnten also auch ein Grund sein dafür, dass Moskau mit seinem Impfstoffangebot auf die EU zugegangen ist.

Medienberichten zufolge haben die Russen Kontakt mit der Dessauer Firma IDT Biologika aufgenommen, die aus dem früheren VEB Kombinat Veterinärimpfstoffe der DDR hervorgegangen ist. Das Unternehmen hatte zunächst an einem eigenen Corona-Impfstoff gearbeitet, der jedoch nach ersten Prüfungen durchfiel. Jetzt ist die Firma als möglicher Produktionspartner für Sputnik V im Gespräch. Auf eine Anfrage des Handelsblatts reagierte IDT Biologika nicht. Auch der RDIF-Sprecher wollte eine mögliche Kooperation mit der Firma aus Sachsen-Anhalt nicht kommentieren.

In welchen Ländern kommt Sputnik bereits zum Einsatz?

Der Impfstoff wird schon weit über die Grenzen Russlands hinaus verwendet. Derzeit ist er in mehr als 15 Ländern zugelassen, neben Russland sind dies etwa Argentinien, Tunesien, Ägypten und Pakistan. Laut dem staatlichen russischen Investmentfonds RDIF ist das Mittel weltweit bereits mehr als zwei Millionen Menschen verabreicht worden – meist über Nofallzulassungen. Auch in Russland gibt es noch keine offizielle Zulassung, da die Studien noch nicht final abgeschlossen sind. Doch das Land hat schon im Dezember mit den Sputnik-Impfungen in Risikogruppen begonnen. Das schwer von der Pandemie betroffene Mexiko orderte Ende Januar per Notfallzulassung 24 Millionen Dosen.
Auch in der EU wurde Sputnik schon geordert: Ungarn erteilte dem Mittel Ende Januar eine Notfallzulassung und soll zwei Millionen Dosen geliefert bekommen. Allerdings teilte die Führung der ungarischen Ärztekammer mit, „ihren Kollegen nicht mit gutem Gewissen die Verwendung dieser Produkte empfehlen zu können“.

Wie ist die europäische Haltung zum russischen Impfstoff?

Sowohl Kanzlerin Merkel als auch Gesundheitsminister Jens Spahn machten kürzlich deutlich, dass sie sich den Einsatz von Sputnik V vorstellen können. In der gesamten EU ist eine Offenheit gegenüber dem Vakzin zu spüren.

Die neue spanische Gesundheitsministerin Carolina Darias hat im Parlament auf eine Frage nach dem russischen Impfstoff Sputnik V erklärt, die Regierung werde jeden Impfstoff, der von der Ema zugelassen ist, „offen und mit Begeisterung“ entgegennehmen. Italiens Gesundheitsminister Roberto Speranza betonte Hoffnungen auf „Sputnik“: Man dürfe „keine Angst davor haben“.

Auch Tschechiens prorussischer Präsident Milos Zeman hat angekündigt, Putin darum zu bitten, seinem Land Sputnik V zukommen zu lassen. Frankreichs Staatschef Macron verwies auf die ausstehende Zulassung durch die Ema: „Das ist eine wissenschaftliche Entscheidung, keine politische“, sagte er. Der Austausch französischer Experten mit russischen Wissenschaftlern über Sputnik V sei aber „sehr positiv“ gewesen.

Aus der Kommission in Brüssel heißt es, jeder Impfstoff sei grundsätzlich willkommen. „Doch die Sicherheit der Bürger besitzt absoluten Vorrang“, sagte ein hoher EU-Vertreter. Ähnlich wird es auch im Europaparlament gesehen. „Wenn es einen Impfstoff gibt, der etwas taugt, sollten wir ihn in Europa nutzen“, sagte der Binnenmarktsprecher der EVP-Fraktion und Europaabgeordnete Andreas Schwab.

In EU-Kreisen wird allerdings vor dem Eindruck gewarnt, Sputnik V stünde in größeren Mengen für den internationalen Markt zu Verfügung. Die an Ungarn und den EU-Bewerberstaat Serbien gelieferten Impfstoffdosen werden in Brüssel als „PR-Trick“ der russischen Regierung eingestuft.

Fraglich ist, wie groß der Sputnik-Effekt für das europäische Impfprogramm tatsächlich sein würde. Das Mittel dürfte frühestens im zweiten Quartal durch die Ema zugelassen werden. Zu diesem Zeitpunkt könnte sich die Versorgungslage in der EU schon deutlich entspannt haben. Die Hersteller der bereits zugelassenen Mittel von Biontech, Moderna und Astra-Zeneca fahren derzeit ihre Produktionen hoch. Spätestens für das zweite Quartal wird auch damit gerechnet, dass der RNA-Impfstoff von Curevac sowie das Vakzin von Johnson & Johnson zugelassen ist.

Wie ist der aktuelle Stand bei der Zulassung in der EU?

In Moskau heißt es, der RDIF habe die Registrierung des Vakzins beantragt und alle Informationen dazu bei der Ema eingereicht. Es liege nun an der EU-Behörde, die Geschwindigkeit des Prüfprozesses zu bestimmen. Ein formaler Zulassungsantrag für den russischen Impfstoff wurde bisher aber offenbar noch nicht gestellt.

Auch zu einem rollierenden Zulassungsverfahren, wie es für die Impfstoffe von Astra-Zeneca, Biontech, Moderna, Johnson & Johnson sowie zuletzt auch für das Vakzin von Novavax eingeleitet wurde, ist bisher im Falle Sputnik nichts bekannt. Von daher ist zu vermuten, dass es noch mindestens drei Monate dauern dürfte, bis eine EU-Zulassung möglich wäre.

Marco Cavaleri, Chef der Ema-Abteilung für Impfstoffe und biologische Gesundheitsgefahren, sagte zu der Frage nach einer Zulassung für den russischen Impfstoff jüngst, man sei in Diskussionen mit dem russischen Institut und gebe wissenschaftlichen Rat mit Blick auf viele Aspekte im Zusammenhang mit der klinischen Entwicklung. Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist nach eigenen Angaben eingebunden: Im Rahmen von „regulatorischen Beratungen“ unterstütze man die russischen Kollegen dabei, die für eine Zulassung notwendigen Daten und Nachweise zu erbringen und die Voraussetzungen für einen EU-Zulassungsantrag zu erfüllen.

Wie funktioniert der Impfstoff?

Bei Sputnik-V handelt es sich um einen sogenannten Vektor-Impfstoff, bei dem ein genmodifizierter Virus genutzt wird, um den genetischen Code für das Spike-Protein des Sars-CoV-2-Virus in die Körperzellen zu transportieren. Diese werden dadurch zur Produktion des Proteins veranlasst, worauf dann das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern und Abwehrzellen reagiert. Die mRNA-Impfstoffe funktionieren im Prinzip ähnlich. Sie transportieren den Code für das Protein allerdings in Gestalt von Boten-Nukleinsäuren (messenger-RNA).

Die Entwickler von Sputnik V nehmen für sich in Anspruch, dass ihr Impfstoff durch die Verwendung von zwei verschiedenen Adenoviren als Vektoren (Ad26 und Ad5) für die erste und die zweite Dosis „wirklich effektiver als die Konkurrenz ist“. Das Konzept könnte dazu beitragen, eine der maßgeblichen Schwächen der Vektor-Impfstoffe zu vermeiden: Es besteht bei dieser Technologie die Gefahr, dass Menschen bereits eine gewisse Immunität gegenüber den Adenoviren besitzen oder nach der ersten Impfung entwickeln.

Die Viren werden in diesem Fall durch die Immunabwehr abgefangen und können dann ihre eigentliche Aufgabe als Transportvehikel für die eigentliche Impfsubstanz nicht mehr erfüllen, was die Effektivität der Impfstoffe, insbesondere bei der zweiten Dosis, mindern kann.

Wie wirksam ist Sputnik?

In der Wissenschaft wurden die frühen Aussagen des Gamaleya-Instituts und die vorzeitige Notfall-Zulassung für den Impfstoff in Russland zum Teil scharf kritisiert. Eine jüngst in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ publizierte Zwischenanalyse einer größeren Phase-3-Studie mit knapp 20.000 Teilnehmern weist das Vakzin des staatlichen russischen Gamaleya-Instituts allerdings als einen der wirksamsten Impfstoffe gegen Covid-19 aus.

Nach diesen Daten reduziert der Impfstoff das Risiko von symptomatischen Covid-Infektionen um 91,5 Prozent. Die Wirksamkeit bewegt sich damit annähernd auf dem Niveau der in Europa bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna und verspricht eine bessere Schutzwirkung als die Impfstoffe von Astra-Zeneca und Johnson & Johnson, die ebenso wie das Gamaleya-Produkt auf genmodifizierten Adenoviren basieren.

Für den vor Kurzem zugelassene Impfstoff von Astra-Zeneca geht die europäische Arzneimittelagentur Ema in ihrem Zulassungsdossier von einer Wirksamkeit von nur knapp 60 Prozent aus. Johnson & Johnson berichtete jüngst für sein Produkt eine Wirksamkeit von insgesamt 66 Prozent.

Peter Kremsner, der Direktor des Instituts für Tropenmedizin an der Universität Tübingen, bewertet die Ergebnisse als sehr solide –vorausgesetzt, die Daten wurde alle korrekt ermittelt. „Die Daten sind sehr vergleichbar mit den beiden bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna“, sagte er zu der Lancet-Analyse. „Damit hätten wir einen sehr guten dritten Impfstoff, der auch bei älteren Menschen vergleichbar wirkt.“