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Wieso Gosens auf Bierhoffs Spuren wandelt

Viele TV-Zuschauer werden sich am Donnerstag verwundert die Augen reiben, wenn die DFB-Elf auf Spanien trifft (Nations League: Deutschland - Spanien am Donnerstag ab 20.45 Uhr im LIVETICKER). Wer ist der Kerl da hinten links? Bundestrainer Joachim Löw hat als Alternative für den schwächelnden Dortmunder Nico Schulz mit Robin Gosens einen Debütanten nominiert, den kaum einer kennt.

Daran änderte auch der Einzug seiner Mannschaft in die Champions League-Endrunde wenig. Der Mann von Atalanta Bergamo hat nämlich nie in Deutschlands Profiligen gespielt, sein größter Verein war der 1. FC Bocholt (in der Jugend). Mit 18 wechselte er in die Niederlande zu Vitesse Arnheim. Seit drei Jahren spielt er in der Serie A für Bergamo, ist jetzt 26. Ein Spätstarter aus dem Nichts, für den das Ausland zum Sprungbrett in die Nationalelf wurde: das ist selten.

Mancher fühlt sich an Oliver Bierhoff erinnert, den Bundestrainer Berti Vogts mit 27 in Udine wiederentdeckte - sie kannten sich bereits aus den U-Mannschaften des DFB. Auf Drängen seiner Frau Monika nahm Vogts, noch auf der Suche nach einem Mittelstürmer, ihn mit zur EM 1996 nach England. Bierhoff dankte es ihm mit zwei Toren im Finale, darunter das erste Golden Goal der Fußballgeschichte. Es folgte eine beachtliche Karriere, die im WM-Finale 2002 nach 70 Einsätzen und 37 Toren endete. Heute ist er Nationalmannschaftsdirektor beim DFB.

Bierhoff und Co. - das sind Gosens' Vorgänger

Dennoch hinkt der Vergleich mit Gosens etwas, denn Bierhoff hatte als Teenager schon drei Bundesligajahre (70 Spiele/13 Tore) absolviert. Nach passablem Start in Uerdingen kam er weder beim HSV noch in Mönchengladbach zurecht und fuhr einen "Schlingerkurs auf Europas Fußballfeldern", wie es in Jürgen Bitters Nationalspielerlexikon (1999) heißt. Casino Salzburg, Ascoli Calcio und Udine hießen die Stationen, wo er fernab des Fokus deutscher Medien regelmäßig seine Tore schoss und köpfte. Zwischenzeitlich verschwand er sogar in Italiens 2. Liga.

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Sein DFB-Debüt im Februar 1996 in Portugal war eine kleine Sensation, schon im zweiten Spiel gegen die Dänen schoss er beide Tore zum 2:0-Sieg und die Zweifler wurden leiser. Der Rest ist bekannt, Deutschland hatte für die nächsten sechs Jahre wieder einen klassischen Mittelstürmer.

Vogts also war der erste Bundestrainer, der sich einen Debütanten aus dem Ausland holte, was die Vorgänger seit 1926, als Otto Nerz als Erster das Amt erhielt, nicht wagten. Aus verschiedenen Gründen. Dazu ein kleiner Exkurs:

Bis in die 60er-Jahre hinein war es schlicht undenkbar, im Ausland Fußball zu spielen. Weil auch die hochklassigen Spieler alle einen bürgerlichen Beruf hatten und vom Kicken konnte keiner eine Familie ernähren. Man blieb also, wo man war. Selbst Vereinswechsel innerhalb des Landes waren vor Bundesligagründung unüblich. Fußball war kein Beruf!

Nationalspieler zog es nach Italien

Als dann die ersten großen Angebote ins Land des Weltmeisters von 1954 flatterten - zumeist aus dem Süden Europas, wo es das Profitum längst gab - gingen sie natürlich an schon Etablierte wie Fritz Walter oder Uwe Seeler. Während diese Ikonen noch standhaft blieben, setzte in den frühen 60ern eine erste Italien-Welle ein, Schnellinger, Haller, Szymaniak oder Brülls zogen über die Alpen. Sie waren indes alle schon Nationalspieler.

Dann ließ der Strom nach. Der DFB fürchtete ein Ausbluten seiner gerade gegründeten Bundesliga und gebot: Wer ins Ausland geht, spielt nicht für Deutschland. Das zog er zwar nicht immer konsequent durch - sonst wäre ja nie das legendäre Schnellinger-Tor gefallen - aber insbesondere in der Ära Helmut Schön (1964-1978) versauerten etliche Legionäre in der Fremde. Selbst Wahl-New-Yorker Franz Beckenbauer durfte nicht zur WM 1978.

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In den Achtzigern lockerte der DFB seine weltfremde Doktrin, Jupp Derwall und Teamchef Beckenbauer hatten es besser. Der WM-Triumph von Rom 1990 wurde bekanntlich mit fünf "Italienern" gefeiert. Aber auch hier gilt: Sie waren schon vorher Stars, die ihre ersten Schritte in der Bundesliga machten.

Ist Klinsmanns Huth Löws Gosens?

Die Gosens von früher sind also allesamt dem 21. Jahrhundert entsprungen. Eingeführt hat sie der Mann, der wohl mehr als jeder andere Bundestrainer über den Tellerrand zu blicken pflegte. Beim Aufbau eines Teams für die Heim-WM 2006 war ihm nichts zu abwegig. Schon in Spiel eins der Klinsmann-Ära in Wien überraschte er Anhänger und Experten mit der Einwechslung des am Spieltag 20 werdenden Ost-Berliners Robert Huth, der als Teenager nach England gewechselt und nur ein Reservist beim FC Chelsea war.

Nach seinem Startelf-Debüt drei Wochen später gegen Brasilien wagte auch der kicker die nur zu erwartbare Überschrift: "Huth aus dem Hut gezaubert." Der Wahl-Engländer, in der Liga weiterhin unberücksichtigt, kommentierte seinen plötzlichen Einsatz cool: "Es gibt Schlimmeres."

Gilt auch für seine DFB-Karriere. Die Abwehrkante war zwar nie Stammspieler, fuhr aber zur WM und brachte es auf 19 Länderspiele. Nur eins davon unter Joachim Löw - und das nach dreijähriger Pause (2009) - der nicht ganz so viel von ihm hielt. Stärker setzte er auf den ebenfalls von Klinsmann in England entdeckten Thomas Hitzlsperger, der von der Bayern-Jugend mit 18 auf die Insel gezogen war. Im Dress von Aston Villa machte sich der Gewaltschütze einen Namen als "HitztheHammer".

Klinsmann nahm den Mittelfeldspieler mit zur WM, wo er neun Minuten spielte. Löw brauchte ihn bei der EM 2008 häufiger (viermal). Obwohl der heutige Sportvorstand des VfB Stuttgart es auf 52 Länderspiele brachte, blieb er immer ein (sehr geschätzter) Ergänzungsspieler.

Der im Herbst 2004 erstmals nominierte Moritz Volz (FC Fulham) wurde indes nicht mal das, es blieb bei einer Einladung ohne Einsatz. Löw hatte dank der in 2000 eingeführten Nachwuchsleistungszentren wieder mehr Auswahl und musste nicht unbedingt über die Grenzen blicken.

Mustafi als Negativbeispiel

2014 tat er es dennoch und überraschte sogar seinen Kapitän Philipp Lahm ("Ich muss zugeben: Den kenne ich nicht") kurz vor der siegreichen WM mit der Nominierung von Shkodran Mustafi. Der beim HSV ausgebildete Verteidiger mit albanischen Wurzeln hatte schon U-Länderspiele gemacht und war nach seinem Wechsel zu Sampdoria Genua im Visier der DFB-Scouts geblieben. Löw brachte ihn im Mai 2014 im "Alle-dürfen-mal"-Spiel gegen Polen, als er in Hamburg gleich zwölf Debütanten einsetzte.

Mustafi überzeugte nicht wirklich (Kicker-Note 4) und wurde aus dem WM-Aufgebot gestrichen. Dann verletzte sich Marco Reus und Mustafi sprang im letzten Moment auf den WM-Flieger auf, kam in Brasilien zu drei eher unglücklichen Einsätzen und darf sich Weltmeister nennen. Bei der EM 2016 machte er gegen die Ukraine sogar das erste deutsche Tor, nun als Spieler des FC Valencia.

Mittlerweile ist Mustafi zwar mit 28 im besten Fußballeralter, bei Löw jedoch durch den Rost gefallen, weil der Unstete bei seinem aktuellen Klub FC Arsenal schon länger zweite Wahl ist. Es scheint so, als käme zu seinen 20 Länderspielen keines mehr hinzu.

Amin Younes kann von einer solchen Bilanz nur träumen. Als der Ex-Gladbacher 2017 bei Ajax Amsterdam groß aufspielte, kam er in jenem Jahr zu fünf Länderspielen. Doch der heute 27 Jahre alte Dribbler stagnierte seither und wurde von Serge Gnabry und Leroy Sané rechts überholt. Auch sie gingen in England in die Lehre, debütierten aber jeweils als Bundesligaspieler.

Ferner debütierten als Legionäre:

Mustafa Dogan (Fenerbahce Istanbul): zwei Länderspiele 1999 - vorher bei Bayer Uerdingen

Kevin Trapp (Paris Saint-Germain): drei Länderspiele 2017-18 - vorher und aktuell wieder bei Eintracht Frankfurt

Emre Can (FC Liverpool, Juventus): 21 Spiele - jetzt Dortmund und vorher in München und Leverkusen.

Wo wird Gosens sich einreihen? Bei den Volltreffern, den Mitläufern oder den Flops?