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Sport-Scheck-Chef: „Wir wollen jetzt richtig aufs Tempo drücken“

Der Manager setzt große Hoffnungen in den neuen Eigentümer Galeria Karstadt Kaufhof. Er will nun zu einer Art „Booking.com des Sports“ werden.

Lange Jahre hat die Otto-Tochter Sport Scheck Verluste geschrieben. „Sie ist in einer schwierigen Marktsituation“, hatte Otto-Chef Alexander Birken noch jüngst im Handelsblatt-Interview betont. Nun soll der Sporthändler eine neue Chance bekommen: Er wird von der Signa-Holding des österreichischen Milliardärs René Benko übernommen und in den Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof eingegliedert.

Das Netz der Sporthäuser von Galeria Karstadt Kaufhof wächst damit um 17 innerstädtische Filialen. In Kombination von Sport Scheck und Karstadt Sports will das Unternehmen so zu einem der führenden Sporthändler in Europa werden. Karstadt Sports hatte seine Ambitionen gerade erst mit der Eröffnung von fünf neuen Filialen in Frankfurt, Wiesbaden, Heidelberg, Bonn und Lübeck untermauert.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt erklärt Sport-Scheck-Chef Markus Rech, was er sich vom neuen Eigentümer erhofft und welche Vorteile er in einer engen Zusammenarbeit insbesondere mit den Karstadt-Sports-Häusern sieht. Denn trotz des harten Restrukturierungskurses, den er in den vergangenen Jahren bei Sport Scheck durchgezogen hat ist ihm klar: „Mit einer Struktur als Stand-alone im Facheinzelhandelsmarkt lässt sich heute kein Geld verdienen.“

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Der Ausbau des Geschäftsmodells brauche Zeit und Investitionen. „Hier wollen wir jetzt richtig aufs Tempo drücken“, kündigt Rech an. Ziel sei es, vom reinen Händler zu einer Art „Booking.com für den Sport“ zu werden, sagt er. Neben dem Einkauf sollen Kunden auch beispielsweise Sportreisen, eine Fitnessstudio-Tageskarte oder eine Versicherung für eine Wochenend-Tour mit dem Mountain-Bike buchen können.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Rech, sind Sie froh, dass die Zeit der Unsicherheit vorbei ist?
Ja, es ist gut, dass nun klar ist, wie es auf der Eigentümerseite weitergeht. Die vergangenen Monate waren für die Mitarbeiter nicht einfach. Jetzt schauen wir nach vorne und freuen uns auf die Zukunft.

Haben Sie in dieser Zeit denn wichtige Köpfe verloren?
Die gute Geschäftsentwicklung half uns, wir konnten uns gegen die Marktentwicklung stemmen. Im ersten Quartal waren die Umsätze noch rückläufig, doch jetzt sind wir zwei Quartale infolge deutlich gewachsen.

Was bedeutet das konkret?
Wir haben auf nicht rentablen Umsatz verzichtet und Filialen geschlossen, darum steht unterm Strich aktuell noch ein leichtes Umsatzminus zum Vorjahr. Für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres liegen wir jedoch beim vergleichbaren Kunden-Umsatz mit fünf Prozent im Plus. Unser Onlinegeschäft wächst solide zweistellig, unser Marktplatzgeschäft für Partner sogar dreistellig.

Ist René Benko denn Ihr Wunschpartner?
Wir haben gemeinsam die Chance, einen europäischen Player zu bauen. Im Alleingang wäre das ein schwieriger Weg, mit einem starken Partner ist das Potenzial im Markt zu holen.

Aber Benko stand bei Karstadt anfangs unter dem Verdacht, vor allem an den Immobilien interessiert zu sein.
Wir haben keine eigenen Immobilien im Bestand, alle unsere Standorte sind gemietet.

Bei Karstadt gab es nach der Übernahme einen radikalen Sparkurs. Fürchten Sie das auch?
Effizienz hat für uns weiterhin eine hohe Bedeutung, bei der Restrukturierung sind wir dabei heute bereits weit fortgeschritten. Wir wachsen in Kundenumsatz und -bestand, unsere neuen Filialkonzepte funktionieren. Wir haben ein Ökosystem für einen aktiven und sportlichen Lebensstil aufgebaut. Neben dem Warengeschäft konzentrieren wir uns auf Content, Services und Erlebnisse.

Was bedeutet das denn in der Praxis?
Ein kleines Beispiel: Sie können bei uns nicht nur Ski- oder Laufschuhe kaufen, sondern auch passende Ski in Österreich mieten oder einen Stadtlauf dazu buchen – und dass in unserer Filiale oder von daheim aus.

Aber Sie machen weiter Verluste?
Mit einer Struktur als Stand-alone im Facheinzelhandelsmarkt lässt sich heute kein Geld verdienen und der Ausbau des Ökosystem-Geschäftsmodells braucht Zeit und Investitionen – hier wollen wir jetzt richtig aufs Tempo drücken.

Aber wann rechnen Sie nun mit schwarzen Zahlen?
Die Mietverträge für die Geschäfte und die Vereinbarungen für die Liefer-Infrastruktur laufen im Schnitt noch etwa vier Jahre. Solange die Verträge bestehen, ist das mit organischem Wachstum nicht machbar.

Wie weit sind Sie mit dem Umbau gekommen?
Als wir hier angefangen haben, wussten wir, dass größere Veränderungen notwendig sind. Wir haben uns daher zunächst um die Restrukturierung gekümmert, die Kosten massiv gesenkt und die Strukturen, Prozesse angepasst. Wir haben beispielsweise die Zahl der Marken von 800 auf 300 reduziert und die der Produkte von 32.000 auf 14.000 – und den vergleichbaren Umsatz nahezu identisch gehalten.

Und dann?
Wir wollen eine Art Booking.com für den Sport werden. Neben Produkten können Sie heute schon bei uns Sportreisen wie ein Trainingscamp buchen, eine Fitnessstudio-Tageskarte oder eine Versicherung für eine Wochenend-Tour mit dem Mountain-Bike kaufen. Es geht weg vom Katalogmarketing hin zur Customer Journey Marketingsteuerung. Wir haben eine vollständige Transformation des Geschäftsmodells gemacht: weg von einem reinen Handelsgeschäft hin zum Ökosystem für den aktiven und sportlichen Lebensstil. Wir haben unser Geschäft voll auf den Kunden ausgerichtet.

War das vorher nicht so?
Vorher ging es im Wesentlichen um kataloggetriebenen Umsatz und Marge. Nun ist der kundenzentrierte Handel Teil unseres Ökosystems und damit die Basis der Monetarisierung unseres Kundenzugangs. Neben Handelsumsatz und -marge sind signifikante, profitable neue Erlösströme aus Vermittlungsprovisionen und Retail Media hinzugekommen. Unser Marktplatz-Modell, also die Anbindung externer Partner, vergrößert das Angebot an Marken und Produkten stetig, die Produktauswahl ist bei uns heute größer als früher.

Der Trend geht in der Branche in Richtung Spezialisierung. Wenn ich ein Steigeisen brauche, gehe ich zu einem Bergsport-Experten. Sport Scheck ist eher der Generalist.
Das ist ein Spagat. Wir versuchen, uns auf vier strategische Kernbereiche, sogenannte Categories, zu konzentrieren. Das sind Laufen und Fitness für Männer sowie für Frauen. Des Weiteren die Themen Outdoor und Wintersport. Hier wollen wir für jeden etwas bieten – vom Einsteiger bis hin zum anspruchsvollen Sportler. Unsere eigene Sortimentsqualität ist in den letzten Jahren sehr viel besser geworden. In ausgewählten Bereichen arbeiten wir dann über den Marktplatz mit Marken- und Händler-Spezialisten zusammen die unser eigenes Angebot ergänzen. Jeder unserer Verkäufer hat ein Tablet und kann Ihnen Steigeisen aus unserem Online-Shop bestellen, wenn in der Filiale keine vorrätig sind.

Wie sieht Ihr Filialnetz aktuell aus?
Wir haben momentan 17 Standorte. Eine Filialexpansion ist nicht geplant. Viel eher schauen wir uns jedes einzelne Geschäft an, ob es sich rechnet. Gegebenenfalls schließen wir auch einen Standort, eröffnen aber auch an anderer Stelle in der Stadt wieder. Aus heutiger Sicht liegt unsere ideale Filialgröße bei eher 3000 bis maximal 4000 Quadratmetern Fläche.

Der Laden in München sticht mit 10.000 Quadratmetern heraus.
Ja, das ist eine Menge Platz.

Werden Sie in zehn Jahren noch stationäre Filialen haben?
In jedem Fall. Der Onlineumsatz macht zwar inzwischen knapp die Hälfte unseres Geschäfts aus. Doch die Filialen sind der emotionalste Kontaktpunkt mit unseren Kunden. Dafür müssen die Verkäufer die Kunden aber wie ein Gastgeber empfangen. Es gibt viele Beispiele, wo das gut funktioniert. Doch wir können noch besser werden. Unser Ziel ist es, ein so positives Kauferlebnis zu schaffen, dass der Kunde lieber in unsere Filialen kommt, anstatt den schnellen Klick im Internet zu tätigen.

Der französische Sport-Discounter Décathlon eröffnet eine Filiale nach der anderen in Deutschland. Verschärft das den Wettbewerb?
Wir sind weniger von deren Expansion betroffen. Die haben einen Standort gleich gegenüber von uns in Berlin auf gemacht, das hat uns nicht geschadet, im Gegenteil. Décathlon arbeitet ja vor allem mit Eigenmarken. Wer die großen Namen will, der kommt zu uns.

Die führenden Sportkonzerne Adidas, Nike und Puma verkaufen allerdings immer mehr Ware direkt. Das tut Ihnen weh, oder?
Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits hilft dies unserem Marktplatz-Business. Uns fehlt damit andererseits teilweise der Zugang zu selektiv vertriebenen, relevanten Produkten – und damit auch der Zugang zu den Kunden. Und es entsteht auch direkter, vertrieblicher Wettbewerb – sowohl stationär aber vor allem Online.

Viele Händler versuchen die Konsumenten mit Bars, Cafés und Restaurants in die Läden zu locken. Was halten Sie davon?
Das ist im Grunde richtig, denn der Handel nimmt heute eine andere Rolle ein als früher. Es geht um Entertainment, um Aufenthaltsqualität. Gastronomie wäre sicher auch für uns eine Option, aber wir wollen das nicht selbst machen. Mit externen Betreibern haben wir schon gesprochen.

Kletterwände oder Paddelpools wie bei manchen Konkurrenten sind nicht sinnvoll?
Ich glaube nicht. Entweder die Leute gehen einkaufen oder klettern. Wenn man da genau hinsieht stellt man fest, dass solche Angebote kaum genutzt werden.

Wie sehen Ihre persönlichen Pläne aus? Wollen Sie nach der Übernahme weiter machen?
Wenn man durch so eine Phase gegangen ist, dann ist das Geschäft wie ein Baby für einen. Ich würde schon sehr gerne sehen, wie es laufen lernt. Mit der Übernahme bieten sich neue Möglichkeiten und Perspektiven für die Weiterentwicklung von Sport Scheck.

Herr Rech, vielen Dank für das Interview.