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Sport-Marken fürchten den Sommer des Schreckens

Weniger Neuheiten und spätere Ordertermine – die Sportartikelmarken stellen sich auf die Coronakrise ein. Im Vorteil ist, wer in Europa produziert.

Bildschirm statt Meeresbrise: Normalerweise lädt Alex Koska seine 250 Vertriebsmitarbeiter immer Anfang Mai nach Stockholm ein. Dieses Jahr fiel das Treffen in der schwedischen Hauptstadt aus. Der Präsident von Fenix Outdoor International präsentierte die Neuheiten seiner Sportmarken wegen der Corona-Pandemie stattdessen per Videostream.

Gäbe es die Seuche nicht, würden die Außendienstler jetzt rund um den Globus ausschwärmen und die Bestellungen der Sportgeschäfte für die Kollektionen des Sommers 2021 aufnehmen. Daran ist momentan aber nicht zu denken. Die Läden waren weltweit fast alle wochenlang geschlossen, die Lager sind randvoll. Die Kaufleute haben andere Sorgen, als sich mit den Artikeln fürs nächste Jahr auseinander zu setzen.

Koska hat darauf reagiert: „Wir haben die Kollektion für Frühjahr und Sommer 2021 reduziert und die Einführung von zwei Drittel der Produktneuheiten auf spätere Kollektionen verschoben.“ So nehme er den Händlern den Druck, die Saisonware preisaggressiv verkaufen zu müssen, um Platz zu schaffen.

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Auch die Bestelltermine fürs nächste Jahr hat der Manager nach hinten verschoben. Zu Fenix gehören bekannte Labels wie der bayerische Wanderschuhhersteller Hanwag, die Outdoor-Marke Fjällräven und auch die Hamburger Sportkette Globetrotter.

So wie Fenix, so geht es vielen Sportfirmen in diesen Tagen. Sie müssen fürs kommende Jahr planen und die Ware so bald wie möglich in den Fabriken in Asien bestellen. Dabei wissen sie noch nicht einmal, wie das Geschäft ihrer Händler in den nächsten Wochen laufen wird – und ob die Kaufleute überhaupt Einnahmen haben. Erneute Ladenschließungen kann niemand ausschließen.

Große Unsicherheit

Koska ist daher vorsichtig: „Die größte Herausforderung ist die Unsicherheit. Wir wissen schlicht und einfach nicht, was in den nächsten Monaten passieren wird. Vor allem kann es sich von Land zu Land ganz unterschiedlich entwickeln.“

So sei das Geschäft von Fenix in Südkorea sehr schnell zurück gekommen, in Taiwan habe es gar keine Auswirkungen der Pandemie gegeben. Auch die Schweden hätten in den vergangenen Wochen zum Teil herzhaft eingekauft. In Singapur seien die Umsätze hingegen erst in jüngster Zeit eingebrochen, als jeder gedacht habe, das Schlimmste sei vorbei.

Klaus Haas war vor 16 Jahren einer der Gründer des Sportmodelabels Maloja. Er sagt: „Es gab wahrscheinlich nie eine Phase, in der es schwieriger war, zu planen.“ Dabei hat der Unternehmer vom Chiemsee noch Glück. Er bietet unter anderem Radbekleidung an und profitiert damit vom Fahrradboom der vergangenen Wochen. „Wir verzeichnen eine Nachfrage, wie wir sie nicht erwartet hatten“, erläutert Haas.

Mehr noch: Maloja betreibt eine eigene Fabrik in Bulgarien. Dort hat Haas schnell damit begonnen, Schutzmasken herzustellen. Und zwar nicht irgendwelche, sondern besonders atmungsaktive und sichere. Haas: „Das bringt ein wenig Umsatz und hilft, Löcher zu schließen.“

Doch auch Haas spürt die Krise. Wenn nötig, nimmt er Ware von Händlern zurück, die diese nicht loswerden. Das gelte insbesondere für das hart von dem Virus getroffene Italien. „Es hilft ja nichts, wenn wir auf unserer Rechtsposition beharren“, sagt Haas.

Streit mit Herstellern

Nicht alle Marken seien so kulant, klagt Martin Kerner vom Outdoor-Geschäft Basislager in Karlsruhe. „Wirklich viele von denen glauben ernsthaft, dass wir nach der Öffnung jetzt wieder normal verkaufen können, und gefälligst unsere Vororder-Aufträge abnehmen sollen“, ärgert sich der Kaufmann. „Ich weiß nicht, ob das Wunschdenken oder Verzweiflung ist, aber es wird nicht funktionieren, Händler mit Ware zu zuschütten, die sie nicht verkaufen können.“

Durch sein Werk in Bulgarien mit 250 Mitarbeitern ist Maloja-Chef Haas flexibler als die meisten anderen Sportmarken. Die weltweit führenden Turnschuh-Hersteller Adidas, Nike und Puma unterhalten keine eigenen Fertigungen. Auch Mittelständler wie Schöffel, Jack Wolfskin oder Mammut sind auf Lieferanten in Fernost angewiesen. Das bringt lange Vorlaufzeiten mit sich. Die Shirts, Shorts und Sneaker schippern sechs Wochen über die Weltmeere, ehe sie in Europa ankommen.

In einer unruhigen Zeit wie dieser kann sich währenddessen die Welt verändern. Haas dagegen kann auch kurzfristig disponieren. Die eigene Fabrik schafft freilich nur ein Viertel dessen, was Maloja jedes Jahr verkauft. Viele Textilien kommen von Partnern aus Europa, auch die lassen sich recht dynamisch steuern. Doch rund ein Drittel der Kollektion ordert Haas in Asien, und muss daher spätestens im Sommer bestellen. Das wird eine schwierige Entscheidung, zumal Haas im Gegensatz zu Fenix an den Neuheiten für 2021 festhält.

Es ist ein Druck, dem Jürgen Siegwarth nicht ausgesetzt ist. Der Chef des fränkischen Radtaschenherstellers Ortlieb kann mit den Orders der Ladenbesitzer bis September oder sogar Oktober warten. Der Mittelständler produziert seit jeher alles selbst in Heilsbronn vor den Toren von Nürnberg. Aber natürlich weiß auch Siegwarth nicht so recht, wie es weiter geht mit seinen Abnehmern.

Radgeschäfte haben momentan zwar Hochkonjunktur. Einige Outdoor- und Sporthändler dürften indes in Schwierigkeiten geraten, fürchtet der erfahrene Manager. Und so „könnte es sein, dass der eine oder andere nicht mehr weitermachen kann oder will“.

Das Vertriebsnetz dürfte sich in der Rezession also ausdünnen. Für Ortlieb wäre das schlecht. Einerseits, weil das Familienunternehmen komplett auf Fachhändler setzt. Siegwarth boykottiert Internetkaufhäuser wie Amazon und untersagt seinen Partnern, deren Plattformen zu nutzen.

Andererseits hat die Firma in den vergangenen Jahren eine zweite Säule neben dem Radgeschäft aufgebaut, Rucksäcke für die Natur und Stadt sowie Reisetaschen. Genau dieses Geschäft hakt momentan, da sich die Leute aufs Homeoffice beschränken und der grenzüberschreitend Verkehr still steht.

Sorge vor Rabattschlacht

Vertriebschef Martin Esslinger hofft, dass die Händler trotz der schwierigen Lage die Nerven bewahren und eine Rabattschlacht vermeiden. „Unsere Produkte sind sehr langlebig. Da gibt es keinen Grund, die jetzt schnell mit Preisnachlässen zu verramschen. Die sind nächstes Jahr noch genauso viel wert.“

Doch welche Alternativen gibt es, wenn die Kaufleute einfach Geld in der Kasse brauchen, und zwar sofort? Wenn Fenix-Präsident Koska normalerweise auf den Knopf drückt und die Bestellungen in den Fabriken in Asien abgibt, dann hat er mindestens die Hälfte des Volumens schon an die Händler verkauft, mitunter sind es sogar 80 Prozent. Dieses Jahr dürfte das anders sein.

Der Manager muss deshalb stärker ins Risiko gehen. Nur eins scheint heute schon klar: Die Volumina werden sinken, weil die Ladenbesitzer den Sommer über nicht alles verkaufen, was sie auf Lager haben. Koska: „Natürlich wird dieses Jahr Ware übrig bleiben. Die Händler können die verlorene Zeit der Ladenschließungen nicht aufholen.“

Immerhin: Fenix hat mit Globetrotter und anderen konzerneigenen Handelsketten den direkten Draht zu den Kunden. „Das hilft uns, Trends tagesaktuell zu erkennen“, sagt Koska. Momentan seien etwa Zelte besonders gefragt. Darauf zu reagieren sei hingegen nicht immer einfach, selbst wenn die Produktion in der eigenen Hand liegt.

So fertigt die Tochter Hanwag im Münchner Umland sowie in Ungarn und Kroatien. Die Beschäftigten sind wendig und flexibel. Aber das Leder für die Wanderschuhe, das müsse Monate im Voraus geordert werden, klagt Koska. Außerdem gingen viele der teuren Stiefel nach Amerika – und müssten daher lange im Voraus produziert werden.

Der Manager sieht freilich auch die positiven Seiten von Corona. Schließlich sei vielen Menschen angesichts der quälend langen Wochen zuhause bewusst geworden, wie wertvoll die Zeit an der frischen Luft sei. „Die Leuten sehnen sich mehr denn je nach der Natur“, meint Koska, und das sei in jedem Fall gut für Fenix.

Ortlieb-Chef Siegwarth glaubt, dass für seine Firma die Krise letztlich sogar positiv ist. „Die Einstiegspreislagen bei Fahrrädern laufen momentan sehr gut. Das zeigt, dass neue Zielgruppen im Radmarkt ankommen. Davon werden wir mittel- und langfristig profitieren, wenn diese Kunden dem Radfahren treu bleiben.“