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SPD kritisiert ahnungsloses Innenministerium

Rechte AfD-Umtriebe - SPD kritisiert ahnungsloses Innenministerium

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Burkhard Lischka, hat die Ahnungslosigkeit des Bundesinnenministeriums über Umtriebe einzelner AfD-Politiker im rechten Spektrum scharf kritisiert. „Die Aussage des Bundesinnenministeriums, keine Erkenntnisse zu Beziehungen zwischen den „Identitären Bewegungen“ und der AfD oder deren Jugendorganisation zu haben, ist für mich absolut unverständlich“, sagte Lischka dem Handelsblatt. „Es ist doch längst kein Geheimnis, dass Rechtsextreme der 'Identitären Bewegung', die durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, und Teile der AfD den Schulterschluss üben.“

Hintergrund ist eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion an die Bundesregierung. Zu einer möglichen Beziehung zwischen der rechten „Identitären Bewegung“ (IB) und der AfD erklärte das Bundesinnenministerium, dass es hierzu über keine Erkenntnisse verfüge.

Lischka sagte dazu, den deutlichsten Hinweis auf eine Verbündung „dürfte der AfD-Mann Dubravko Mandic aus Baden-Württemberg geliefert haben, der als Bundesvorstandsmitglied des AfD-Zusammenschlusses Patriotische Plattform kürzlich selbst eine personelle Verbundenheit von AfD und Identitärer Bewegung einräumte“. Die politische Zielsetzung sei ähnlich, allein die Mittel seien unterschiedlich. „Hausbesetzungen und ähnliche Aktionen sind einfach nicht die Methoden einer Parlamentspartei“, zitiert Lischka den AfD-Politiker Mandic, der auch Vorsitzender des Parteischiedsgerichts des Landesverbandes Baden-Württemberg ist.

„Eindeutiger geht es nun wirklich nicht, zumal einzelne Verfassungsschutzbehörden bereits einzelne AfD-Politiker beobachten“, betonte Lischka. „Das dürfte auch dem Bundesinnenministerium nicht entgangen sein.“ Der Verfassungsschutz sei ein Frühwarnsystem zur Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Deshalb gelte, so der SPD-Politiker: „Wenn Rassismus und menschenverachtende Hetze so offen propagiert werden wie durch Teile der AfD, dann gehören sie unter Beobachtung gestellt.“

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Grüne fordern Reform des Verfassungsschutzes

Erst am 11. Juni nahm der Jurist Mandic gemeinsam mit einem weiteren AfD-Politiker in Wien an einer Demonstration der „Identitären Bewegung Österreich“ teil. Die Bundesregierung erwähnt den „Aufmarsch“ in Wien, bei dem es zu Ausschreitungen kam, zwar in ihrer Antwort an die Linksfraktion, stellt aber keinen Bezug zur AfD her. Dabei , dass ihre Vorstandmitglieder Mandic und Felix Koschkar an der Demo unter dem Motto „Defend Europe“ teilnahmen. Auf der Facebook-Seite der Plattform wird zudem der Charakter der Veranstaltung betont: „Die Jugend der europäischen Völker widersetzt sich mutig und gewaltfrei der Masseneinwanderung, der Islamisierung und dem erzwungenen Austausch unserer Völker.“

Mit Blick auf Deutschland räumte Mandic zudem ein, dass die AfD, vor allem aber der Parteinachwuchs „Junge Alternative“ (JA), „personell mit der IB verbunden“ sei, wie er .

Da einige Landesverfassungsschutzbehörden die „Identitären“ unter Beobachtung gestellt haben, strebt Mandic inzwischen jedoch „zum Schutze unserer Partei“ an, dass Vorstände der JA oder AfD nicht gleichzeitig in führender Funktion bei der IB tätig sein dürften. „Dies ist unser Tribut an das System.“ Allerdings fügt er hinzu: „Gleichwohl plädiere ich nun aber auch für eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der IB.“

Allerdings hatte die AfD-Bundesspitze am 22. Juni festgelegt, „dass es keine Zusammenarbeit der Partei Alternative für Deutschland und ihrer Gliederungen mit der sogenannten „Identitären Bewegung“ gebe.

Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte als Konsequenz aus den Vorgängen eine Neuausrichtung des Bundesamts für Verfassungsschutz. „Vielleicht wäre ein neues unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung für den Bereich des Extremismus doch besser als ein Verfassungsschutz, der uns ohnehin nicht weiterhilft“, sagte Beck dem Handelsblatt. „Für das nachrichtendienstliche Kerngeschäft würde ein stark reduziertes Bundesamt zur Gefahren- und Spionageabwehr völlig ausreichen.“

Ein neues Institut für den Bereich Extremismus könne hingegen Strukturen und Zusammenhänge demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen, die gegen den Rechtsstaat gerichtet sind wie Rassismus oder Islamismus, ohne nachrichtendienstliche Mittel beobachten und analysieren.

KONTEXT

Nach welchen Kriterien der Verfassungsschutz seine Ziele auswählt

Beobachten oder nicht beobachten, das ist die Frage

Sollte die rechtspopulistische AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Darüber wird nach Antisemitismusvorwürfen gegen den baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon erneut gestritten, Verfassungsschutzämter haben einem Pressebericht zufolge ohnehin AfD-Vertreter im Blick. Ab wann der Verfassungsschutz aktiv wird.

Welchen Auftrag hat der Verfassungsschutz?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Verfassungsschutzämter der Länder haben den Auftrag, Parteien und Gruppierungen zu beobachten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand und die Sicherheit des Staates in Frage stellen oder gegen die Idee der "Völkerverständigung" gerichtete Ziele verfolgen. So steht es im Verfassungsschutzgesetz. Dazu sammeln sie Informationen und werten sie aus.

Was ist die freiheitlich demokratische Grundordnung?

Der Begriff umfasst die zentralen Konstruktionsprinzipien, ohne die Demokratie und Rechtsstaat gar nicht erst existieren würden. Als unverhandelbare "Spielregeln" sind sie daher der politischen Auseinandersetzung entzogen und dürfen nicht geändert werden.

Dazu gehört der Grundsatz, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das seine Vertreter in freier Wahl bestimmt. Er beinhaltet auch, dass sich das Parlament als Gesetzgeber nicht über die Verfassung hinwegsetzen darf. Ebenso dazu gehören das Recht, im Parlament eine Opposition zu bilden, die Unabhängigkeit der Gericht sowie die Menschenrechte.

Wie geht der Verfassungsschutz vor?

Der Verfassungsschutz entscheidet anhand gesetzlich definierter Kriterien, ob er eine Partei beobachtet. Ihm kann nicht befohlen werden, dies zu tun, er ist also unabhängig gegenüber Weisungen aus der Politik. Auf der anderen Seite darf er nicht willkürlich aktiv werden. Liegen Verdachtsmomente vor, ist er gesetzlich zum Handeln verpflichtet.

Seine Tätigkeit beschreibt der Verfassungsschutz als die eines "Frühwarnsystems". Er meldet seine Lageeinschätzungen an das Innenministerium und strafrechtlich relevante Erkenntnisse an die Polizei, die in eigener Regie über die Konsequenzen entscheiden.

Was bedeutet Beobachtung genau?

Der Begriff Beobachtung ist mehrdeutig und führt in der öffentlichen Diskussion daher gelegentlich zu Missverständnissen. Zuerst leitet der Verfassungsschutz beim Aufkommen bestimmter Verdachtsmomente eine Art Prüfverfahren ein. Dabei analysiert er öffentlich zugängliche Äußerungen von Funktionären oder Dokumente, um herauszufinden, ob eine bestimmte Vereinigung die Kriterien für die eigentliche Beobachtung erfüllt.

Falls ja, wird eine Partei oder Vereinigung zum offiziellen "Beobachtungsobjekt", wie es im Fachjargon des Inlandsgeheimdienstes heißt. Erst wenn diese Stufe erreicht ist, dürfen auch sogenannte nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz kommen. Dazu gehören heimliche Observationen sowie das Anwerben von verdeckten Informanten, den V-Leuten.

Gibt es da nicht Grauzonen?

Die Einstufung als "Beobachtungsobjekt" ist tatsächlich oft schwierig, nicht selten klagen Betroffene vor Gericht gegen die Einstufung. Das gilt schon für die Definition des Begriffs "Bestrebung", der Grundlage für eine Beobachtung ist. Eine entsprechende Geisteshaltung reicht nicht aus, es muss laut Verfassungsschutzgesetz zugleich eine "ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise" vorhanden sein. Nicht notwendig ist aber, dass die Beobachteten die Demokratie schon aktiv bekämpfen oder illegale Taten planen.

Außerdem muss der Verfassungsschutz abwägen, ob die demokratiefeindlichen Bestrebungen gewissermaßen repräsentativ für eine Organisation als Ganzes stehen oder lediglich Splittermeinungen darstellen. In solchen Fällen besteht allerdings immer auch die Möglichkeit, Teilgruppen zu überwachen. Auch Einzelpersonen dürfen beobachtet werden.

Wer wird schon vom Verfassungsschutz beobachtet?

Das Spektrum der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen ist bereits sehr groß. Es reicht von den Dschihadistenorganisationen Al-Kaida und Islamischer Staat (IS) über die rechtsextreme NPD bis hin zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

Besonders kontrovers wird immer wieder die Beobachtung bestimmter Gruppierungen wie der Kommunistischen Plattform innerhalb der Linkspartei diskutiert. Auch bekannte Linken-Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wurden beobachtet. Er aber klagte 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen die Überwachung.

KONTEXT

Der Aufstieg der AfD

Zerstritten und erfolgreich

Die AfD steht erneut vor einer Zerreißprobe: Nach der Spaltung der Stuttgarter AfD-Landtagsfraktion spitzt sich der Machtkampf um die beiden Parteichefs Frauke Petry und Jörg Meuthen zu. Erbitterten Streit gab es in der Partei in den drei Jahren seit ihrer Gründung oft. Die AfD entwickelte sich dabei von einer eurokritischen Partei mit wirtschaftsliberalem Anspruch zu einer rechtspopulistischen und nationalkonservativen Organisation. Ein Überblick.

April 2013

Die AfD hält in Berlin ihren Gründungsparteitag ab. Bernd Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam werden zu Sprechern der Partei gewählt. Lucke ist der führende Kopf.

Mai 2014

Bei der Wahl zum Europaparlament erreicht die AfD sieben Prozent und entsendet sieben Abgeordnete.

August 2014

In Sachsen zieht die AfD unter Führung ihrer Landesvorsitzenden Petry mit 9,7 Prozent erstmals in ein deutsches Parlament ein. Im September schafft sie zudem den Einzug in die Landtage von Thüringen und Brandenburg.

Ende 2014

Der Machtkampf zwischen Lucke und Petry tritt offen zutage. Er ist eng verknüpft mit dem Richtungsstreit zwischen den moderateren wirtschaftsliberalen Kräften und den von Petry repräsentierten rechten Nationalkonservativen.

Februar 2015

Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg zieht die AfD mit 6,1 Prozent erstmals auch in ein westdeutsches Landesparlament ein.

Juli 2015

Auf dem Bundesparteitag in Essen setzt sich Petry im Kampf um die Parteispitze gegen Lucke durch. Lucke erklärt seinen Austritt und gründet kurz darauf eine neue Partei, die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa). Die AfD rutscht in Umfragen auf drei Prozent. Im Europaparlament stellt die AfD nur noch zwei Abgeordnete, die Lucke-Partei die restlichen fünf.

September 2015

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) öffnet die Grenzen für Flüchtlinge, die in Ungarn festsitzen. Die AfD hat ein neues Thema und legt in Umfragen wieder zu.

Januar 2016

Petry sorgt mit Äußerungen über einen denkbaren Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an den deutschen Grenzen für Empörung. Die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch weitet den Waffeneinsatz auf "Frauen mit Kindern" aus, nimmt die "Kinder" später aber wieder zurück.

März 2016

Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wird die AfD mit 24,3 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU. In Baden-Württemberg erreicht sie 15,1 und in Rheinland-Pfalz 12,6 Prozent.

April 2016

Die AfD beschließt drei Jahre nach der Gründung ihr erstes Parteiprogramm, in dem sie sich auf einen klaren Anti-Islam-Kurs festlegt.

Juli 2016

Die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg zerbricht an den Antisemitismusvorwürfen gegen den Abgeordneten Wolfgang Gedeon. Der Stuttgarter Fraktionschef und Bundesvorsitzende Meuthen verlässt zusammen mit zwölf Mitstreitern die Fraktion, weil sich in der Fraktion nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit für den Ausschluss Gedeons findet. Die Spaltung lässt auch den seit längerem schwelenden Machtkampf zwischen Meuthen und Petry weiter eskalieren.