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SPD und CDU streiten über Insolvenzschutz – Handelsverband warnt vor Corona-Wahlkampf

In der Großen Koalition ist ein Streit über einen längeren Corona-bedingten Insolvenzschutz für Unternehmen entbrannt. Das sorgt für Unmut in der Wirtschaft.

Die Coronakrise setzt im Einzelhandel vor allem der Modebranche zu. Foto: dpa
Die Coronakrise setzt im Einzelhandel vor allem der Modebranche zu. Foto: dpa

Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat davor gewarnt, den Streit über das Corona-Krisenmanagement im Wahlkampf fortzuführen. „Die Bewältigung der Coronakrise und die erforderlichen Sofortmaßnahmen für die Wirtschaft dürfen nicht zum Spielball des Wahlkampfs werden“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem Handelsblatt. „In dieser schwierigen Zeit muss die Politik gemeinsam entschlossen handeln.“

Kritisch sieht Genth in diesem Zusammenhang den Widerstand der Union gegen Pläne von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) für eine weiter verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen.

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„Es ist zu früh, jetzt schon über eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht über Ende Januar hinaus bis Ende Februar zu diskutieren“, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) dem Handelsblatt. Gerade erst sei vereinbart worden, in diesem Januar die Insolvenzantragspflicht für solche Unternehmen auszusetzen, die einen Anspruch auf staatliche Hilfszahlungen haben. „Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, dass diese Hilfen schnell ausgezahlt werden.“ Das Bundeswirtschaftsministerium arbeite „unter Hochdruck“ daran, dass schnell Geld fließe und den betroffenen Unternehmen geholfen werden.

Die SPD bekräftigte indessen ihr Bestreben, die Insolvenzantragspflicht auch noch im Februar aussetzen. „Da sind wir jetzt in Gesprächen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich setze darauf, dass die Union erkennt, dass wir auch noch den Februar brauchen.“ Dies müsse kommende Woche in der Koalition entschieden und in der letzten Januar-Woche dann vom Bundestag beschlossen werden.

Wie der HDE warnt auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet vor einem Corona-Wahlkampf. „Einen Bundestagswahlkampf über ernste Fragen wie die Bekämpfung der Pandemie parteitaktisch und polemisch zu führen, würde bei der Bevölkerung viel Vertrauen in die Maßnahmen zerstören“, sagte der CDU-Politiker der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft.

Erste Corona-Hilfen fließen

HDE-Hauptgeschäftsführer Genth betonte mit Blick auf die Lage der Unternehmen: „Die weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist für den Einzelhandel vor allem deshalb wichtig, weil die staatlichen Hilfen in der Branche nach wie vor nicht ankommen.“ Das werde sich erst ändern, wenn Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) endlich nacharbeite und die Überbrückungshilfen an die Realität im Handel anpasse.

„Nur mit einem praxisnahen und schnellen staatlichen Hilfsprogramm lässt sich die anrollende Pleitewelle im Nicht-Lebensmittelhandel noch brechen“, sagte Genth. „Außerdem müssen in den nächsten Monaten zusätzliche Belastungen der Wirtschaft durch neue gesetzliche Regelungen unbedingt vermieden werden.“

Normalerweise muss ein Insolvenzantrag spätestens drei Wochen nach Eintritt eines Insolvenzgrunds gestellt werden. Wegen der Pandemie hatte die Bundesregierung im vergangenen Frühjahr die Meldepflichten für Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit außer Kraft gesetzt. Für Zahlungsunfähigkeit gilt die Antragspflicht seit Oktober wieder, für überschuldete Firmen ist sie im Januar noch ausgesetzt.

Lambrecht hatte sich zuletzt für eine weiter verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausgesprochen – und zwar über den Januar hinaus für Firmen, bei denen die Auszahlung der seit November vorgesehenen Staatshilfen noch aussteht.

Der Grünen-Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek verlangte eine „sehr genaue“ Abwägung. Einerseits dürfe die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht „kein Dauerzustand werden, denn sonst droht auf Dauer ein Vertrauensverlust zwischen Wirtschaftsakteuren“, sagte Janecek dem Handelsblatt. „Keinesfalls darf aber die Situation eintreten, dass die deutlich zu langsame Auszahlung der Corona-Hilfen zu einer Insolvenz führt.“ Zum Teil seien ja noch nicht einmal die Novemberhilfen ausbezahlt. „Vor dem Hintergrund halte ich die sachliche Diskussion über eine weitere Verlängerung für notwendig.“

Ähnlich äußerte sich der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Um die Möglichkeiten des neuen Insolvenzrechts nutzen zu können, das Unternehmen die Möglichkeit einer Sanierung auch ohne Insolvenzverfahren eröffnet, „wäre eine verlängerte Aussetzung für überschuldete Unternehmen bei der Insolvenzantragspflicht angemessen“, sagte Behrendt dem Handelsblatt.

Auch Peer-Robin Paulus, Leiter der Abteilung Politik und Wirtschaft beim Verband „Die Familienunternehmer“ plädiert für eine längere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. „Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer weiteren Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist eng mit der Frage verbunden, ob, wann und in welcher Höhe des Corona-Hilfen für den Winter-Lockdown ausgezahlt werden. Und die Auszahlung läuft bisher eher schleppend an“, sagte Paulus dem Handelsblatt.

Laut dem SPD-Politiker Fechner kommt die Auszahlung der staatlichen Hilfen zwar voran. „Aber es sind immer noch viel zu viele Firmen, die eigentlich gesund sind, aber wegen der staatlich angeordneten Schließungen keine Umsätze und Gewinne machen“, sagte Fechner. „Diese eigentlich gesunden Unternehmen wollen wir vor der Insolvenz bewahren.“

Die Coronakrise setzt im Einzelhandel vor allem der Modebranche zu, wie eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland zeigt. Die deutsche Bekleidungsindustrie, die bereits vor dem Krisenjahr 2020 erheblich unter Druck gestanden habe, sei nun durch die Corona-Pandemie „zusätzlich schwer getroffen“ worden. Es seien zwar kurzfristige Gegenmaßnahmen ergriffen worden, um Insolvenzen zu verhindern. Die Schließung der stationären Geschäfte im umsatzstarken Weihnachtsgeschäft bedeute jedoch eine deutliche Verschärfung der Situation.

Modekette Adler ist insolvent

Wie bedrohlich die Lage ist, zeigt das Beispiel der Modekette Adler, die jetzt Insolvenz beantragt hat. Ziel ist den Angaben zufolge ein Verfahren in Eigenverwaltung, um das Unternehmen zu sanieren. Dabei solle der Geschäftsbetrieb unter Aufsicht eines Sachwalters in vollem Umfang fortgeführt werden.

Als Grund für den Antrag nannte das Unternehmen erhebliche Umsatzeinbußen durch die seit Mitte Dezember andauernden Schließungen fast aller Verkaufsfilialen im Zuge des neuen Lockdowns.

Die Adler Modemärkte AG betreibt nach eigenen Angaben derzeit 171 Märkte, davon 142 in Deutschland, sowie einen Onlineshop. Weitere Märkte gibt es in Österreich, Luxemburg sowie in der Schweiz. Der Fokus lag dabei auf der Altersgruppe ab 55 Jahren. Der Konzern mit Sitz bei Aschaffenburg beschäftigt mehr als 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Mai 2020 hatte Adler dank einer Staatsbürgschaft Kredite bekommen, um durch die Coronakrise zu kommen.

„Covid-19 hat die ohnehin angespannte Situation der Modebranche deutlich verschärft. Eine Erholung ist nur langsam zu erwarten“, erklärte Patrick Ziechmann, Partner bei PwC Deutschland und Experte für den Handel und die Konsumgüterindustrie. „Die Pandemie wirkt aber auch als Beschleuniger für die dringend notwendige Transformation der Branche und als Katalysator für neue Geschäftsmodelle.“

Stefan Schwertel, Direktor bei PwC Deutschland, ergänzt: „Wir beobachten, dass Marktteilnehmer ohne strategische Neuausrichtung verschwinden und für hohe Leerstände in deutschen Innenstädten sorgen. Nur wer die anspruchsvolle Kundschaft mit einem einzigartigen und nahtlosen Einkaufskonzept begeistert, kann bestehen.“