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Spahn befeuert Debatte um Handy-Ortung zur Corona-Eindämmung

Die Nutzung von Handydaten zur Corona-Eindämmung ist doch nicht vom Tisch. Gesundheitsminister Spahn hält daran fest – und erhält plötzlich breite Rückendeckung.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Coronabekämpfung auch mittels Handydaten-Nutzung. Foto: dpa
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Coronabekämpfung auch mittels Handydaten-Nutzung. Foto: dpa

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lässt bei der Handy-Ortung nicht locker: Nachdem der CDU-Politiker zunächst damit gescheitert war, per Gesetz das Aufspüren von Corona-Kontaktpersonen per Mobiltelefon zu erlauben, wagt er einen neuen Versuch. „Diese gesellschaftliche Debatte braucht es aus meiner Sicht“, sagte Spahn am Donnerstag in Berlin mit Blick auf die Nutzung von Handydaten und digitalen Informationen zur Bekämpfung von Infektionen.

Bis zur Entwicklung eines Impfstoffs und eines Medikaments zur Behandlung gelte es, Kontaktpersonen von Infizierten „sehr, sehr schnell“ nachzuvollziehen und diese unter Quarantäne zu stellen, erklärte Spahn. Dieses per Hand zu machen stoße bei steigenden Fallzahlen in den Gesundheitsämtern an Kapazitätsgrenzen. „Ohne Kontaktnachverfolgung wird es nicht gehen.“

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Diese Ansicht vertreten auch diejenigen, die Spahns ersten Vorstoß noch rundweg abgelehnt hatten: Datenschützer sowie Politiker von SPD und FDP. Sie hatten indes gute Gründe für ihre Vorbehalte. Spahns Entwurf für eine Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes ließ zu viele datenschutzrechtliche Fragen unbeantwortet.

Es sei überhaupt nicht klar, wessen Daten wann übermittelt werden müssen, kritisierte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae. „Auch ein Richtervorbehalt und eine strikte Zweckbindung fehlen, obwohl dies verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.“

In der „Zeit“ bekräftigte Spahn, dass er die Nutzung von Handydaten für eine hilfreiche und notwendige Maßnahme halte. Allerdings sagte er jetzt auch: „Das müssen wir ausführlicher diskutieren, als es in einem Schnellverfahren möglich war.“ Die Debatte gewinnt jetzt wieder an Fahrt - befördert wohl auch durch die massiven Beschränkungen des öffentlichen Lebens.

Die Politik fragt sich, wie lange der Zustand anhalten kann, wo doch gleichzeitig die Eindämmung des Coronavirus oberste Priorität hat? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es bislang nicht, auch wenn die Forderungen nach einer Ausstiegsstrategie lauter werden. Es heißt, die Bundesregierung arbeite an einem „Gesamtkonzept“ für einen Ausstieg aus dem kollektiven Stillstand. Womöglich könnte dabei auch ein Anti-Coronavirus-App hilfreich sein, um Aufenthaltsorte von infizierten Personen schnell ausfindig zu machen.

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Im Kanzleramt stoßen Überlegungen zur Verwendung einer „Tracking-App“ auf ein positives Echo. „So eine digitale Anwendung wäre sinnvoll, um das Virus zielgerichtet einzudämmen“, sagte die Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) dem Handelsblatt. In der Bundesregierung gebe es entsprechende Überlegungen. „Datenschutzrechtlich spricht nichts gegen eine solche App, da der Nutzer durch den Download der App der Datennutzung zustimmt“, betonte Bär. „Wir müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung jetzt nutzen, um die Krise zu überwinden.“

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, zeigt sich offen für alle konkreten Lösungsvorschläge, sofern sie geeignet und verhältnismäßig seien. „Wenn die Nutzer einer App ihre freiwillige Einwilligung zur Datenverarbeitung geben, könnte eine technische Lösung zur Identifikation von Infektionsketten sicher ein sinnvoller Beitrag zur Krisenbewältigung sein“, sagte Kelber dem Handelsblatt. Infektionsbekämpfung und Datenschutz widersprächen sich nicht. „Wir stehen bereit, zu beraten und auch die datenschutzrechtlichen Aspekte schnell zu prüfen“, sagte Kelber. „Dafür ist meine Behörde beispielsweise im engen Austausch mit dem Robert Koch-Institut.“

Zuspruch aus der GroKo

Eine Tracking-App würde es ermöglichen, Kontaktpersonen eines Infizierten zu ermitteln. Bislang müssten die Behörden anhand von Gesprächen herausfinden, mit wem ein Corona-Erkrankter Kontakt hatte. Das ist zeitaufwendig und ungenau. Deutschlands oberster Gesundheitswächter, das Robert Koch-Institut (RKI), arbeitet nach eigenen Angaben bereits seit Anfang März an einer technischen Lösung zur Handy-Ortung.

Die Nutzung von Handydaten sei sinnvoll. „Wir halten das für ein sinnhaftes Konzept“, hatte RKI-Präsident Lothar Wieler kürzlich gesagt. Die Daten könnten helfen, nachzuvollziehen, mit welchen Menschen eine infizierte Person Kontakt hatte. „Der Vorteil wäre, dass wir Gesundheitsämter enorm unterstützen“, sagte Wieler. Andere Länder nutzen Tracking-Apps bereits. Singapur hat angekündigt, den Quellcode der staatlichen Tracking-App „TraceTogether“ zur Verfügung zu stellen.

Zuspruch kommt auch aus den Koalitionsfraktionen. „Sicher sind auf freiwilliger Basis technische Lösungen denkbar, die die Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie unterstützen und ergänzen können“, sagte der digitalpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tankred Schipanski (CDU), dem Handelsblatt. „Zum Beispiel könnten auf Grundlage anonymisierter Daten und mit Einwilligung aller Nutzer einer bestimmten App Personen informiert werden, wenn für sie ein Infektionsrisiko besteht.“

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Schipanski ist überzeugt, dass eine solche App „datenschutzrechtlich einwandfrei“ ausgestaltet werden könne. „Aufgrund der Freiwilligkeit können solche Apps aber weitere Schutzmaßnahmen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen“, betonte der CDU-Politiker. „Denn auch in Krisenzeiten wollen wir keine Pflicht zum digitalen Tracking aller Bürgerinnen und Bürger einführen, das verbietet unsere freiheitliche Grundordnung.“

Ähnlich äußerte sich der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann. Die Diskussion um die ursprünglich geplante Handy-Ortung von Corona-Kontaktpersonen habe gezeigt, dass gerade in der Krise Schnellschüsse nicht zielführend seien. Spahn sollte sich daher für eine technische Lösung einsetzen, „die Grundrechte schützt und sparsam mit Daten umgeht“, sagte Zimmermann dem Handelsblatt.

Grüne sehen Südkorea als Vorbild

Beides sei technisch möglich. „Ich bin optimistisch, dass eine solche Lösung einen wirksamen Beitrag zur Überwindung der Coronakrise und zum Schutz von Menschenleben leistet, ohne übermäßig in die Grundrechte einzugreifen. Einen Blankoscheck zur Beschränkung von Grundrechten werden wir weiterhin nicht ausstellen.“

Der Grünen-Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek hält es ebenfalls für geboten, Digitalisierung und Datenanalyse „effektiver“ bei der Pandemie-Bekämpfung zu nutzen. „Technisch sollte es möglich sein, eine solche Corona-App datenschutzkonform zu gestalten und auch Sicherheitsvorkehrungen dafür zu treffen, dass sie nicht für gezielte Desinformation missbraucht werden kann“, sagte Janecek dem Handelsblatt. „Wenn es gelänge, darüber alle bekannten Neuinfektionen aktuell einzuspeisen, und die Nutzungsrate der App in der Bevölkerung hoch ist, sollten sich aus den aggregierten Daten wichtige Erkenntnisse ableiten lassen.“

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Janecek begrüßte in diesem Zusammenhang einen Vorstoß des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Die Forscher hatten am Mittwoch technische Kontrollmöglichkeiten zur Corona-Eindämmung ins Spiel gebracht.

Unabdingbar sei „eine App für jeden Bürger, die sofort mitteilt, ob sich an einem Ort, an dem man selbst war, eine inzwischen als infiziert registrierte Person aufgehalten hat und man in diesem Fall einen Test für sich durchführen sollte“, heißt es in einer Mitteilung des Instituts. „Sie ist aber auch nötig für ein aussagekräftiges und zeitnahes Berichtswesen zum aktuellen Stand sowie zur Kalibrierung der epidemiologischen Modelle.“

Janecek sagte dazu: „Die Überlegungen des RWI stehen und fallen mit ausreichend und schnell zur Verfügung stehenden Testkapazitäten – diese nach dem Vorbild Südkoreas maximal hochzufahren muss jetzt oberste Priorität sein.“