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Die Sorge vor dem zweiten Volkswagen

Daimler hat Rekordzahlen verkündet – doch die Aktionäre sind bei der Hauptversammlung unzufrieden. Die Dividende ist zu gering, Emissionen von Dieselfahrzeugen zu hoch und die Aufklärung des Lkw-Kartells zu langsam.

Erstmals hat der Stuttgarter Autobauer Daimler weltweit rund drei Millionen Fahrzeuge verkauft, 153,3 Milliarden Euro umgesetzt und 12,9 Milliarden Euro vor Zinsen und Steuern verdient. Kein Frage: Daimler hat Rekordzahlen verkündet. Und doch sind die Aktionäre nicht zufrieden: Auf der Hauptversammlung in Berlin lasen sie dem Vorstand die Leviten.

Vor allem drei Themen dominierten in den Reden der Aktionäre: zu wenig Dividende, Kritik an der Aufklärung zum Lkw-Kartell und der drohende Dieselskandal auch bei Daimler.

Besonders die Zahlung von einer Milliarde Euro wegen des LKW-Kartells brachte die Aktionäre auf die Palme: Das sei, rief einer ins Mikrofon, ein Euro pro Aktie – und streckte den Managern ein Euro-Stück entgegen. „Den Euro haben wir aus unserem Portmonnaie bezahlt – und die Manager haben bislang nichts bezahlt“, rief ein anderer. Immer wieder ritten verschiedene Redner auf dem Thema herum. Besonders mokierte sich ein Kleinaktionär darüber, dass das Kartell auf der Ebene des Top-Managements Preise abgesprochen haben soll. Und dass der heutige Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Zeit persönlich zeitweise Chef der Lkw-Sparte gewesen ist.

Sauer waren einige auch darüber, dass nun Opfer des Kartells Schadensersatz fordern, Daimler daher weitere Strafzahlungen drohen, und der Aufsichtsrat immer noch nicht darüber entschieden hat, ob er die verantwortlichen Vorstände in Haftung nimmt. Für Belustigung zumindest unter den Aktionären sorgte da ein kleiner Versprecher eines Aktionärvertreters, der sich darüber mokierte, dass „die zuständigen Manager immer noch nicht in Haft“ genommen worden seien. Er korrigierte sich aber sogleich und verbesserte „in Haftung“. Das Lachen der übrigen Aktionäre im Saal aber war ihm sicher.

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Gar nicht lustig fanden die auf der Bühne sitzenden Manager und Aufsichtsräte das Thema. Doch Aufsichtsratschef Manfred Bischoff blieb nichts anderes übrig, als zu betonen, dass der Aufsichtsrat sich eingehend mit der Frage nach Schadensersatz befasst habe und er „gegenwärtig, ich betone gegenwärtig von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen“ absehe. Verjährung drohe immerhin nicht.

Bedrohlich wird für Daimler nun mehr und mehr auch das Thema Dieselemissionen. Kürzlich wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Mitarbeiter von Daimler ermittelt – und zwar wegen des Verdachts auf Betrug im Zusammenhang mit Abgas-Manipulationen bei Dieselfahrzeugen. „Wir ermitteln gegen namentlich bekannte und unbekannte Mitarbeiter der Daimler AG wegen des Verdachtes des Betrugs und der strafbaren Werbung“, sagte ein Sprecher der Behörde der WirtschaftsWoche schon in der vergangenen Woche.


Sorgen der Aktionäre

„Werden wir ein VW 2.0?“, fragte etwa Fondsmanager Ingo Speich jetzt in Berlin. Ein anderer merkte an, dass auch Autos von Daimler bei einem Test des Kraftfahrt-Bundesamtes auffällig hohe Abgaswerte gezeigt hätten und Daimler-Autos deswegen Teil des freiwilligen Rückrufes seien.

Die Aktionäre machen sich Sorgen, doch Daimler kann dem nur entgegensetzen, dass der Konzern mit den Behörden vollumfänglich kooperiere. Und dass man bei der „freiwilligen Servicemaßnahme“ sogenannte Thermofenster neu eingestellt habe. Diese Thermofenster regelten die Abgasreinigung zuvor so, dass die Reinigung bei bestimmten Temperaturen zurückgefahren wurde. Daimler begründete das mit Motorschutz. Wieso der Motor der betroffenen Autos jetzt plötzlich nicht mehr so stark geschützt werden muss wie zuvor, blieb offen.

Ungemach in Dieselfragen droht auch aus den USA: Daimler kann nicht mehr ausschließen, dass es dem Konzern nicht doch auch so ergeht, wie Volkswagen in den USA. So heißt es im Geschäftsbericht 2016 von Daimler, dass diverse Behörden auch aus den USA bei Daimler Anfragen gestellt hätten und es nicht auszuschließen sei, dass „die Behörden zum Schluss kommen, dass in Mercedes-Benz-Dieselfahrzeugen ähnliche Funktionalitäten enthalten sein könnten“, die im Fall eines anderen Fahrzeugherstellers als unzulässig identifiziert worden seien.

Angesichts der Probleme konnte auch eine gleichbleibende Dividende die Anteilseigner nicht besänftigen. „Wir wünschen uns eine verlässliche Dividendenpolitik und im besten Jahr der Geschichte hätte Daimler eine höhere Dividende gut zu Gesicht gestanden“, sagte etwa Fondsmanager Speich. Zustimmender Applaus aus dem Plenum. Andere Aktionäre stießen in die selbe Kerbe. Daimler konterte das mit dem Argument einer vergleichsweise bereits hohen Ausschüttungsquote von 40 Prozent.

Daimler sei der größte Dividendenzahler aller deutschen börsennotierten Unternehmen. Applaus gab es dafür dennoch nicht.

Emotional reagierten die Aktionäre dafür auf die Forderung des Aufsichtsrates, die Vergütung um 20 Prozent zu erhöhen. Erst ging bei dieser Nachricht ein lautes Raunen durch den Saal, denn folgten Buh-Rufe. Die seien berechtigt gewesen, sagte ein Redner später. Und Fondsmanager Speich ergänzte: „Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.“

KONTEXT

Wie der Abgasskandal Daimler beschäftigt

Deutsche Justiz

Seit vergangenem Dienstag ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zusammenhang mit Abgas-Manipulationen bei Dieselfahrzeugen „gegen namentlich bekannte und unbekannte Mitarbeiter der Daimler AG wegen des Verdachtes des Betrugs und der strafbaren Werbung.“ Um wie viele Beschäftigte es sich handelt, ließ die Behörde ebenso offen wie die Frage, ob hochrangige Manager oder Vorstände darunter sind. Der Konzern wusste nach Angaben einer Sprecherin nichts davon, dass Mitarbeiter befragt wurden.

Deutsche Behörden

Der Stuttgarter Autobauer betont, sich bei der Abgasnachbereitung in Dieselfahrzeugen an geltendes Recht zu halten. Streitpunkt ist ein so genanntes Thermofenster, das in bestimmten Temperaturbereichen die Abgasnachbereitung herunterregelt. Nach der Argumentation der Hersteller wird das genutzt, um Bauteile im Motor zu schützen. Umweltschützer wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisieren, dass die entsprechende EU-Verordnung zu weit ausgelegt werde. Im April einigte sich Daimler wie andere Hersteller auch mit dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) darauf, 247 000 Fahrzeuge „freiwillig“ zurückzurufen, um die Technik anzupassen.

Deutsche Zivilklagen

Die DUH hat eine Unterlassungsklage wegen Verbrauchertäuschung vor dem Landgericht Stuttgart eingereicht. Die Umwelthilfe wirft dem Autobauer vor, Verbraucher mit Werbung über saubere Dieselmotoren in die Irre geführt zu haben. Auch hier bezieht sich der Verein auf das Thermofenster. Die Verhandlung ist für den 27. April angesetzt. Gegen Opel konnte die Umwelthilfe in einem ähnlichen Verfahren durchsetzen.

US-Zivilklagen

In den USA muss sich Daimler mit mehreren Abgas-Sammelklagen befassen. Die Kanzlei Hagens Berman vertritt Autobesitzer aus zahlreichen Bundesstaaten, die dem Konzern vor allem irreführende Werbung und einen zu hohen Stickoxidausstoß bei zahlreichen Dieselmodellen vorwerfen. Wie die Umwelthilfe kritisieren auch die US-Amerikaner das Herunterregeln der Abgasreinigung, wenn es draußen kälter ist. Im Dezember wies ein US-Richter die Klage ab. Hagen Berman legte aber nach. Zudem ist der Autobauer mit einer Sammelklage von Investoren in Kalifornien konfrontiert. Der Konzern weist die Anschuldigungen zurück.

US-Justiz

Im April wurde es richtig ernst für den Autobauer: Das amerikanische Justizministerium forderte Daimler zu einer internen Untersuchung im Zusammenhang mit den Abgaswerten der Autos aus dem Hause Mercedes-Benz auf. Seitdem ermittelt Daimlers interne Revision mithilfe einer Anwaltskanzlei im Konzern. Zu Ergebnissen der Untersuchung schweigt der Autobauer bislang.