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Sorge um Italexit: Stürzt Italien Europa in die nächste Krise?

Viele Italiener würden gerne dem Brexit nacheifern (Bild: dpa)
Viele Italiener würden gerne dem Brexit nacheifern (Bild: dpa)


Europa droht der nächste Schicksalstag: Am kommenden Sonntag stimmt Italien über seine Verfassung ab – und gleichzeitig über noch viel mehr. Findet die Reform bei den Wählern keine Mehrheit – wonach es aktuell aussieht –, dürfte Ministerpräsident Matteo Renzi seinen Rücktritt erklären und Italien damit in eine Staatskrise stürzen, die womöglich im EU-Austritt gipfeln könnte – dem Italexit.

Nach dem Showdown ist vor dem Showdown: Folgt auf den Brexit und den Sensationssieg von Donald Trump bei der US-Wahl beim Verfassungsreferendum in Italien am kommenden Sonntag nun der nächste Wahlerfolg der Populisten?

Es sieht ganz danach aus: Staatschef Matteo Renzi (Partito Democratico) wirbt dieser Tage unermüdlich für eine großangelegte Verfassungsreform, die viele bürokratische Vorgänge im politischen Italien vereinfachen soll (Verkleinerung des Senats, Änderung des Wahlrechts), doch die Umfragen sehen die “No”-Bewegung, angeführt von der europafeindlichen Lega Nord und der Protestbewegung Fünf Sterne (MoVimento 5 Stelle) des früheren Komikers Beppe Grillo, aktuell mit 7 bis 10 Prozent vorne.

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Referendum besitzt politische Sprengkraft

Das Problem beim Referendum: Es geht um mehr als nur eine Verfassungsreform. Wie zuvor Englands Premierminister David Cameron verknüpft auch Matteo Renzi seine politische Zukunft mit dem Ausgang der Abstimmung. Scheitert das Votum, wonach es aussieht, scheint auch die Amtszeit des italienischen Premiers nach nicht einmal drei Jahren schon wieder abzulaufen.

Die Folgen wären Neuwahlen, bei denen die erstarkten rechtpopulistischen Kräfte Lega Nord und die Fünf-Sterne-Bewegung auf den Spuren von Donald Trump dann eine veritable Staatskrise auslösen könnten, die das Kabd möglicherweise ebenfalls aus der Europäischen Union treiben könnte. “Der Markt sieht dieses Referendum als Wendepunkt zwischen Himmel und Hölle an”, entwirft Analyst Sergio Capaldi von der Bank Intesa Sanpaolo gegenüber Reuters ein entsprechend dramatisches Szenario.

Die italienische Wirtschaft hat sich von der Finanzkrise noch nicht erholt

Die drittgrößte europäische Volkswirtschaft steht ohnehin mit dem Rücken zur Wand: Vom Wirtschaftswachstum ist nach Jahren im Rückwärtsgang nur im mikroskopischen Bereich etwas zu sehen, die Arbeitslosigkeit ist weiter hoch und die Staatsverschuldung mit 133 Prozent des Brutto-Inlands-Produkts bzw. insgesamt 2,2 Billionen Euro astronomisch. “Der Moment könnte eintreten, dass Rom um das Erbarmen Berlins betteln muss”, mutmaßt bereits das Wall Street Journal.

Das Ausmaß des konjunkturellen Siechtums wird untrüglich von der Mailänder Börse dokumentiert: Der italienische Leitindex FTSE MIB ist im Vergleich zum deutschen Pendant Dax ein Schatten seiner selbst. Seit Jahresanfang liegt der MIB, der die 40 größten Aktiengesellschaften des Landes umfasst, bei 16.200 Punkten mehr als 25 Prozent hinten – seit dem Beginn der Finanzkrise 2007 hat er gar 60 Prozent an Wert verloren, während der Dax seitdem mehr als 30 Prozent Zuwächse verbuchen konnte.

Bankensektor schwer unter Druck

Vor allem der angeschlagene Bankensektor, der auf faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro sitzt, zittert – das Letzte, was die angeschlagene Finanzindustrie gebrauchen kann, wären Jahre der politischen Instabilität.

Entsprechend haben viele Anleger längst die Reißleine gezogen: Die Aktien der beiden größten Banken des Landes, UniCredit und Intesa Sanpaolo, haben seit Jahresbeginn mehr als ein Drittel ihres Wertes eingebüßt. Die Banca Monte dei Paschi di Siena, die älteste noch existierende Bank der Welt, kämpft unterdessen um ihre Existenz durch eine milliardenschwere Kapitalerhöhung und hat allein seit Jahresbeginn mehr als 85 Prozent an Wert verloren.

Droht Europa eine neue Finanzkrise?

Entsprechend geht seit Monaten die Angst im eng verzahnten europäischen Bankensystem um – zu präsent ist noch der Flächenbrand der Finanzkrise 2008, als die unerwartete Pleite von Lehman die Weltwirtschaft in den Abgrund zu reißen drohte. Die Rechnung ist nach der Dominotheorie einfach: Kippt die italienische Bankenlandschaft in den Abgrund, könnte sie die Eurozone am Ende mitreißen.

Und mehr noch: Gelingt es der rechtspopulistischen Fünf-Sterne-Partei um Beppe Grillo bei Neuwahlen in Krisenzeiten eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden, könnte nach dem Verfassungsreferendum eine Abstimmung über den EU-Verbleib folgen – mit ähnlich ungewissem Ausgang wie in Großbritannien.

Angst vor Italexit wächst

“Die Wahrscheinlichkeit, dass Italien dauerhaft Teil des Euros bleibt, fällt von Jahr zu Jahr”, äußert sich Hans-Werner Sinn, früherer Präsident des Münchner Ifo-Instituts, gegenüber der Tageszeitung “Die Welt” skeptisch. “Das Land kommt mit dem Euro nicht zurecht. Die italienische Volkswirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig und hat in den vergangenen Jahren keine messbaren Anstrengungen unternommen, wieder wettbewerbsfähig zu werden.”

Dass das europäische Staatengebilde nach dem Austritt der Briten auch noch einen “Italexit” verkraftet, scheint indes höchst ungewiss – am Ende steht also am kommenden Sonntag unterschwellig die Zukunft des Euros und damit der Europäischen Union in der Gesamtheit auf dem Spiel.

Sehen Sie auch: “Politiker müssen aus Trump-Wahl lernen” – Kommentar von Manuel Koch