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Wer sollte den Corona-Impfstoff als erstes bekommen, Herr Professor?

In wenigen Wochen könnte es einen Corona-Impfstoff geben. Dann beginnt der Streit darüber, wer zuerst geimpft werden soll. Wirtschaftsprofessor Volker Ulrich hat dazu einige Vorschläge. Und eine ernüchternde Botschaft.

Volker Ulrich ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Gemeinsam mit seinen Kollegen Dieter Cassel (emeritiert, Duisburg), Andreas Heigl (München) und Andreas Jäcker (Weilheim) hat er kürzlich eine Studie zum Thema „Corona-Impfstoff für alle – doch wie soll das gehen?“ verfasst.

Herr Ulrich, mal angenommen, es gibt einen Impfstoff: Wer soll dann in welcher Reihenfolge geimpft werden?
Der Frage bin ich mit drei Wissenschaftler-Kollegen in einer aktuellen Studie nachgegangen. Zunächst sollte das medizinische Personal in Kliniken und Altenheimen geimpft werden. Da plädieren wir auch für eine Impfpflicht. Wenn sich einer partout nicht impfen lassen will, ist das zwar in Ordnung. Aber dann darf der- oder diejenige keinen Kontakt zu Kranken haben.

Wer soll als nächstes geimpft werden?
Dann alle die Gruppen, die durch die Corona-Pandemie einem großen Risiko ausgesetzt sind: Hochbetagte, Pflegebedürftige, Behinderte. Anschließend alle, die andere besonders gefährden: Eltern, die Kinder erziehen. Angehörige, die Familienmitglieder pflegen. Erzieherinnen und Erzieher an Kindergärten, Lehrerinnen und Lehrer an Schulen. Da geht es darum, das Infektionsrisiko für Dritte zu verringern. Zuletzt wird dann der verbleibende Rest der Bevölkerung geimpft.

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Wie lange dauert das dann, bis alle durchgeimpft sind?
Eine Modellrechnung für Deutschland geht von 60.000 Impfungen pro Arbeitstag aus. Um eine Herdenimmunität zu erreichen, müssten insgesamt 60 Millionen Bundesbürger geimpft werden. Demnach würde es vier Jahre dauern.

60.000 Impfungen am Tag erscheint relativ niedrig. Lässt sich das nicht noch steigern?
Da ist sicher noch Luft nach oben. Es gibt zwar 60.000 Haus- und Kinderärzte in Deutschland, die ja vor allem impfen. Insgesamt verfügt Deutschland aber über 400.000 Ärzte. Man könnte also viel mehr Ärzte zu Impfärzten machen. Oder auch mit mobilen Impfstationen arbeiten, damit die Menschen nicht alle in die Arztpraxen kommen müssen. Klar ist aber, dass im deutschen Gesundheitswesen jetzt schon alle Anstrengungen dafür unternommen werden müssten, diese Tageskapazität deutlich zu steigern, damit es eben nicht solange dauert. Andererseits müssen auch Maßnahmen ergriffen werden, um die Impfbereitschaft zu erhöhen.

Mit einer Impfung ist es womöglich nicht getan. Wissenschaftler erwarten, dass jeweils zweimal geimpft werden muss, um einen sicheren Impfschutz zu erreichen.
Dann verdoppelt sich eben die Zeit bis zur Erreichung der Herdenimmunität. So oder so: Es wird wahrscheinlich mindestens 4 bis 5 Jahre brauchen, bis die Bevölkerung durchgeimpft ist – und wenn wir nicht bald die voraussichtlichen Engpässe bei Impfstoffdosen und Impfkapazitäten beseitigen, noch deutlich mehr. In anderen Industrieländern sieht es ähnlich aus.

Was ist mit den Entwicklungsländern? Eine globale Pandemie ist doch erst zu Ende, wenn sie für alle zu Ende ist.
Das Problem ist, dass etwa die reichen Länder in Europa, die USA, China, Japan und Brasilien den Markt bereits leergekauft haben. Insgesamt haben sich diese Länder wohl schon mehr als eine Milliarde Impfstoffdosen gesichert. Ich fürchte, dass viele Entwicklungsländer zunächst nicht zum Zuge kommen, da die Produktion anfangs ausverkauft ist.

Wie lässt sich das lösen? Was sagt der Ökonom?
International sollte sich die Verteilung der Impfstoffe am epidemiologisch abschätzbaren Bedarf sowie an der globalen Systemrelevanz der Seuchenherde ausrichten – nicht aber an Machtstellungen, Zahlungsfähigkeit oder Staatsgrenzen.

Was schlagen Sie vor?
Es gibt ja eine globale Gesundheitsorganisation, die WHO. Dort muss ein internationaler Ethikrat mit Vertretern aus Industrie- und Entwicklungsländern Kriterien definieren und über die Verteilung beschließen.

Weltweit gibt es ja auch zahlreiche Impfallianzen wie Gavi oder Cepi. Welche Rolle können die übernehmen?
Regierungen und Impfallianzen könnten etwa im Namen der Entwicklungsländer den Herstellern anbieten, bei der Zulassung eine bestimmte Menge Impfstoff zu einem bestimmten Preis aufzukaufen. So erhalten die Hersteller einen weiteren Anreiz zur Produktion und verringern ihr Risiko.

Hat das schon mal funktioniert?
Ja, bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Ebola und Pneumokokken gab es damit gute Erfahrungen. Das allerdings waren Krankheiten, die auf die Entwicklungsländer beschränkt blieben. Das ist nun bei Corona anders: Hier ist der Wettlauf um die ausreichende nationale Impfstoffversorgung ein globaler, der Konkurrenzkampf also ungleich größer.

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