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Sogar Angela Merkels Sommerinterview wird von der Realität überholt

Die Kanzlerin spricht zur Lage der Nation, im Kern: Regierungskrise und Asylstreit. Merkel zeigte sich ruhig – und dann kam die CSU.

Am späten Sonntagmittag zeichnete das ZDF sein traditionelles Sommerinterview mit der Bundeskanzlerin auf – und stellte es unüblicherweise schon am Nachmittag zuerst online. Schließlich entwickelten sich die Krisengespräche innerhalb von CDU und CSU so, dass unklar blieb, ob das Interview bis zum Fernsehtermin nach der „heute“-Sendung um 19 Uhr noch aktuell sein würde.

Sicherheitshalber nannte Interviewerin Bettina Schausten gleich die Aufzeichnungszeit: 14.06 Uhr. Da hatte Innenminister Horst Seehofer die von Merkel nach dem EU-Gipfel angekündigten Ergebnisse noch nicht als „nicht wirkungsgleich“ zu den von ihm geplanten Maßnahmen bezeichnet. Merkel aber verwendete das im Sprachgebrauch seltene Adjektiv rasch: Ihrer Auffassung nach seien die Ergebnisse eben genau das – „wirkungsgleich“.

Im ausschließlich um die Flüchtlingspolitik kreisenden Gespräch zeigte die Kanzlerin sich gewohnt ruhig und diplomatisch, besonders gegenüber der bayerischen Schwesterpartei: Die CSU habe sie „auch ein Stück angespornt“, und die mitunter als „Ultimatum“ Horst Seehofers bezeichnete Zwei-Wochen-Frist stamme eher von ihr.

Und die nächste Frist stellte Merkel schon in den Raum: Bis Ende Juli sollen bilaterale Abkommen verhandelt werden. Von Bekundungen der Regierungen in Ungarn und Tschechien, es habe gar keine Abmachungen über eine beschleunigte Rückführung von Migranten gegeben, zeigte sich Merkel nicht irritiert: „Politische Zusagen“ habe es gegeben, und wenn es zu Missverständnissen gekommen sei, bedauere sie das. Auch für „intelligente polizeiliche Maßnahmen“, wie Seehofer sie in einem Solo-Interview in der ARD umrissen hat, etwa „Schleierfahndungen im grenznahen Raum“, zeigte sich Merkel offen.

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An diplomatischen Formeln mangelte es nicht. Ihre Hände über der Tischplatte schienen beim Gestikulieren stets kurz davor, die berühmte Merkel-Raute zu bilden. Und wie immer sagte Merkel im Innenhof des Berliner ZDF-Studios „Unter den Linden“ einiges auch ausdrücklich nicht: „Mit Wenn-dann-Fragen beschäftige ich mich nie“, antwortete sie etwa auf die Frage nach ihrer viel diskutierten Richtlinienkompetenz – und achtete aufmerksam auf Interview-Formulierungen, um weitere Wenn-dann-Fragen wie die nach einer Vertrauensfrage im Bundestag nicht zu beantworten. Manchmal schüttelte sie nur den Kopf. Energisch dementierte sie jedoch Schaustens Formulierung „Sie gehen da so heiter drüber hinweg“ und betonte, dass sie „sehr, sehr ernst“ sei.

Nur einmal widersprach Merkel direkt einer CSU-Position: der im O-Ton eingespielten Behauptung Markus Söders, im September 2015 habe sie „einseitig europäisches Recht aufgekündigt“. Sie sei vielmehr Bitten gefolgt, die damals zunächst Ungarn an Österreich und dann der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann an Deutschland gestellt habe.

Und nur einmal geriet Merkel an den Rand eines Versprechers, als es um die Landtagswahlen ging: „Die bayerische ist eine ganz besondere, aber wir haben ja auch in Deutschland Landtagswahlen.“ Vor allem aber bemühte sie eine bekannte Aussage Helmut Kohls, der zufolge Europa und das eigene Land zwei Seiten derselben Medaille seien. „Europa ist langsam“, sagte sie nicht nur einmal, und jetzt sei viel Erreichtes in Gefahr.

Unabhängig davon, was am Sonntagabend geschehen wird (an dem noch die „Anne Will“-Sondersendung „Tag der Entscheidung – wie löst die Union ihren Streit?“ unter anderem mit Markus Söder auf dem Programm steht): Den Eindruck, dass die Kanzlerin jenseits der Tagespolitik auch die zukünftige Deutungshoheit ihrer Regierungszeit im Blick hat, konnten alle Zuschauer des Interviews mitnehmen. Unter diesem Aspekt kann das Interview durchaus als ziemlich zeitlos gelten. Egal, ob um 14 oder 19 Uhr, 2015 oder 2018.