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So wollen die Konsumgüterhersteller den Plastikverbrauch reduzieren

Die neue EU-Plastiksteuer und ein verändertes Bewusstsein setzen die Konzerne unter Druck. Sie experimentieren intensiv mit neuen Materialien.

Die Revolution ist ein mannshoher, eckiger Kasten, an dessen Front ein Herz mit dem Schriftzug „Nachfüllstation“ prangt. Die Pflegemarke Nivea hat diese Kästen in einigen dm-Drogerien aufgestellt, um zu testen, ob Verbraucher auch Produkte wie Duschcremes in Märkten nachfüllen lassen und damit die Verpackungen wiederverwerten.

Die Testphase läuft ein halbes Jahr. Danach will der Nivea-Produzent Beiersdorf entscheiden, ob dies tatsächlich ein neuer Ansatz für die Kreislaufwirtschaft ist.

Unternehmen suchen verstärkt nach Wegen, wie sie Verpackungen aus Kunststoff reduzieren können. Denn gleich aus mehreren Richtungen hat sich der Druck verstärkt. Zum einen hat die Coronakrise zu einem Anstieg des Plastikverbrauchs geführt. Ob Spuckwände, Einmalhandschuhe oder zusätzliche Verpackungen zum Schutz vor dem Virus – der Plastikmüll in den deutschen Mülltonnen hat sich spürbar erhöht. Damit die Kreislaufwirtschaft nicht aus den Fugen gerät, müssen Konsumgüterhersteller stärker als bisher Verpackungsmüll vermeiden.

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Aus Brüssel kommen konkrete Vorgaben: Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich jüngst auf eine neue Plastiksteuer geeinigt. Ab Januar 2021 sollen die Mitgliedsländer für nicht wiederverwertete Abfälle aus Kunststoff zahlen – und zwar 80 Cent je Kilogramm. Pro Jahr will die EU auf diese Weise etwa sieben Milliarden Euro einnehmen.

Noch warten viele Unternehmen auf die konkrete Umsetzung auf Länderebene, bevor sie Maßnahmen beschließen. Fraglich ist beispielsweise, ob die Bundesregierung die Finanzierungskosten auf die Wirtschaft umlegen kann und will. In Betracht käme zum Beispiel eine Finanzierung über die Entsorgungsunternehmen, die Hersteller von Kunststoffen oder die Inverkehrbringer, beispielsweise die Konsumgüterhersteller.

„Die EU-Plastiksteuer wird mit Sicherheit unser Geschäft beeinflussen“, sagt Arno Melchior, Global Packaging Director beim britischen Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser (Sagrotan, Calgon, Finish). Inwieweit, das komme auf die konkrete Umsetzung in den Ländern an. Im schlimmsten Fall würde jeder EU-Mitgliedstaat einen eigenen Weg gehen, sagt der Manager.

Forschen an Monomaterialien

Lösungen müssen her. Reckitt Benckiser will bis 2025 alle Kunststoffverpackungen zu 100 Prozent wiederverwendbar gestalten. 2019 war erst knapp die Hälfte des Ziels erreicht. Für den Hersteller heißt die Lösung des Problems: Monomaterialien. Bislang werden Kunststoffverpackungen aus mehreren Plastikarten wie PE oder HDPE fabriziert. Das Kunststoffgemisch ist oft allerdings nicht mehr wiederverwertbar – eine große Hürde für die Kreislaufwirtschaft.

„Wir forschen intensiv an Monomaterialien“, sagt Reckitt-Benckiser-Manager Melchior. So kam im vergangenen Jahr der erste Standbodenbeutel des Konzerns auf den Markt, der aufgrund seines Materials recycelbar ist. Der neue Beutel ist komplett aus PE-Kunststoff gefertigt. Allerdings schützen Verpackungen aus diesem Kunststoff die Produkte nicht im gleichen Maße vor Sauerstoff, weshalb in den Laboren des Unternehmens jahrelang verschiedene Varianten mit unterschiedlichen Materialstärken, Verpackungsgrößen und Verschlussoptionen getestet werden mussten.

Doch die Verpackungen sollen nicht nur wiederverwertbar sein, sondern sie sollen auch aus recyceltem Kunststoff hergestellt sein. Reckitt Benckiser will bis 2025 mindestens 25 Prozent des verwendeten Plastiks aus recyceltem Kunststoff herstellen. Im vergangenen Jahr lag die Quote noch bei drei Prozent.

Auch andere Konsumgüterhersteller wie Beiersdorf haben vergleichbare Verpackungsziele für sich aufgestellt. Der Hamburger Konzern will bis 2025 sämtliche Verpackungen recycelbar oder wiederbefüllbar gestalten und zudem einen Anteil von 30 Prozent an recyceltem Material in den Kunststoffverpackungen umsetzen. Erste Produkte seien bereits auf recyceltes Material umgestellt worden, heißt es bei dem Unternehmen, dadurch werde erheblich weniger Neuplastik verwendet.

„Auch im Bereich der Gewichtsreduktion gehen wir deutliche Schritte voran, hier bringen wir Ende dieses Jahres eine Verpackungsinnovation auf den Markt, die einen echten Meilenstein für uns darstellt“, kündigt eine Beiersdorf-Sprecherin an.

Verbraucher machen sich Sorgen

Die Ambitionen der Unternehmen sind hoch, denn sie wissen um die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit in der Bevölkerung. „In den vergangenen zwei Jahren ist nachhaltige Verpackung ein noch wichtigeres Thema bei uns geworden“, meint Melchior. Es seien deutlich mehr Mitarbeiter dafür eingestellt worden, die Zahl der Forschungsprojekte habe sich erhöht.

Die Einstellung der Konsumenten richtet sich schließlich immer stärker gegen Unternehmen, die allzu sorglos mit Verpackungsmaterialien umgehen. „Nachhaltigkeit und insbesondere Plastik sind für die Verbraucher ein großes Thema. Das beobachten wir auch bei Hygiene-, Putz- und Pflegeprodukten“, sagt Özlem Yilmaz-Daniel, Expertin für Nachhaltigkeit beim Marktforschungsunternehmen Nielsen.

In einer neuen Nielsen-Studie kam heraus: Für eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist ein nachhaltiger Lifestyle bei Hygiene-, Putz- und Pflegeprodukten wichtig. Insgesamt liegt der Fokus der Verbraucher auf den Verpackungen der Produkte. Bis zu 71 Prozent der Deutschen machen sich beim Thema Nachhaltigkeit vor allem Sorgen um anfallende Plastikabfälle.

So groß die Sorge wegen Plastikabfällen ist, so gering ist noch der Wille vieler Verbraucher, ihren Müll zu trennen. In Deutschland liegt die Quote Experten zufolge bei 50 Prozent – zu gering, um den Bedarf an recyceltem Kunststoff der Industrie zu erfüllen. „Die Sammelquote muss dringend erhöht werden“, fordert Reckitt-Manager Melchior. Recycelter Kunststoff in der richtigen Qualität sei derzeit Mangelware. Nach Ansicht von Melchior kann nur eine Allianz aus Recycling-Unternehmen, Verpackungsherstellern und auch Konsumgüterunternehmen diesen Engpass auflösen.

Aufklärung tut not. Davon weiß auch Alexandra Ranzinger zu berichten. Die Kommunikationsexpertin berät aktuell zehn duale Systeme, die sich anschicken, mit der gemeinsamen Kampagne „Mülltrennung-wirkt.de“ ein höheres Bewusstsein bei den Verbrauchern zu erwirken.

Im Schnitt sei eine Drittel des Inhalts, der im Gelben Sack landet, keine Verpackung, sagt sie. „Solche Fehlwürfe, wie wir sie nennen, behindern das Recycling – deshalb müssen wird diese Quote reduzieren“, sagt Ranzinger. Ein weiter Weg, der nur mit viel Aufklärungsarbeit zu gehen sei.