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So wirkt sich die Umweltdebatte auf die einflussreichsten Unternehmen aus

Klimaaktivisten fordern ein Umdenken in den Branchen Luftfahrt, Ernährung, Chemie und Auto. Wie die Firmen um ihren Ruf kämpfen – und wie sie auf die Kritik reagieren.

Durch die Klima-Debatte droht die Gefahr von Verboten in der Luftfahrtbranche. Foto: dpa
Durch die Klima-Debatte droht die Gefahr von Verboten in der Luftfahrtbranche. Foto: dpa

Umweltschützer demonstrieren nicht nur auf Deutschlands Straßen und fordern mehr Verantwortung von der Politik – sie attackieren gezielt auch einzelne Unternehmen oder Branchen. So störten Klimaaktivisten etwa den Betrieb am Berliner Flughafen Tegel oder am Flughafen in Hamburg.

Betroffen ist aber nicht nur die Luftfahrtbranche: Auch Akteure aus der Auto- und Chemie-Branche müssen sich vor Klimaschützern und der Öffentlichkeit rechtfertigen. Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé stehen zudem im Fokus. Der steigende Druck der Aktivisten sorgt dafür, dass die Konzerne Umweltauflagen zunehmend mehr beachten. Hinzu kommen neue Gesetze zum Klimaschutz.

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Wie stark sind die einzelnen Branchen betroffen? Treten die Unternehmen in den Dialog mit den Umweltschützern oder versuchen sie sich in Konfrontation? Und: Wie nachhaltig produzieren die Unternehmen tatsächlich?

Luftfahrt: Ein ideales Ziel für die Aktivisten

Die Luftfahrtbranche hat mit der Debatte um das Klima ein Thema, auf das sie aktuell keine Antwort findet – das sie aber auch nicht mehr loswird. Die Folgen könnten dramatisch sein: das Verbot von Flügen, etwa auf Kurzstrecken.

Zwar gibt es aktuell keine entsprechenden Vorstöße seitens der Regierungen, aber die Gefahr von Verboten ist latent. Im Umfeld der Europawahl im vergangenen Jahr überschlugen sich die Kandidaten mit allerlei Verbotsideen. Dass die umweltfreundliche Alternative namens Bahn schon innerhalb der einzelnen Länder und erst recht innerhalb Europas häufig keine Alternative ist, hilft nicht. Auch nicht die Tatsache, dass die Luftfahrt weniger emittiert als zum Beispiel die Internetwirtschaft.

Denn: Die Kämpfer für ein besseres Klima haben neben dem Auto vor allem das Flugzeug als Ziel ihrer Angriffe identifiziert. Mitte November 2019 störten sie den Betrieb am Berliner Flughafen Tegel. Ende November war der Flughafen in Hamburg das Ziel. Kurz vor Silvester marschierten sie dann am Flughafen Nürnberg auf.

In der Branche wird mit weiteren Aktionen gerechnet – eine Lösung, die die Aktivisten befrieden könnte, gibt es derzeit nicht. Zwar wurden die Emissionen durch moderne und effizientere Jets in den zurückliegenden Jahren deutlich gesenkt. So verweist der Lobbyverband Iata darauf, dass die Emissionen pro Passagier seit 1990 um über die Hälfte gesunken sind. Doch die mühsam und teuer erkaufte Reduzierung wurde durch das starke Wachstum der Branche mehr als aufgezehrt.

Elektrisch angetriebene Passagierjets sind eine ferne Vision, auch weil die Batterien noch auf Jahre hinaus nicht die notwendige Kapazität vorweisen werden. Nachhaltig erzeugter Jet-Treibstoff wiederum ist teuer und aufwendig zu produzieren. Bleibt also der Verzicht. Den wiederum wollen die Luftfahrtunternehmen nicht – und die meisten Bürger wohl auch nicht, wie sich an den weiterhin steigenden Passagierzahlen ablesen lässt.
Autor: Jens Koenen

Ernährung: Neue Ideen durch Druck der Aktivisten

Egal, ob es um das Palmöl im Kitkat oder Wasser in Plastikflaschen geht: Kaum ein Konzern wird von Umweltaktivisten so häufig aufs Korn genommen wie Nestlé. Ein bisschen teilen die Schweizer das Problem des FC Bayern: Sie sind äußerst erfolgreich, aber bei der Beliebtheit besteht Verbesserungspotenzial. Der Konzern verspricht zwar mehr Nachhaltigkeit, doch mit seinem breiten Geschäftsmodell und seiner Marktmacht bildet er für Aktivisten ein dankbares Ziel.

Bei Nestlé lässt sich aber auch beobachten, dass der Druck von Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, Foodwatch und Co. durchaus heilsame Kräfte entfalten kann. Etwa beim Palmöl, wo die Schweizer als einer der größten Abnehmer weltweit gelten.

Die Umweltorganisation Greenpeace stellte 2010 ein Video ins Netz, in dem ein Büroangestellter herzhaft in einen Kitkat-Riegel beißt – der sich dann als Orang-Utan-Finger entpuppt. Die Botschaft: Mit seinem Palmöl-Hunger zerstöre Nestlé den Regenwald.

Erst wollte der Konzern das Video löschen lassen – und provozierte ein noch größeres Medienecho. Dann lenkte Nestlé ein und trennte sich von umstrittenen Lieferanten. Ab diesem Jahr soll das verwendete Palmöl gar vollständig aus nachhaltigen Quellen stammen. Dabei legt Nestlé höhere Standards an als manche Konkurrenten.

Auch das Thema Plastik bringt den Schweizern seit Jahren Ärger ein. Im vergangenen April postierten Aktivisten ein riesiges „Plastikmonster“ vor der Zentrale in Vevey – sie sehen in dem Konzern einen der weltgrößten Produzenten von Plastikmüll. Jetzt nimmt Nestlé zwei Milliarden Franken in die Hand, um Plastikverpackungen durch Recyclingkunststoff zu ersetzen. Und bis 2025 sollen nur noch recyclingfähige Verpackungen eingesetzt werden.

Umweltschützern geht auch das nicht weit genug – sie wollen, dass Nestlé ganz auf Mehrwegverpackungen setzt. Doch das ist eine Herausforderung, schließlich soll die Ware stets einwandfrei beim Kunden ankommen – sonst droht der nächste Skandal.
Autor: Michael Brächer


Chemie- und Autobranche

Chemie: Das Glyphosat-Verbot als Siegestrophäe

Den Umgang mit Kritikern ist die Bayer AG als Pharma- und Chemiehersteller seit Jahrzehnten gewohnt. Doch früher war er ein leichtes Spiel im Vergleich zu den zurückliegenden drei Jahren, seit der 62 Milliarden Dollar teuren Übernahme des umstrittenen Saatgutherstellers Monsanto.

Heerscharen von Umweltaktivisten und NGOs, die zuvor gegen Monsanto zu Felde zogen, nehmen sich seither den Bayer-Konzern vor. Beide Seiten führen einen Grabenkampf um die Zukunft der Landwirtschaft: ökologische versus industrielle Bodenbearbeitung, Pflug versus Agrarchemie, Bioknolle versus gentechnisch aufgepepptes Saatgut.

Kräftigstes Symbol für diesen Kampf ist Glyphosat, der meistverkaufte Unkrautvernichter der Welt. „Kein Gift auf unseren Äckern!“, „Das Monsanto-Gift verbieten!“, „Glyphosat stoppen!“ – so lauteten die Claims der Umweltaktivisten in ihren Kampagnen für ein Verbot des Pflanzenschutzmittels. Und die kamen nicht nur von Greenpeace. Fast alle Neugründungen unter den Aktivisten wie Campact oder Sum Of Us sprangen auf den Anti-Glyphosat-Zug auf.

Sie machen das Mittel für Krebserkrankungen und den Verlust von Biodiversität verantwortlich. Teils sind die Kampagnen mit Studien und Sachargumenten unterfüttert, teils wirken sie wie reine Zahlungsaufforderungen. Bayer versucht, mit faktenorientierten Argumenten in sozialen Netzen und auf eigenen Websites dagegenzuhalten, verweist auf die Zulassungsbehörden, die das Mittel für unbedenklich halten. Doch der Konzern kann sich nur schwer Gehör verschaffen.

Die Politik hat auf die öffentliche Debatte um Glyphosat reagiert: In Deutschland soll das Mittel ab 2023 verboten werden. Absehbar ist, dass es von dem Jahr an auch in großen Teilen der EU keine Neuzulassung des Unkrautvernichters geben wird. Bayer hält trotzig am Zulassungsprozess fest. Die Umweltaktivisten feiern schon jetzt das bevorstehende Aus für das Mittel in Europa – für sie ist das Glyphosat-Verbot wie eine Siegestrophäe.
Autor: Bert Fröndhoff

Auto: Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander

Bereits 2019, einige Tage vor seiner Inthronisierung als Daimler-Chef, hielt Ola Källenius fest, was er von Nachhaltigkeitsstrategien hält: nichts. Der Schwede ist nämlich überzeugt, dass das Geschäftsmodell von Konzernen wie Daimler an sich nachhaltig sein muss.

„Man braucht eine mutige Ambition“, konstatierte er und erklärte es zu seinem vordringlichsten Ziel, die Mercedes-Flotte bis 2039 klimaneutral zu stellen. Umweltschädliches Kohlendioxid (CO2) soll es nicht mehr geben: weder am Auspuff noch in der Produktion.

Allerdings: In zwei Jahrzehnten ist Källenius längst in Rente. Aktuell droht Daimler als einziger deutscher Autohersteller die EU-Klimavorgaben zu verfehlen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Das Problem ist exemplarisch – die dicksten Boliden bringen das meiste Geld ein. Aber hochmotorisierte SUVs stoßen überproportional viel CO2 aus.

Längst haben Ökoaktivisten die Autobauer daher zum Feindbild auserkoren. Und anders als früher werden die Protestierenden von Daimler, VW und Co. regelrecht gefürchtet. Denn: Sie haben dazu beigetragen, ein Umfeld zu kreieren, das die Politiker in Brüssel darin bestärkte, die CO2- Grenzwerte für Autos und schwere Lastwagen drastisch zu verschärfen. Hinzu kommt der direkte Aktionismus der Klimaschützer. So erzwang etwa die Deutsche Umwelthilfe in gleich mehreren Städten hierzulande Fahrverbote für alte Diesel.

Vergangenen Herbst blockierten Umweltaktivisten zudem zeitweise den Haupteingang der IAA in Frankfurt. Die Automesse wurde von so vielen Protesten begleitet, dass das einstige Schaufenster der heimischen Vorzeigeindustrie in eine schwere Sinnkrise stürzte.

Die PS-Branche übte sich in Umarmungsversuchen. So lud etwa Daimler-Frontmann Källenius den Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck zum Kuscheldialog. Und VW-Chef Herbert Diess nahm sich Zeit für ein Streitgespräch mit Tina Velo, der unter Pseudonym auftretenden Sprecherin des besonders radikalen Bündnisses „Sand im Getriebe“.
Autor: Franz Hubik

Die Forderungen der jungen Demonstranten nach mehr Klimaschutz sind nicht nur an die Politik, sondern auch an die Unternehmen gerichtet. Foto: dpa
Die Forderungen der jungen Demonstranten nach mehr Klimaschutz sind nicht nur an die Politik, sondern auch an die Unternehmen gerichtet. Foto: dpa