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So will Marc Walder den Schweizer Traditionsverlag Ringier retten

Von Kopf bis Fuß ist Marc Walder, 53, auf Liebe zur digitalen Neuzeit eingestellt. Das zeigt schon sein Hoodie, präsentiert für das Unternehmermagazin „Domo“. „62W“ steht da auf der Brust, das interne Kürzel für sechs neue Strategieprinzipien („Six to Win“). Und zu lesen ist auch „52L“ für „Five to Lead“, die fünf Führungsleitlinien des Schweizer Medienhauses Ringier.

Sehr plakativ arbeitet Vorstandschef Walder, ein einstiger Tennisprofi, am Umbau des Traditionsverlags, der mit „Blick“ und der „Schweizer Illustrierten“ groß wurde, in ein internationales Tech-Unternehmen der Google-Ära. Mit Online-Kleinanzeigen als neue Gewinnbringer, Internetportalen wie „Pulse“ in Afrika fürs Wachstum sowie künstlicher Intelligenz und Blockchain in der Geschäftsabwicklung will das Familienunternehmen sein Überleben sichern.

Sogar das ganze Land hat der Manager seiner Erweckungsbewegung unterworfen – an diesem Donnerstag ruft die von ihm angeschobene Initiative „Digitalswitzerland“ zum zweiten Mal alle Eidgenossen zum „Digital Day“, an dem Apps, 3D-Drucker und VR-Brillen ausprobiert werden. Und mit den heimischen Rivalen NZZ, Tamedia, AZ-Medien und SRG hat Walder jüngst eine gemeinsame Datenplattform geschaffen. Revolution, wohin man blickt.

Den kreativen Unruhegeist hat Eigentümer Michael Ringier, 69, mit zehn Prozent der Anteile belohnt. Walder ist nun CEO, Co-Verleger und digitaler Evangelist. In Deutschland werde viel vom digitalen Aufbruch geredet, aber dafür müsse man wirklich jeden Stein rollen, sagt Walder bei Sushi und Salat in der Top-Etage des Züricher Ringier-Verlags: „Das ist – gerade am Anfang – richtig harte Arbeit.“

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Wer immer sich in der Schweiz auf einer Website einloggt, werde das künftig mit Benutzernamen und einem einzigen Password machen, schwärmt er von einer neuen „Swiss-ID“. Möglichst alle sollen diese „nationale, digitale Identität nutzen“. Vorbild: Estland. „Digitalswitzerland“ ist mit Regierungshilfe, Schulen und 140 Unternehmen immer größer, immer breiter geworden. Im digitalen Wettbewerbsindex der Eliteuniversität IMD ist die Schweiz Fünfter. Deutschland liegt auf Rang 18.

Dem Haus Ringier hat Walder eine Software-Aufrüstung für ein eigenes Ökosystem verordnet. Alle Inhalte – Texte, Videos, Kleinanzeigen – seien nur so viel wert wie die darunter liegende Technologie, referiert er. Zwecks Monetarisierung sei eine diversifizierte Firma wie Ringier darauf angewiesen, Daten über verschiedene Plattformen und Geräte hinweg miteinander zu verbinden.

Ringier erforscht Kundenverhalten mit Hilfe von Software

Walder: „Jede Firma muss fähig sein, ihre Datentöpfe zu pflegen. Alle reden von Big Data, eigentlich geht es aber um Small Data oder, noch besser: Smart Data.“ Daten aber seien „Sisyphusarbeit“. So setzt Ringier die Software „Sherlock“ ein, um das Konsumverhalten der Kunden zu verstehen und persönliche Newsletter zu versenden. Auf bald jeder Ringier-Plattform soll ein Erklärvideo zum Datenschutz illustrieren, was mit den Daten des Users passiert und wie er dies steuern kann.

Doch der Kampf gegen die Branchenriesen Google und Facebook, die Werbegelder abgreifen, ist kompliziert. Alle Medienhäuser haben über die Jahre verschiedene technische Systeme zusammengekauft, ein Wildwuchs. Die US-Konkurrenz dagegen zog eine einheitliche Systemlandschaft hoch. Sie erlaubt spielend die nötige Kombination von Hightech und Inhalten.

„Für Amazon ist es einfacher, für einen Oscar nominiert zu werden, als für ein Hollywood-Studio, bei Tech & Data mit Amazon zu konkurrieren“, weiß Walder. Intern pusht der gelernte Journalist eine Onlinemarke wie „Izzy“ für Millennials, eine Ratgeberplattform der Verbraucherzeitschrift „Beobachter“ sowie eigene Videos.

Eine führende News-Website wie „Blick.ch“ könnte zum digitalen News-TV werden, sagt er, also de facto zu einer Art CNN der Schweiz. Journalismus bleibe bei Ringier eine treibende Kraft, auch wenn es in fünf oder zehn Jahren weniger Publikationen geben werde, sagt Walder: „Aber die führenden Plattformen eines Landes werden gutes Geld verdienen.“

Den aktuellen Umsatz hält der Manager – bei rückläufigen Anzeigen- und Vertriebserlösen der Presse – auf der Höhe von rund einer Milliarde Schweizer Franken. Der operative Gewinn liegt weiter bei rund 110 Millionen Franken, zwei Drittel kommen aus dem Digitalen. Als Nächstes ist vorgesehen, dass Walder dem Großaktionär Michael Ringier als Chef des Verwaltungsrats folgt.

„Für mich spielt es keine Rolle, ob ich CEO oder Chairman bin“, gibt Walder zu Protokoll. „Ich fühle mich in meiner jetzigen Rolle sehr wohl und habe noch vieles vor.“ Schön im Familienunternehmen sei, keine Quartalsberichte abliefern zu müssen und mehr Zeit zu haben, nachteilig dagegen, dass nur eine permanente Selbstüberprüfung ergebe, „ob Sie immer noch schnell und gut genug sind“.

Auf die Frage, was sich für ihn als Neu-Verleger geändert habe, lacht er auf: „Sie arbeiten noch einen Tick härter und achten, bildlich gesprochen, beim Nachhausegehen darauf, dass alle Lichter gelöscht sind. Mehrheitsaktionäre nehmen Manager als Minderheitsaktionäre auf, um die Wahrnehmung von Interessen noch mehr zu fördern.“

Mit dem Druck wuchs die Demut. Ringier habe stets gesagt, das Haus stehe nach dem Umbau auf sicheren Säulen, führt Walder aus: „Heute wissen wir, das war falsch. Leider. Das Tempo wird noch höher, Umbau ist längst Normalfall. Und sicher ist gar nichts. Diese Industrie darf sich nichts vormachen.“

Europa-Investments statt Silicon Valley

Die großen deutschen Family Offices mahnt er quasi nebenbei an, ihre Milliarden nicht im Silicon Valley, sondern lieber in Europa zu investieren: „Mir kommt es oft so vor, wie wenn dort draußen im Valley geradezu alles leuchtende Augen kreiert – unterschätzt die hiesigen Start-ups nicht!“ Immerhin sieht Walder, dass seine „Digitalswitzerland“-Idee womöglich zum Exportschlager wird. In Polen und Serbien gibt es schon Ähnliches, vielleicht sogar einmal in Deutschland.

Offenbar hat Walder mit Mathias Döpfner, 55, Chef von Axel Springer SE, über „Digitalgermany“ gesprochen. Beide Häuser teilen sich Zeitschriften in der Schweiz sowie Verlage in Osteuropa. Vor Wochen kam es zu einem Treffen in der Berliner Springer-Zentrale. Mit dabei: Walders Freund Marcel Stalder, Schweiz-Chef des Beratungskonzerns EY, Springer-Vorstand Andreas Wiele und Gisbert Rühl, Chef des Stahlhandelshauses Klöckner.

Eine Springer-Sprecherin sagt, es habe einen Austausch zu diesem Projekt gegeben. Es sei offen, was sich daraus entwickelt. „Das Schweizer Vorbild ist ermutigend. Es wäre schön, wenn es so etwas hier auch gäbe“, sagt Klöckner-Mann Rühl. „Der Erfolg hängt von der Galionsfigur an der Spitze ab.“