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So will Joe Biden die USA zur Öko-Nation umbauen

Das Weiße Haus sagt dem Klimawandel den Kampf an. Bidens Beschlüsse könnten nicht nur die Energiebranche, sondern auch die außenpolitischen Beziehungen prägen.

In Politik und Wirtschaft provozieren Joe Bidens Versprechen Widerstand. Foto: dpa
In Politik und Wirtschaft provozieren Joe Bidens Versprechen Widerstand. Foto: dpa

„Der Planet schreit nach Hilfe zum Überleben, er schreit laut und verzweifelt“, warnte Joe Biden in seiner Rede zur Amtseinführung. Das ist gerade mal eine Woche her, seitdem geht die amerikanische Kehrtwende im Klimaschutz rasant voran. So unterzeichnete Biden den Wiedereintritt der USA ins Pariser Klimaabkommen und blockierte den Bau der umstrittenen Ölpipeline Keystone XL.

Jetzt sollen weitere Schritte folgen: Am Mittwoch veröffentlichte die US-Regierung eine Flut neuer Dekrete, die den Klimawandel als „Priorität für die nationale Sicherheit“ definieren. Die Beschlüsse könnten nicht nur weitreichende Folgen für die heimische Energiebranche haben, sondern auch die diplomatischen Beziehungen prägen.

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„Wir sind stolz darauf, dass wir uns zurückmelden“, sagte Bidens Sondergesandter für Klimapolitik, John Kerry, am Montag auf einer virtuellen Konferenz mit US-amerikanischen und europäischen Vertretern. In den vier Jahren unter Donald Trump hätten die USA die internationale Klimapolitik ignoriert. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um aufzuholen“, versprach Kerry.

Bidens Auftakt im Weißen Haus markiert eine radikale Abkehr von der Trump-Ära. Der Ex-Präsident hatte Fakten zum Klimawandel, etwa die wissenschaftlich nachgewiesene Erderwärmung, konsequent angezweifelt. Trump wollte die Stärke auf dem globalen Energiemarkt vor allem durch fossile Rohstoffe, Kohleförderung und schnelle Gasproduktion sichern.

Deregulierung war ein wichtiger Teil seiner Wirtschaftsförderung. So kassierte Trump praktisch alle Vorschriften der Regierung von Barack Obama zur Bekämpfung des Klimawandels, im Natur- und Artenschutz.

Bidens Zwei-Billionen-Dollar-Plan

Biden hingegen will in den USA eine grüne Energiewende. Im Wahlkampf hatte er einen Zwei-Billionen-Dollar-Plan zur Bekämpfung des Klimawandels vorgelegt. Der Demokrat verspricht Millionen neuer Jobs durch den Aufbau einer sauberen Energiewirtschaft, und er will als Präsident die Weichen für eine neutrale CO2-Bilanz bis zum Jahr 2050 stellen.

Dafür sorgen sollen strenge Standards im Energiesektor und hohe Investitionen in moderne Gebäude und Infrastruktur. Außerdem will Biden elektrische Autos fördern, durch Steuervergünstigungen für batteriebetriebene Fahrzeuge und eine halbe Million Ladestationen.

Für viele Reformen ist Biden auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen. Doch die Dekrete, die er kraft seines Amtes allein verabschieden kann, stützen den neuen Kurs auf mehreren Ebenen:

  1. Chinapolitik: Die Hinweise verdichten sich, dass die USA Klimapolitik verstärkt als diplomatisches Druckmittel, etwa im Verhältnis zu China, einsetzen wollen. Unter anderem wollte Washington Peking am Mittwoch dazu auffordern, seine Emissionen zu senken. Das Memorandum lag zum Redaktionsschluss dieser Zeitung noch nicht vor, wurde aber von US-Medien wie der „New York Times" im Vorfeld aufgegriffen.
    Die USA sind mit 5,3 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr der zweitgrößte Weltverschmutzer hinter China (siehe Grafik). In Washington wird spekuliert, ob Klimamaßnahmen auch Teil von Handelsgesprächen werden könnten. China verspricht eine klimaneutrale Bilanz bis 2060, zehn Jahre später als führende Industrieländer.

  2. Klimadiplomatie: Damit verbunden soll der Klimawandel eine Priorität für die nationale Sicherheit der USA werden. Geheimdienste etwa müssten dann den Klimawandel in Gefahrenanalysen mit einbeziehen. Der Vorstoß stammt aus der Obama-Ära und wurde von Trump widerrufen.
    Grundsätzlich werden Partner wie Deutschland eine stärkere Präsenz der USA erleben, etwa im Rahmen der 26. UN-Klimakonferenz im Herbst. Auch will das Weiße Haus einen Sonder-Klimagipfel am 22. April, dem internationalen Earth Day, ausrichten. „Faktisch wird jede außenpolitische Interaktion mit Klimapolitik verknüpft“, sagte Meghan O’Sullivan, Geopolitik-Direktorin an der Harvard Kennedy School, auf einem Podium der Denkfabrik Atlantic Council.

  3. Warnschuss für Ölindustrie: Biden hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit die umstrittene Pipeline Keystone XL blockiert, die Teersandöl aus Kanada an die Golfküste von Texas importieren würde. Außerdem hat er ein 60-tägiges Moratorium für neue Öl- und Gasbohrungen auf Bundesgebieten erlassen.
    Nun will Biden die Behörden anweisen, einen kompletten Stopp neuer Bohrgenehmigungen zu prüfen. Förderungen auf privatem Land werden offenbar vorerst nicht angetastet. Auch ein nationales Frackingverbot, auf das der linke Flügel der Demokraten drängt, scheint aktuell nicht im Gespräch.

  4. Regulierung: Mehr als hundert Vorschriften im Umwelt- und Naturschutzbereich, die unter Trump gelockert wurden, will das Weiße Haus wieder strenger handhaben. Ein Beispiel: Unter Obama mussten Öl- und Gasunternehmen ihre Geräte zweimal im Jahr auf Methanlecks untersuchen. Trump schwächte diese Regel ab, Biden will sie wieder einführen. Auch Hersteller von Autos und Elektrogeräten sollen effizienter produzieren müssen.
    Ein Naturschutzplan soll Millionen Hektar Land und Gewässer vor Umweltzerstörung schützen. Laut der Nachrichtenagentur AP will Biden erreichen, dass ab 2030 rund ein Drittel der USA dauerhaft Wildtieren, Pflanzen und Naherholung vorbehalten bleiben.

Große Organisationen wie den Internationalen Währungsfonds (IWF) hat Biden auf seiner Seite. „Wir sehen Klimaschutz als Chance für Wachstum und nachhaltige Arbeitsplätze, insbesondere nach der Pandemie“, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgieva auf derselben Konferenz, auf der auch Kerry auftrat.

Doch in Politik und Wirtschaft provozieren Bidens Versprechen Widerstand. „Pittsburgh ist wichtiger als Paris“, lästerte der republikanische Senator Ted Cruz aus dem ölreichen Texas – in Anspielung auf Millionen Jobs, die an der Förderung fossiler Energie hängen. Der Republikaner-Chef im Senat, Mitch McConnell bezeichnete den Pariser Klimapakt als „schreckliches Geschäft, das uns großen wirtschaftlichen Schmerz zufügen wird“.

Auch Branchenverbände reagierten mit scharfer Kritik. „Unsere Wirtschaft kann sich nur dann erholen, wenn wir zuverlässige Energie dorthin liefern, wo sie benötigt wird“, teilte das American Petroleum Institute mit. Ein anderer Verband, die Independent Petroleum Association of America, warf Biden eine „Zerstörung der Wirtschaft“ vor. „Wir geben unsere Produktion nach Saudi-Arabien und Russland ab, wo die Umweltkontrollen weitaus weniger streng sind.“

Die amerikanischen Ölkonzerne hatten unter Trump, anders als europäische Konkurrenten, kaum nachhaltige Strategien vorgelegt. Während etwa BP oder Eni seit Jahren ihr Geschäft mit alternativen Energien ausbauen, setzen US-Riesen wie Chevron weiter auf fossile Brennstoffe.

Für einen Richtungswechsel, den die nächste Regierung nicht direkt wieder bremst, braucht Biden allerdings mehr als eine Handvoll Dekrete. Will er den Treibhausgas-Ausstoß von Kraftwerken beschränken oder eine CO2-Steuer verabschieden, geht das nicht ohne den Kongress.

Erst mal muss sich die Konjunktur erholen

Auch sein knapp zwei Billionen teures Konzept für einen „Green Deal“, der den Fokus auf grüne Infrastruktur legt, müsste vom Kongress bewilligt werden. Dort will Biden aber erst einmal das ebenso teure Covid-Konjunkturpaket durchbringen, um die Folgen der Pandemie unter Kontrolle zu bekommen.


„Alle Bemühungen zum Klimaschutz stehen im Schatten vieler anderer Herausforderungen“, warnt David G. Victor, Energie-Experte an der Denkfabrik Brookings. „Auf dem Papier sind viele Beschlüsse leicht. Die USA müssen beweisen, dass Taten folgen. Der Rest der Welt wird uns genau beobachten.“

Wie schwierig sich Bidens Kampf gegen den Klimawandel gestalten wird, zeigt sich an den Machtverhältnissen im US-Senat. Dort haben die Demokraten eine sehr knappe Mehrheit, die nur mit dem Veto von Vizepräsidentin Kamala Harris durchgesetzt werden kann. Das heißt im Umkehrschluss, dass kein einziger Demokrat bei einer Ökoreform abweichen dürfte.

Manche demokratische Senatoren stammen aber aus Bundesstaaten, die von Kohle und Öl abhängig sind. Der Demokrat und designierte Chef des Energie-Ausschusses etwa, Joe Manchin aus West Virginia, verklagte als Gouverneur einst die Umweltbehörde EPA.

Kommt der E-Auto-Boom?

Ein Lichtblick für Biden ist das Wohlwollen der Autobranche. Hersteller wie General Motors setzen verstärkt auf Nachhaltigkeit, um langfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können. Bidens Pläne für E-Autos und die damit verbundenen Zuschüsse vom Staat werden deshalb eher positiv gesehen.

Sollten die Amerikaner ähnliche CO2-Vorgaben wie die EU erlassen, dann könnten E-Autos schon in vier Jahren 25 bis 30 Prozent der Neuzulassungen ausmachen, schätzen Analysten der Beratungsfirma Evercore. Das sind zehn Prozent oder 1,5 Millionen Neuwagen mehr, als sie bisher erwartet hatten.

Was zusätzlich für Biden spricht: Er fängt in seinen Klima-Mühen nicht bei null an. In den USA haben die Bundesstaaten eine Menge mitzureden, auf föderaler Ebene hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt. Selbst unter Trump hatten sich viele Bundesstaaten für einen klimafreundlichen Kurs entschieden, allen voran Kalifornien.

Auch New York hat sich eines der ehrgeizigsten Klimaziele gesetzt, demnach soll der Bundesstaat seine Treibhausgase bis 2050 vollständig reduzieren. Benzinautos und Ölheizungen sollen bis dahin der Vergangenheit angehören, und bereits 2040 soll die gesamte Energie aus CO2-freien Quellen kommen.

Maine, Oregon, Washington, Colorado, New Mexico, Kalifornien, New Jersey und Hawaii haben sich ebenfalls Ziele gesetzt. Sie alle wollen erneuerbare Energieversorgung freiwillig ausbauen.

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